Pigment-Donation-Day
Buntes Treiben in der Seelingstraße Das mit dem Indisch Gelb lief früher folgendermaßen. Man gab Kühen Mangoblätter zu fressen, ließ sie einige Tage dürsten und gewann dann aus dem trotzdem ausgeschiedenen Urin (aqua subdominalis hindustani) nach einigem chemisch-physikalischen Hin und Her das allerfeinste Pigment, das in gepresster Form nach Europa verbracht wurde, wo sich die Maler (Rubens, Rossini, Rembrandt, Bottocelli (taucht gelegentlich auch in anderer Schreibweise auf), Heidegger etc.)) sofort darauf stürzten und die allerfeinsten Bilder damit malten. Das Ergebnis: Hohe, wenn nicht gar höchste Kunst. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde diese Art der Pigmentherstellung wegen der damit verbundenen Tierquälerei (schwere Nierenschäden bei Rembrandt bzw. den indischen Kühen) aber verboten. Folge: Niedergang der Malerei, schwerste Degenerationserscheinungen (s. Malewitsch oder wer mit seinem Schwarzen Quadrat). Erst als es 1964 Chemikern des Saalfeldener Jesuitenlaboratoriums (Ltg. Prälat Dr. Rer. Nat. Anton Beck) gelang, Gelb auch synthetisch zu erzeugen, wurden die Bilder wieder farbenfroher, heller, freundlicher, mit einem Wort: gelber.Daß sich unter den am 25. Oktober 2006 zwischen 12 und 18 Uhr gegen eine geringe Spende (fließt fast alles komplett an den Seeling-Treff) vor dem Kiezbüro abgegebenen Pigmenten jedoch echtes Indisch Gelb befand, kann hier ernsthaft aber nicht behauptet werden. Dazu war zu viel Blau dabei. Sowie Braun. Und jede Menge Blau.
Und nun alles von Anfang an.
Letzte Woche erschien eine Dame vom Seeling-Treff, es seien da etliche Farben abzugeben, eine irgendwann mal ins Leben gerufene Malgruppe existiere nicht mehr, und man wolle sich daher von allerlei Sachen trennen: von Keilrahmen, Pigmenten, Leinwänden etc. Bei einem ersten Augenschein war da ein Karton mit kleinen Plastikbehältnissen mit Pigmenten, die hätten einigen wilden Expressionisten gereicht, um, sagen wir: drei Quadratmeter Leinwand, notfalls auch fünf, vollzupinseln. Heute Mittag um zwölf dann der GAU bzw. das Supergeschenk: etwa 30 10-Liter-Eimer, ehemals Rahmspinat, Sauerkraut und anderes Großküchenartiges enthaltend, voll mit Pigmenten. Sehr viel Blau, auch Braun in verschiedenen Variationen, Orange, Grün, nochmals Blau, aber leider kein auf traditionelle Art gewonnenes Indisch Gelb. Wir haben uns trotzdem die Eimer von einem freundlichen Herrn ins Kiezbüro bringen lassen.
Und da standen sie nun: ca. 30 Großgebinde mit Pigmenten.
Die ersten Abfüllaktionen fanden im mit Teppich ausgelegten Tagungsraum des Kiezbüros statt, in kleiner Besetzung. (Etwa 18 telefonisch alarmierte Künstler tauchten erst später am Nachmittag auf). Als dann eine leere Haribo-Gummibärchen-Plastikgroßdose mit Blau gefüllt wurde und der übereifrige Projektleiter Marpe den Deckel mit einem Handkantenschlag verschließen wollte, war es soweit: eine intensive Blauverpuffung will sagen: Pigmentzerstäubung. Die Plastikdose war zerbrochen. Und beinahe auch des Projektleiters Lust weiterzumachen.
Genial dann aber dessen Gedanken, die Pigmentgebinde auf den Bürgersteig zu stellen. Und da ging es dann los: Altniederländische Maler, Renaissance-Künstler aus Oberitalien, Informel-Künstler von der amerikanischen Westküste, ungarische Experimental-Expressionisten, ja, selbst Landschaftsmalere aus Lichtenrade erschienen, um sich Pigmente abzufüllen, in Honiggläsern, Plastiktüten, leeren Frigeo-Brausetüten usw. Ein munteres Treiben auf dem Bürgersteig vor dem Kiezbüro. Als dann allerdings ein aus Spandau angereister, frühpensionierter Verwaltungsangestellter mit einer von der Domäne Dahlem ausgeliehenen Kuh und ein Büschel Mangoblätter erschien und demonstrieren wollte, wie man echtes Indisch Gelb herstellt, da gingen bei mir die Schotten runter, da war es zappenduster, da war Matthäi am letzten, da war das Damoklesschwert am Überlaufen.
"So nicht!" konnte ich noch hauchen und mit letzter Kraft und dem rechten Daumen auf das Paar verweisen, das mit drei, kann auch sein vier Pigmentgroßgebinden und einer roten Sackkarre in Richting Seelingstraße hinten links verschwand, vorher aber die Spendenkasse sehr großzügig aufgefüllt hatte. (Die Spenden gehen, wie gesagt, an den Verband zur Pflege Indischer rauhfutterverzehrender Großvieheinheiten bzw. an den Seeling-Treff. Und wurden sehr unterschiedlich in das Spendengefäß gegeben. Da gab es Leute, die mit einem gefüllten Rücksack und einer Spende von € 2,- davonwackelten und andere, die sich fast spärlich bedienten und € 5,- daließen)
Danach fehlen mir einige Stunden.
Als ich wieder Herr meiner Sinne bin (ich komme zu mir vor dem Computer im Büroraum und beobachte mich dabei, wie ich den Kiezer Weblog lese, es geht um einen ziemlich schludrig zusammengeschriebenen Text, in dem jemand beschreibt, wie er Pigmente verschenkte und diese Aktion auch noch zu Papier bringt)
bietet sich mir folgendes Bild:
Noch immer sind 12 (in Worten: etwa ein Dutzend) Pigmentgroßgebinde da. Die stehen alle auf der Toilette. Blau, kein Indisch Gelb, etwas Grün, Orange und jene Farbe, die, wenn man sie mit Gelb mischt, Grün ergibt, sowie etwas Fluorultrakoinzidenzartiges Meganta, das geht mehr in Richtung Blau, mit einem Stich Primärumbra).
Und deshalb ist morgen, am 26. Oktober 2006, wieder Pigment-Donation-Day.
Abgabe dann aber nur in Großgebinden (notfalls, aber nur nach inständig, aus weiblicher Kehle vorgetragener Bitte, auch in Kleingefäßen)
von 8.00 bis 15.00 Uhr.
Mit Indischem Gruß
Scardanelli
Raymond Sinister - Alfred Rietschel - 25. Oktober 2006 - 21:26
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