Neues für den Bücherfreund
Gerade erst ist sie erschienen und hat schon für Furore gesorgt:
Walter Brieselangs brillante kulturgeschichtliche Untersuchung:
Seeling vierundsechzig. Ein Haus in Charlottenburg lüftet sein Geheimnis.
Gorgonzola Verlag, Bad Oldesloe, 2006, 344 S., Hardcover, € 39,90.
Brieselang legt das Ergebnis langjähriger Forschungen vor, daß nämlich in diesem Haus, mitten im Kiez am Klausenerplatz gelegen, im Jahre 1928 das Attentat auf den lettischen Botschafter Karkautis geplant wurde, das die politische Landschaft der Weimarer Republik, ja ganz Mitteleuropas erschüttern sollte. Detailliert bringt er Beweise, schildert die monatelangen Planungen der südserbischen Attentätergruppe um Stavros Grgnic, die sich fast jeden Abend in dem Haus in der Seelingstr. 64 traf, das heute einen Waschsalon beherbergt.
Ein erzählerisches Experiment, das dem Leser einiges abverlangt:
Laszlo Schmidtbauer: Die Florfliege. Roman. Koboldt-Verlag, Potsdam, 2006, 1220 S., Paperback, € 17,80.
Der Autor schildert eine komplette, zweieinhalbstündige Plenumssitzung in einem Büro im Charlottenburger Kiez aus der Sicht einer Florfliege - unter weitestgehendem Verzicht auf sprachliche Verständlichkeit. Überraschend ein fünfzeiliger Perspektivwechsel auf S. 970, wenn Brieselang dem Sprecher einer sog. "Kunst im Kiez-Arbeitsgruppe" Stimme verleiht, dann jedoch wieder die Fliege erzählen läßt. Das alles liest sich nicht ohne Reiz, ist aber keine ganz einfache Lektüre.
Jack T.Slinger: Blut quoll aus der Manteltasche. Marshal Mulack jagt die Desperados. Bastion-Verlag, Windisch-Gladbach, 2006, 64 S., € 2,10 (Reihe: Busen, Blei und Pistoleros)
Hinter dem Namen Jack T. Slinger verbirgt sich ein im Kiez ansässiges Autorenpaar, das nunmehr seinen vierundachtzigsten Roman vorlegt. Wie Marshal Mulack zunächst einen Sprengstoffanschlag auf das Postgiroamt in Tucson vereitelt und anschließend die Desperados jagt, ist mit gewohnt erzählerischer Raffinesse, mit Witz und dramaturgischem Geschick in Szene gesetzt. Unnachahmlich die Stelle, als der Marshal zusammen mit seinem Kampfgürteltier Rosi gerade das Rotlichtviertel von Laredo durchkämmen will, dann jedoch vom Sprecher der Sioux-Betriebskampfgruppe eine Einladung zu einem Feng-Shui-Abend mit anschließender Einführung in die Iris-Hühneraugendiagnostik bekommt. Der Marshal ist ratlos. Wie er sich entscheidet, wollen wir hier natürlich nicht verraten. Nur soviel: die Geschichte geht gut aus.
Das war es für heute, lieber Bücherfreund,
Ihr
Alfred Rietschel, Kunstflaneur.
Raymond Sinister - Alfred Rietschel - 22. August 2006 - 09:43
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