Alle Jahre wieder.
Im Advent sind die Kirchen gut besucht, zu Weihnachten werden sie dann richtig voll. Das ist selbst im säkularen Berlin der Fall. Die Dunkelheit des Winters, in Verbindung mit dem nahenden Jahreswechsel, mag auch Menschen auf dem Wege der Sinnsuche in die Kirchen führen, die sich über das Jahr gesehen kaum als religiös oder gar konfessionell erleben. Wie auch immer die Motive für den Besuch einer Messe gelagert sein mögen, ein Gotteshaus der besonderen Art liegt am Nordostufer des Lietzensees in der Witzlebenstraße. Dabei ist der Bau der katholischen Pfarrei St. Canisius auf den ersten Blick gar nicht zwingend als Kirche zu erkennen. Erst der schlanke Campanile am Rand des Vorplatzes identifiziert die Anlage als Gotteshaus.
Die älteren Kiezler werden sich erinnern: im Jahre 1995 brannte die alte Kirche St. Canisius nach den Feuerspielen zweier Jungen vollständig ab. Der 2002 geweihte Neubau an gleicher Stelle erhielt im Jahr darauf den Architekturpreis des Landes Berlin. Das freistehende Gebäude ist als Kirche am Weg konzipiert, an ihr vorbei führt ein Fußweg vom ruhigen Seeufer zur belebten Kantstraße. Der Baukörper fasziniert durch seine zurückhaltende Monumentalität. Zwei grauweiße Betonkuben sind ineinander geschoben: der eine geschlossene birgt den eigentlichen Kirchenraum, der andere offene erweitert das Innere virtuell ins Freie. In ihn ragt wie eine Skulptur die hölzern eingefasste Marienkapelle. Beide Würfel sind durch eine Glaswand getrennt wie verbunden, durch die viel Tageslicht nach innen fließt. Die erhabene Schmucklosigkeit der Fassade verleiht der Kirche etwas Trotziges, fast Abweisendes.
Auch der halbkreisförmige lichte Innenraum gemahnt so gar nicht an die katholische Tradition. Gegenüber dem gewaltigen Portal hängt eine Figur des Gekreuzigten, die beim Brand der alten Kirche deformiert wurde. Eine Apsis fehlt, hinter dem wuchtigen Altarblock leuchtet eine quadratische Holztafel mit Blattgold überzogen, der Farbe des Nichtdarstellbaren. In der erweiterten Nähe spielt der Kantor auf einem Orgelpositiv, die Gemeinde nimmt Platz auf im Raum je neu zu arrangierenden Stühlen. Der Boden besteht aus schiefergrauen Pflastersteinen, die den Weg von der Straße über das Grundstück in die Kirche verlängern. Die nüchterne Ausstattung des Raumes lenkt die Gedanken, Gefühle und Gebete der Besucher auf das Wesentliche, den Gottesdienst.
Der wird seit der Gründung der Gemeinde im Jahre 1921 von Jesuiten gehalten. Dieser jüngste der großen katholischen Orden, ein Kind der Gegenreformation, steht im Ruf, intellektuell wie spirituell besonders streng zu sein. Das zeigt sich nicht nur im heiligen Ernst der Liturgie, sondern vor allem in den Predigten, die oft rhetorisch brillant sind, dabei lebensnah und ganz der Erziehung zum Glauben gewidmet. In einem zum Ensemble gehörenden benachbarten Wohnhaus ist neben dem Pfarrbüro auch die Katholische Glaubensinformation des Erzbistums Berlin untergebracht. Hier bieten die Jesuitenpatres Kurse zu Glaubensfragen an und leiten Exerzitien. Wer bereits auf dem Weg des Glaubens sich befindet, wird in ihnen anspruchsvolle Begleiter finden. Und wer sich einmal dem Ritual der Liturgie mit ihren Geheimnissen hingeben möchte, ist ebenfalls an der richtigen Adresse. Nicht nur im Advent.
Andrea Bronstering - Gastautoren, Kiezfundstücke, Kiezreportagen - 14. Dezember 2007 - 22:06
Tags: gastautoren/st._canisius
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