"Eine einmalige Zeit"
Ein Interview mit Sándor Barics, Maler und Filmemacher aus der Danckelmannstraße in Berlin-Charlottenburg
(Teil 1)
Ponlur pictures ( PP ) : Haben dich Filme schon immer interessiert?
Sándor Barics ( SB ): Ja. Ich bin mit Filmen und mit Kino großgeworden. Wir waren in Ungarn viel unterwegs, auf Rummelplätzen und anderswo. Als Kind war ich begeistert von "Star Wars" und "Alien", und ich wollte immer einen Science-Fiction-Film drehen. Im Sommer 1984 habe ich sogar begonnen, ein Drehbuch zu schreiben und habe das Storyboard dafür gemacht.
PP : Wer oder was hat dich beeinflußt?
SB: Als wir 1985 nach Deutschland kamen, kannten wir Videos noch gar nicht. Wir hatten im Flüchtlingslager viel Zeit und haben sie erst da kennengelernt.
Wir haben wahnsinnig viel Videos angeschaut. Es war etwas Magisches. Das Heimkino hatte uns gepackt. Unsere Nachbarn kamen auch aus Ungarn, und die waren bereits Mitglieder bei einer Videothek. Wir haben ständig Videos angeschaut, unzählige Videos, am Wochenende bis zu acht Filmen am Tag. Und das jahrelang - bis ich 18 war. Sonntags saßen alle zusammen. Wir haben gegessen, gequatscht und den ganzen Tag nur Filme geguckt.
Es war schön. Eine einmalige Zeit. Die Nachbarn kamen zu uns, auch die Kinder, und manchmal waren wir zu zehnt in einem Zimmer und haben Filme geguckt. Auf Deutsch. Die meisten von uns haben das nicht verstanden, da nicht alle die Sprache konnten. Aber es gab immer einen Übersetzer, und wenn der nicht mehr konnte, haben wir den Fernseher auf stumm geschaltet und nur die Bilder angeschaut.
Es war trotzdem sehr faszinierend.
Viel später, als ich dann besser sprach, habe auch ich diese Rolle übernommen. Manchmal war das Simultanübersetzen schon sehr anstrengend, und dann habe ich statt der richtigen Übersetzung meine eigene Interpretationen daruntergelegt. Es war schön zu sehen, wie ich so die Filme beeinflussen konnte.
Leider waren das damals keine Kunstfilme, sondern Hardcore Action-und Karatefilme und, das hat mir besonders gefallen, sehr viel Science-Fiction. Mich haben damals die Cover auch sehr beeindruckt.
PP: Wie ging es weiter?
SB: Es ging zunächst mit den Filmen gar nicht weiter. Im Alter zwischen 18 und 22 wollte ich überhaupt keine mehr sehen. Ich habe sogar meinen Fernseher abgeschafft. Ich habe mit dem Malen begonnen und endete in New York auf der berühmten Art Student League, wo vor mir H. Hofmann, M. Rothko, Jackson Pollock und W. DeKooning studiert haben.
1997 hat mich dann Ray Caligiure, ein Filmkritiker, mein Nachbar, und später auch guter Freund, in die Welt der Kunstfilme eingeführt: Dr.Caligari, Eraserhead, Man with movie Camera, Nosferatu… Die Filme von Murnau und Lynch haben mich sehr geprägt. Ab da waren wir fast jedes Wochenende in der N.Y.Anthology im Film Archiv und haben die Filme von Bunuel, Tarkowskij, Mekas, Greenaway, Tarr, Godot und Fellini aufgesaugt.
Wieder waren es hunderte von Filmen, die ich angeschaut habe.
Mein Freund Ray betrachtete es als eine Art Kunsterziehung auf dem Filmsektor.
Ich fand es interessant, aber meine Malerei war mir doch wichtiger. Für mich war es mehr eine Entspannung nach der anstrengenden Malerei.
Zwischen 1999 und 2001 habe ich dann wieder fast gar keine Filme mehr sehen wollen.
Ich wollte nur noch malen, malen, malen. “That´s all I wanted“.
Die Filme haben mich erst wieder in Berlin eingeholt.
PP : Warum im Berlin?
SB: Nun, bereit in New York sprachen viele meiner Künstlerfreunde von Berlin.
Meine Frau ist Amerikanerin und kannte Europa noch gar nicht.
So wir haben 2001 beschlossen, nach Berlin zu ziehen und hier Kunst zu machen.
Raymond Sinister - Alfred Rietschel, Kunst und Kultur - 25. August 2006 - 16:22
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