1 Meile von Berlin
Unser Kiez liegt also eine Meile von Berlin entfernt.
Zumindest wenn man dem alten Meilenstein am Spandauer Damm/Ecke Nithackstraße glauben mag. Einerseits mag nun der alte Wunsch nach Unabhängigkeit, also nicht zu Berlin zu gehören, durchkommen. Schließlich hat ja unser Kiez eine stolze Geschichte als wehrhafte Gemeinschaft, als das "kleine gallische Dorf", welches schon so manchen Kampf gegen die Mächtigen geführt und natürlich gewonnen hat. Man denke nur an die aktuellen Probleme für Mieter im Kiez - welch eine traumhafte Vorstellung, sich endlich von diesem Senat befreit zu sehen!
Aber wie fast immer scheint das alles so eine Sache zu sein. Alles leider nicht so einfach und so sieht es wohl auch mit dieser (Entfernungs-) Angabe aus. Denn der Meilenstein soll einmal woanders gestanden haben und versetzt worden sein.
Im Lexikon auf der Webseite des Bezirksamtes steht dazu:
Der 6 m hohe Meilenstein aus Sandstein mit vergoldeter Kugel und Metallspitze steht auf einem quadratischen Sockel. Seine Tafel trägt die Aufschrift: " 1 Meile von Berlin". Eine Meile entspricht 7,5342 km. Angegeben ist die Entfernung bis zum Berliner Stadtschloss. Als Fußgänger wusste man, dass man bis Berlin noch rund 2 Stunden zu laufen hatte. Erwiesen ist die Existenz dieses Charlottenburger Meilensteins erst ab 1846, als er als Muster für weitere Meilensteine genannt wird. Vermutlich stammt er aus dem Jahr 1798, als die Chaussee zwischen Brandenburger Tor und Schloss Charlottenburg gebaut wurde. Angeblich soll er auf Wunsch von Königin Luise, also vor 1810 direkt vor ihrem Fenster im Schloss Charlottenburg aufgestellt worden sein. 1905 wurde er auf seinen heutigen Standwort auf dem Gehweg vor dem ehemaligen Marstallgebäude versetzt. Die goldene Kugel wurde 1990 restauriert.
Quelle: Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Lexikon "Meilenstein, Meilensäule"
Weiter scheinen die Experten unterschiedlicher Meinung zu sein. So schreibt die "Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V." in einer Gegendarstellung zur Veröffentlichung von Kristiane Lichtenfeld:
In der Mehrzahl der Literaturangaben über diesen Meilenstein wird geschrieben, dass er mit der Errichtung der Chaussee zwischen dem Brandenburger Tor und dem Schloss Charlottenburg im Jahre 1798 aufgestellt worden ist. Diese Vermutung scheint sich aber nicht zu bestätigen.
Quelle: "Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V." -
"Der Meilenstein in Berlin gegenüber dem Charlottenburger Schloss"
Wie auch immer es nun genau gewesen sein mag, interessant ist die ganze Geschichte schon. Ich werde unten Links angeben, was ich dazu noch gefunden habe.
Nun mag es ja mit diesem Meilenstein so seine eigenen "kaiserlichen" oder auch "bürgerlichen" Bewandtnisse haben, was wem wo nicht gefällt, oder wichtiger ist, vielleicht auch nur kleine Machtspielchen, oder einfach nur Langeweile : was spielen da schon etwa 200 Meter Unterschied zwischen den Standorten eine Rolle, auch wenn eigentlich eine Meile genau 7,5342 km entspricht.
Eine deutsche Landmeile wohlgemerkt!:
Und was für eine Meile - die in den USA üblichen 1,6 Kilometer? Eine Touristenfalle? Die Wahrheit ist, dass Mitte von hier viel weiter weg ist, weil keine englische, sondern eine deutsche Landmeile gemeint ist und die ist 7,5 Kilometer lang.
Quelle: Berliner Morgenpost vom 25.03.2007
Eigentlich versteht man unter Meilenstein oder Postmeilensäule, die in regelmäßigen Abständen an Straßen errichteten Entfernungsanzeiger (Wikipedia). "Sie dienten zunächst der Post, die nach festgesetzten Entfernungen die Beförderungszeiten, Personen- und Extrapostsätze sowie das Paket- und Geldporto regelte" ("Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V."). Soweit bekannt, dienten sie aber in Brandenburg nur repräsentativen Zwecken (Wikipedia). Na dann spielt ja auch die genaue Entfernung keine große Rolle.
Also durfte man unseren Meilenstein ruhig ein wenig hin und her schleppen - aber wir lassen ihn jetzt dort stehen, oder? Spielchen haben wir nicht nötig - wir kümmern uns lieber um die Unabhängigkeit, weiterhin die sog. Mächtigen in die Schranken zu weisen - oder?
Links:
* Deutsches Technikmuseum Berlin, über einen "Preußischen Armenwegweiser"
* rbb online, Preussen-Chronik - Brandenburgisch-Preußische Post
* Forschungsgruppe Postmeilensäulen in Preußen, Anhalt und Mecklenburg -
- Verbreitungsgebiet von Postmeilensäulen
* Chess Tigers Schach-Förderverein 1999 e.V. -
- Berliner Moderne: Traditions-Schach und kreatives Chess960 im Fadenkreuz
* Wikimedia, "Postmeilensäule"
* Wikimedia, "Milestones"
* Berliner Woche, Nr. 14, 4.April 2007 - Seite 3 (als PDF)
- Geschichte, Kiezfundstücke - 15. Januar 2008 - 00:09
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Warum hat der bewährte Kiezspaziergang im Jahr 2013 nicht mal ein “halbes Auge” auf diese interessante, wichtige Säule geworfen ?
http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-w..
immerhin findet man auf der BA website eine notiz:
http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-w..
auf dem Altstadtpfad sucht man die Säule jedoch vergebens.Hier ist nachholbedarf.
http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-w..