Vier Kinder und eine Scheidung
Anfang April (2.4.2009) meldete die ARD im Videotext, daß Experten beklagen, Kinder hätten zu wenig Rechte. Als ein eklatantes Beispiel dafür wurde Kinderarmut genannt. Nun wird ja allgemein beklagt, daß Kinder von alleinerziehenden Eltern hiervon überduchschnittlich oft betroffen sind. Sicher wäre ihnen durch mehr Geld geholfen. Aber verletzt es die Rechte dieser Kinder nicht noch viel mehr, wenn sie - laut Statistik jedes dritte Kind - durch eine Scheidung oft überhaupt erst zum 'alleinerzogenen Kind' werden, dessen Armut dann bekämpft werden muß? Allerdings ist von entsprechenden Forderungen der Kinderrechtsexperten nach Förderung des Erhalts von Familien - anstelle von finanzieller Schadensminderung - nichts zu hören.
Auch in diesem Buch geht es um Schadensminderung. Die Verfasserin wendet zu diesem Zweck die weitverbreiteten Konzepte 'Nach vorne schauen' und 'Positiv denken' an. Dabei zeigt sie kenntnisreich und realistisch, was sich bei den Kindern - hier sechs, acht und neun Jahre alt sowie die zehnjährige Lene als Erzählerin - abspielt: Vorahnung, Angst, Verzweiflung, Hoffnung, erfolgloser Protest, das Gefühl, alleingelassen und den Entscheidungen der Eltern ausgeliefert zu sein, Regression (Bettnässen), Loyalitätskonflikte, auch Schuldgefühle.
Was kann nun das alleinerzogene Kind von diesem Buch lernen? Zum einen, daß auch die Eltern traurig und machtlos sind, denn 'irgendwie' kommt es über sie, daß sie "sich nicht mehr so richtig lieb" haben und dann "nicht mehr weiterwissen", "es ja selbst nicht ganz" verstehen. Die Botschaft ist offenbar: Schicksal!; muß man halt hinnehmen!; selbst die Großen sind da machtlos! Die Vorstellung, daß Eltern gegenüber ihren Kindern gemeinsam Verantwortung haben, wird nur einmal (Seite 26) kurz gedacht, und zwar von Lene selbst, spielt aber weiter keine Rolle. Zum zweiten kann das alleinerzogene Kind dem Buch entnehmen, daß getrennte Eltern doch auch Vorteile haben; schon der Titel des Buches deutet ja in diese Richtung. Und "am Schluss des Buches finden sich Lene (und ihre drei Geschwister) mit der Trennung der Eltern ab", faßt eine Buchbesprechung von Schülern zutreffend zusammen. Soviel also zu Kinderrechten im Alltag.
Vielleicht sollten am ehesten scheidungswillige Eltern dieses Buch lesen, damit sie sich an ihre gemeinsame Verantwortung für ihre Kinder erinnern und bedenken, was sie ihnen antun können, wenn sie dieser Verantwortung nicht nachkommen.
Sigrid Zeevart, Schön und traurig und alles zugleich, Beltz & Gelberg, 120 S., 5,90 Eu, ab 11 Jahren
MichaelR
Michael R. - Gastautoren, Gesellschaft, Kinder und Jugendliche - 24. April 2009 - 00:12
Tags: kindeswohl/scheidung/trennung
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