Symphonie einer Großstadt
eine Lautverdichtung von A bis Z
Es ächzen Malocher auf der Baustelle Berlin
es ballern die Kids mit Kriegsspielzeug
es bellen bissige Hunde
es bersten Fenster nach Demonstrationen
es bimmeln Bahnen im Ostteil der Stadt
es blasen Krieger der Heilsarmee
es blöken Tiere vor dem Schlachthoftor
es blubbert Regen in die Kanalisation
es bohrt der Nachbar Löcher in die Wand
es brabbeln Trunkene vor der Kneipentür
es brodelt Bier im Sudhaus
es brüllen Poliere Azubis an
es brummen Motoren im Straßenverkehr
es bumsen tausende von Blechkarossen
es bullern die Kanonen-Öfen
es donnern Lastwagen on the Road
es dröhnt das Kino open air
es dudeln Millionen Radios
es fauchen Ventile in den Fabriken
es fiepen Mäuse in Keller und Hof
es flöten die Amseln am frühen Morgen
es fluchen Arbeiter auf dem Gerüst
es flüstern Damen an Kaffeehaustischen
es fräsen Maschinen die Wegwerfmöbel
es furzen die Schweine in engen Pferchen
es gackern Teenies auf dem Schulhof
es gellen die Schreie geschlagener Frauen
es glucksen Jungs beim Anblick der Teenies
es greinen Alte einsam an Fenstern
es grölen Fans in der Untergrundbahn
es grollen die anderen Fahrgäste
es gurren gierige Tauben im Park
es grunzen die Schweine in Todesahnung
es hämmern Heimwerker am Wochenende
es hauchen Trunkene in die Röhrchen
es hächeln Hunde auf glühendem Pflaster
es heulen Sirenen der Unfallwagen
es hören die, die nicht fühlen wollen
es horchen die Schläfer an ihren Kissen
es hupen Autofahrer im Berufsverkehr
es husten Raucher in Konzerten
es jauchzen Babys in den Krippen
es jaulen verlassene Tiere im Haus
es jodeln die im „Musikantenstadl“
es johlen Kehlen den Mannschaftsgruß
es jubilieren Fischer-Chöre am Firmament
es keifen Alte in die Höfe hinein
es klampfen Wanderer auf U-Bahnhöfen
es klappern Absätze auf dem Pflaster
es klatschen die Feinen in der Philharmonie
es klimpert der Nachwuchs auf Klavieren
es klingen Kassen im vollen Kaufhaus
es klirren Scheiben am Kurfürstendamm
es klopfen drei Millionen Herzen
es knacken Tresore und Panzerschränke
es knallen Korken beim Jahreswechsel
es knarren die Dielen der Nachbarwohnung
es knirschen Zähne der Gestressten im Schlaf
es knistern die Seiten von BILD und BZ
es knurren Kampfhunde Kinder an
es kratzen Bagger an Abrisshäusern
es kreischen trunkene Weiber am Tresen
es lachen die Dritten
es lärmen die Anderen
es läuten Glocken auch ohne die Christen
es lauschen die Letzten, die es noch können
es mampfen Obdachlose im Wärme-Asyl
es meckern Gebirgsziegen im Tiergehege
es miauen die Katzen im Tierasyl
es muhen lila Kühe im HiFi-Shop
es mümmeln Alte im Seniorenheim
es nagen Ratten an der Unterwelt
es näseln Moderatoren auf dem Monitor
es niesen Grippeopfer im Nahverkehr
es nörgeln Senioren am mobilen Fraß
es nuscheln Rentner ohne Gebiss
es orgeln die Pfeifen im Kirchenschiff
es pfeifen Trainer auf ihren Fingern
es piepen Vögel im Hinterhofbaum
es plappern Kinder im Wartezimmer
es plärren Lautsprecher all überall
es plumpsen Fäkalien das Fallrohr hinab
es poltern Spätheimkehrer in der Nacht
es prasselt Regen sauer herab
es purren fette Katzen auf den Schößen der Alten
es pusten Laster Diesel in die Luft
es quatschen Piefkes von Fenster zu Fenster
es quietschen die Reifen bei Ampelgrün
es rascheln Mäuse in der Biotonne
es rattern Bahnen über die Brücken
es raunen die Blätter der Straßenbäume
es rauschen die Kronen der Kastanie im Hof
es röcheln Sterbende im Siechenheim
es röhren Motorräder am Stau vorbei
es rotzen Männer auf den Bürgersteig
es rufen Mütter ihre Kinder nach Haus
es rülpsen Gourmets nach der Curry-Wurst
es rumoren Mägen auf der Heimfahrt im Bus
es rumpeln Betriebswagen über die Gleise
es sägen Landschaftspfleger Bäume kahl
es säuseln Winde in Häuserschluchten
es scheppern Töpfe in Millionen Küchen
es schimpfen Köche in ihre Töpfe hinein
es schleifen Nachbarn den Fußboden ab
es schluchzen Einsame in die Kissen
es schlürfen Patienten die dünne Suppe
es schlurfen mediterrane Mamas einher
es schmatzen Zahnlose im Altenheim
es schnalzen Kutscher beim Vatertag
es schnarchen Väter im Ehebett
es schnarren Motoren der Elektromobile
es schnattern uns Wildenten Grüße hinab
es schnauben rassige Pferde auf der Rennbahn
es schnaufen Müllmänner auf Abfallbergen
es schnauzen Väter ihre Lümmel an
es schnäuzen sich Trauernde am offenen Grab
es schniefen Kinogänger beim Happy End
es schnurren Kater hinter den Fenstern der Stadt
es schreien gefangene Tiere im Zoo
es simmern die Drähte der Überlandleitungen
es singen Solisten im Opernhaus
es sirren Frisbees über die Köpfe hinweg
es stöhnen Patienten im Unfallwagen
es summen konstant die Klimaanlagen
es surren Automaten im Nobelhotel
es tapsen Tauben unter dem Dach
es toben Hooligans im Fußballstadion
es tosen die Schleusen der Wasserwege
es trällern ein paar fröhliche Menschen
es trappeln Hunde auf dem Bürgersteig
es tratschen Nachbarn über Nachbarn im Hof
es trillern verzweifelte Vögel im Käfig
es tröten zum Frühstück die Wasserkessel
es trompeten Jazzer in rauchigen Kellern
es tropfen defekte Wasserhähne
es tuckern Trabis durch die Stadt
es tuten und blasen die ohne Ahnung
es weinen Verlassene hinter Gardinen
es wiehern angstvoll Gäule in Boxen
es wimmern Neugeborene in ihren Bettchen
es wispern Weiden am Ufer des Sees
es zanken sich Kunden im Ausverkauf
es zetern Huren ihren Luden hinterher
es zirpen ein paar Grillen im Park
es zischt der Dampf der Gaggia-Maschine
© Copyrights by Ute Becker - Berlin-Charlottenburg - Version 1996-01/2006
veröffentlicht in:
http://www.artakus.de
http://www.jokers-lyrik.de
Ute Becker (BI Stutti) - Gastautoren, Kunst und Kultur - 01. Januar 2012 - 18:30
Tags: berlin/gedicht/großstadt/symphonie
ein Kommentar
Kein Trackback
Trackback link:
Großartig – diese Fülle an Lautverben!
Hier noch einige Vorschläge für die fehlenden Buchstaben:
es erschallt der Chor der professionellen Gesundbeter
es ertönt das Gejaule getretener Hunde
es implodiert der altersschwache Fernseher
es umtost Verkehrslärm die eiligen Passanten
es verhallen die Hilferufe der Ertrinkenden