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Leseempfehlung (11) – Ausgegeizt!

 
Man muß Uli Burchardt wirklich nicht in jeder Hinsicht folgen – ein billigerer Kugelschreiber als ein Mont Blanc für 280 €, mit Seriennummer und eingraviertem Namen, tut es allemal auch, solange er seinen Preis wert ist. Aber dies ist trotzdem ein lesenswertes Buch, was wohl mit seiner Sicht der Dinge zusammenhängt, die er aus seinen Tätigkeiten als Förster und als Mitglied der Geschäftsleitung der Fa. Manufactum gewonnen hat (außerdem ist er Mitglied im Wirtschaftsrat der CDU und bei Attac): Er liebt Qualität, Nützlichkeit und lange Lebensdauer von Produkten, sinnvolle Arbeit, Verläßlichkeit; er haßt Geiz, Tiefstpreise, Renditegier, Marktforschung, Betrug am Kunden, Gigantismus.  

Daß viele Menschen aufgrund ihres geringen Einkommens auf den Kauf von Billigprodukten angewiesen sind, wird von Burchardt gesehen, und die sich immer weiter öffnende Schere zwischen arm und reich als eine Gefahr für unsere Gesellschaft anprangert. Sein Hauptaugenmerk liegt daher auf denen, die sich eigentlich mehr als Aldi leisten können, sich aber getreu dem Werbeslogan „Geiz ist geil“ beim Kauf lieber für billig als Qualität entscheiden, womit ihnen nicht nur ihr Geld für häufig minderwertige Ware aus der Tasche gezogen wird, sondern auch noch unsere Wertevorstellungen – immerhin ist Geiz eine der sieben Todsünden - über den Haufen geworfen werden.

 
Für Burchardt gilt: „Das Prinzip «Preis über alles» ist pure Zerstörung.“ (S. 38): Ein niedriger Preis setzt niedrige Kosten voraus.  Und das heißt: 1. riesige Mengen kostengünstig produzieren, was man am besten erreicht durch Vernichtung vieler kleiner Betriebe und Zentralisierung; 2. sparen bei den Personalkosten, also der Einsatz von billigen Leiharbeitern; 3. billig einkaufen, also die Preise bei den Zulieferern noch unter deren Herstellungskosten drücken oder gleich in Billiglohnländern einkaufen, wo unter Bedingungen produziert wird, die wir bei uns heute nicht mehr haben wollen. Niedrige Kosten setzen also umfassenden Geiz und die Vorherrschaft des „Controlling“ innerhalb der Betriebe voraus. Dabei gehen den Bach solche Dinge runter wie Qualität und dauerhafter Nutzen der Produkte, Zufriedenheit der Mitarbeiter, gute Lieferanten- und Kundenbeziehungen, Umweltverträglichkeit usw.

Das Buch besticht durch das Engagement des Verfassers für das, was man nicht in Mark und Pfennig berechnen kann und was trotzdem seine Bedeutung hat. Am Beispiel einer Fichtenmonokultur zeigt Burchardt sehr anschaulich auf, wie Kostendrücken zwar der einfachste und sicherste Weg zu Ertragsoptimierung ist, aber meist auch der erste Schritt zum Niedergang. Das gelte auch außerhalb der Forstwirtschaft: Wenn die Produktion nach Osteuropa oder Südostasien verlagert wird, sind nicht nur die entsprechenden Fabriken bei uns beseitigt und wir von den neuen Produzenten abhängig, sondern bedeutet das gleichzeitig auch einen Verlust an Produktwissen und damit letztlich einen Kulturverlust hierzulande. Darüber hinaus sind billige Produkte in der Regel schlechte Produkte, also schneller kaputt und dann nicht einmal reparierbar – und billig plus Kundenberatung geht auch nicht (alles Erfahrungen, die man jederzeit in vielen Geschäften selbst machen kann). Und schließlich stellt jede Art von wirtschaftlichem Zentralismus und Gigantismus ein Risiko dar: Wenn beispielsweise die Dieselproduktion aus irgendeinem Grund unterbrochen wäre, würden bei der heute üblichen effizienzoptimierten Just-in-time-Anlieferung nach zwei bis drei Tagen die Regale in den Supermärkten leer sein, weil es keine Lagerhaltung mehr gibt (man kennt das im kleinen, wenn sich die morgentliche Anlieferung verzögert hat und sogleich einzelne Waren fehlen). Plötzlich würde es bei uns ums schlichte Überleben gehen, denn es gibt ja noch nicht einmal richtige Bäcker mehr.

Burchardt stellt auch die Frage nach den Hintergründen für diese gesamte Entwicklung und stößt dabei auf die Investoren des globalen Finanzsystems, die ungestört von den Regierungen weltweit nach maximaler Rendite suchen und dort, wo sich nichts mehr holen läßt, eine zerstörte Realwirtschaft hinterlassen (diesen Kampf der Finanz- gegen die Realwirtschaft kann man gerade im Rahmen der Eurokrise beobachten und gleichzeitig Regierungen, die dem Investmentkapital auch noch dabei behilflich sind, ganze Länder in den Abgrund zu fahren, statt eine Finanztransaktionssteuer weltweit einzuführen). Für Burchardt ist die Regulierung der Finanzmacht eine Frage unseres Überlebens.

 
Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß Burchardts Buch eine Kulturkritik gegen Billigkeit und für Nachhaltigkeit ist: „Wenn man ein Produkt dauerhaft nutzen kann, ist es ein wertvolles Produkt.“ (S. 160) Seine Kulturkritik geht allerdings weit über den täglichen Einkauf hinaus und zielt auf allgemeine Lebensqualität: „Der Mensch verbindet sich mit den Dingen, die er täglich berührt. Die[se] Verbindungen […] machen den Menschen zum Menschen.“ (S. 166)

  


Uli Burchardt, Ausgegeizt! Wertvoll ist besser – Das Manufactum-Prinzip, Frankfurt am Main (Campus) 2012  – 24,99 € [1] (Stadtbücherei: Wi 152 Manufactum)

 [1] Hat denn der Verlag gar nicht auf den Seiten 117ff. nachgelesen, was sein Autor von Schwellenpreisen hält?

  

MichaelR

Michael R. - Gastautoren, Gesellschaft - 28. August 2012 - 00:02
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