“Befreite-Zone Stuttgarter Platz“?
Ute Becker, aus ihrem „Exil“ südlich der S-Bahn-Trasse,
an Frau K. - 10627 Berlin
am 9. November 2012
- Offener Brief -
“Befreite-Zone Stuttgarter Platz“?
Sehr geehrte Frau K.!
Ich rufe Ihnen das Zusammentreffen am 12. September 2012 vor einem Geschäft in der Leonhardtstraße, genau einen Tag vor einer Sitzung der BI Stutti, in Erinnerung. Sie orteten mich als diejenige, die – sinngemäß - gegen die „schöne Kunst“ Ihres Partners S. K. sei, die er als „Kunst am Park“ am Stuttgarter Platz – alles geschenkt, alles inklusive (!) – aufstellen möchte. Darüber sollten nun ganze 11 Personen aus einer dichten Anwohnerschaft entscheiden, von denen keineswegs Alle die Stelen kannten!
Die Heftigkeit Ihres Anwurfes, dessen Kernaussage sinngemäß lautete, wie ich mich überhaupt in die Angelegenheit („K.-Kunst am Park“) wagte einzumischen, wohnte ich doch gar nicht mehr am Stuttgarter Platz, hätte also gar nichts mehr zu vermelden, zu entscheiden etc., gab zu denken. Perplex stellte ich fest. wie Sie mit Ihrem Ansinnen der unseligen Tradition Ihres Partners folgten, eines der Kneipiers vom Lentz, der mir seit ungefähr 20 Jahren Hausverbot erteilt, dies aber nie vernünftig begründen konnte, dafür umso emotionaler. Den nächsten Schritt, „Exilanten ihre Bürgerrechte (Meinungsfreiheit) abzuerkennen“, machten nunmehr Sie. Ihr Bestreben, mich in „Ihrem vermeintlichem Territorium“ mundtot machen zu wollen, erinnert fatal an „befreite“ Zonen“. Sie haben Ihrem Partner damit keinen Gefallen getan, denn um wie viel mehr muss ich mich nun gegen dieses „Geschenk“ für den öffentlichen Park verwahren! Denn wer weiß, eines Tages verfügen Sie, dass „Ortsfremde“ sich den K.-Stelen nicht nähern, auf nahen Parkbänken nicht sitzen dürfen?!
Ihre Logik ist so absurd, dass ich es mir nicht nehmen lassen werde, sie literarisch zu persiflieren. Nur nicht heute.
Wie stehen Sie und Ihr Partner zu den Exilanten der BI Stutti in der
Sybelstraße, Waitzstraße, Duisburger Straße, Markgraf-Albrecht-Straße,
oder zu den Mitgliedern, die nie am Stuttgarter Platz gewohnt haben, den
„ortsfremden“ Unterstützern? Ist es Zufall, dass die eine
Informationstafel oder -stele auf dem Platz favorisieren, damit ihre
Arbeit nicht in Vergessenheit gerate?
In der Tat wohnen die Befürworter der K.-Stelen am Stuttgarter Platz;
drei von ihnen in Eigentumswohnungen, die mit der Parkgestaltung, wie
die Wohnhäuser allgemein, Wertsteigerungen erfahren haben. Die unselige
Kopplung zwischen Bürgerengagement und Verdrängung wurde schon mit der
Gestaltung des westlichen Stuttgarter Platzes durch „meine“ NI Stutti
manifest.
Muss ich Sie und Ihren Partner daran erinnern, dass Anwohner, wie ich,
es waren, die den Mietern des Hauses Stuttgarter Platz 20 mit Hilfe
ihrer Fördergelder den Erwerb des Hauses ermöglichten? Der FuW - Verein
zur Förderung urbanes Wohnens, bot in Folge die Gastronomie zu einem
moderaten Gewerbemietpreis an. Damals schon war unstrittig, dass das
Lentz gute Umsätze auf dem urbanen Platz einfahren würde; dem Platz, den
wir, die ehrenamtlich arbeitenden Anwohner von der NI Stutti, der ich
22 Jahre lang angehörte und vorstand, zu gestalten halfen. Noch 1982
feierte ich mit einem unangemeldeten Fest unter dem Kandelaber einen
runden Geburtstag und bat alle Eingeladenen, stadtfeste Pflanzen zur
Begrünung des noch kahlen Platzes mitzubringen. 12 Stunden Feier auf dem
Platz, unter der „Aufsicht“ des Kontaktbereichsbeamten. Den Umsatz
machte natürlich das Lentz.
Frau K., ich rate Ihnen und Ihrem Partner, gegenüber Dritten jegliche
weitere Diskreditierungen meiner Person und Arbeit, jegliche Versuche
von „Platzverweisen“ und Einschränkungen meiner Meinungsfreiheit zu
unterlassen. Um dieser und ähnlichen unseligen Entwicklungen im Kiez
entgegenzuwirken, mache ich diesen Brief öffentlich. Abschließend meine
Frage: sind Ihnen „gentrification“ und deren Auswirkungen auf Existenzen
von Mietern präsent? Oder ist das kein Thema in „Stammkneipen“?
Ute Becker - Schriftstellerin, aber mehr noch notorische Exilantin
Ute Becker - Gastautoren, Gesellschaft - 23. November 2012 - 00:02
Tags: exil/gentrifizierung/stutti/wohnen
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