Frage: Was sind 12.100 Unterschriften für den Erhalt der Kolonie Oeynhausen wert?
Notizen zum Vorschlag der rotgrünen Zählgemeinschaft, was man am 25. Mai den Bürgern beim Entscheid über die Rettung der Kolonie Oeynhausen „amtlich mitteilen“ soll (Drucksache 0867/4 für die BVV-Sitzung am 20. März 2014)
Im Januar berichtete die Berliner Woche unter der Überschrift „Die Hürde ist genommen“, daß 12.100 Bürger aus Wilmersdorf und Charlottenburg das Bürgerbegehren zur 100%igen „Rettung der Kolonie Oeynhausen“ unterstützt haben. Jetzt kommt der Tag des Bürgerentscheids, der 25. Mai, immer näher, weswegen die rotgrüne Zählgemeinschaft einen Vorschlag, was man den abstimmenden Bürgern als „amtliche Mitteilung“ auf den Stimmzettel schreiben soll, verfaßt hat.
Im folgenden werden einige zentrale Aussagen des Vorschlags kommentiert,
wobei zum besseren Verständnis auf die jeweiligen Absätze der Drucksache 0867/4 verwiesen wird.
Im 12. und letzten Absatz wird „ein
erfolgreicher Bürgerentscheid“ als „ein eindeutiges
politisches Signal für den Erhalt der Kleingartenkolonie“ gesehen.
Ist das ein Ansporn für die Zählgemeinschaft selbst, sich für deren
Erhalt einzusetzen? Mal sehen:
2. Absatz („Die BVV“): „Entschädigungsrisiko bis zu 25 Millionen Euro“
Im Juli 2011 lag das 3. Gutachten (von Prof. Finkelnburg), vom
Bezirksamt in Auftrag gegeben, vor (1). Auf dessen Grundlage ermittelte
die bezirkseigene Fachabteilung einen Entschädigungsanspruch der Fa.
Lorac von bis zu 26 Mio. € (erster Vermerk vom
29.9.2011), wobei Rechtsfragen offen blieben, die zusammen mit dem
Vermerk an Prof. Finkelnburg geschickt wurden.
Auf Grundlage seiner Antworten entstand – in Fortsetzung des
Arbeitsauftrages vom 29.9.2011 – am 19.12.2011 ein zweiter
Vermerk der bezirkseigenen Fachabteilung; dessen Aussage ist:
„Fazit: kein Entschädigungsanspruch“;
„Fazit: im nicht unbedingt zu erwartenden Falle der Übernahme … haushaltsmäßige Belastungen i.H.v. 1,0 Mio. €“.
Ein dritter
Vermerk der bezirkseigenen Fachabteilung vom 6.2.2012 – wiederum
als Fortsetzung des Arbeitsauftrages vom 29.9.2011 und nach weiteren
klärenden Gesprächen mit Prof. Finkelnburg – beinhaltet einen
ausdrücklichen Widerruf der ursprünglich errechneten 26 Mio. €
Entschädigung:
„… dass die hiernach von mir ermittelten Bodenwerte usw. [im ersten Vermerk vom 29.9.2011] als hinfällig und überholt [im Original unterstrichen] zu erachten sind. … Demzufolge beläuft sich der aktuelle Marktwert auf rd. 870.000 €.“
(Anmerkung: Dieser Betrag ist identisch mit der im 8. Absatz („Der Bezirk“) erwähnten „Zusicherung der Kleingärtner“, wodurch das von der bezirkseigenen Fachabteilung ermittelte Risiko eben doch vollständig abgedeckt wird!)
Stadtrat Schulte (SPD) hat sowohl den Verordneten (diese erfuhren erst
im Januar 2014 durch die Kleingärtner selbst vom zweiten und dritten
Vermerk) als auch dem Verwaltungsgericht die beiden Vermerke
vorenthalten, und zwar absichtlich, wie aus seiner Antwort auf eine
Bürgerfrage
(Januar
2014, 3. Einwohnerfrage, zu 2.) hervorgeht:
„Der Vermerk vom 6. Februar 2012 wurde nicht in die Bebauungsplanakte aufgenommen, weil die Aussagen nicht sachverhaltsmäßig mit der weiteren Verfahrensentwicklung waren.“ (2)
Es ist ausgesprochen unlauter von der Zählgemeinschaft, gegen die
Kleingärtner die Tatsache zu wenden, daß das Verwaltungsgericht in
seinem Urteil vom 16.8.2013 zu dem Ergebnis kam, „dass die
Kostenschätzung des Bezirksamtes plausibel ist“ (7.
Absatz – „Die Höhe“), denn dies Urteil kam ja gerade dadurch
zustande, daß der von der rotgrünen Zählgemeinschaft getragene
SPD-Stadtrat dem Verwaltungsgericht die beiden Vermerke vorenthalten
hatte.
4. Absatz („Denn“): „Mindert der Bezirk
durch eine veränderte Bebauungsplanung den Wert eines Grundstücks, muss
er dem Eigentümer Entschädigung leisten.“
Diese Aussage ist viel zu pauschal, um dem tatsächlichen Sachverhalt gerecht zu werden.
1986 erließ der Bezirk (damals Wilmersdorf) den ersten
Aufstellungsbeschluß für einen Bebauungsplan (damals unter der
Bezeichnung IX-150), um die fragliche Fläche als Grünfläche zu sichern –
also lange vor dem Kauf des Grundstücks durch die Lorac im Jahr 2008.
1994 wurde die Fläche von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im
Flächennutzungsplan als „Grünfläche (Dauerkleingärten)“ ausgewiesen.
Dies geschah, weil man dort davon ausgeht, daß die sogenannte
Siebenjahresfrist (3) bereits seit 1984 abgelaufen ist und deshalb
Ersatzansprüche schon lange vor dem Kauf verfallen waren.
Zu ergänzen wäre noch: Prof. Finkelnburg hatte bereits 2011 festgestellt, daß das
„Grundstück planungsbefangen, chancenlos und von der weiteren konjunkturellen Entwicklung ausgeschlossen“ ist.
5. Absatz („Ein mit“): „Kompromiss: 50%“
Immer wieder betonen die rotgrüne Zählgemeinschaft und ihr Bezirksamt,
es sei doch ein fairer Kompromiß gefunden: der Investor erhalte 50% der
gekauften Fläche, die Pächter behielten 50% ihrer Gärten. Bloß, der
Investor darf dafür dann doppelt so hoch bauen; so werden aus 64.000 m²
Bruttogeschoßfläche bei eigentlich dreigeschossiger Bebauung der gesamten Gartenfläche plötzlich 79.000 m² bei
sechsgeschossiger Bebauung der Hälfte. Oder anders
gesagt, für den Investor werden durch den Kompromiß aus 100%
wundersamerweise 123%, die Kleingärtner bleiben bei 50% (sie können ja
nicht stapeln)! Sehen also rotgrüne Kompromisse so aus?
Antwort: Der rotgrünen Zählgemeinschaft nichts
Wenn man diese Notizen mal zusammenfaßt: verheimlichte Vermerke der eigenen Bauverwaltung zum tatsächlichen Entschädigungsrisiko, ein darauf begründetes zweifelhaftes Gerichtsurteil, ein irreführender Rechtsgrundsatz, ein heuchlerischer „Kompromiß“ – die rotgrüne Zählgemeinschaft tut ihr Bestes, um die Bürger von der 100%igen „Rettung der Kolonie Oeynhausen“ abzuhalten. Wird nicht gelingen. Zeigt aber, daß es stimmt, was kürzlich über die Grüne Partei im Bezirk zu lesen war:
„… kann man von uns einfach nicht erwarten, dass wir einem hauptberuflichen Baustadtrat in den Arm fallen, wenn er der Bodenspekulation und der Vernichtung von Kleingärten im Bezirk hilflos gegenüber steht. Die SPD ist da ja schließlich auch viel erfahrener als wir. Hauptsache die rot-grüne Zählgemeinschaft steht, koste es uns, was es wolle.“
MichaelR
(1) Insgesamt gibt es jetzt bereits vier Gutachten, davon drei von Bezirksamt bzw. Senat veranlaßt; deren Kosten für die Steuerzahler: zwischen 36.090 und 38.590 €. Das nennt man Nägel mit Köpfen machen.
(2) Deswegen wurde gegen ihn am 29.1.2014 eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Bezirksbürgermeister (SPD) eingereicht, die bis zu diesem Moment immer noch unbeantwortet ist.
(3) Das bedeutet: Wenn die zulässige
Nutzung – Wohnbebauung – sieben Jahre lang nicht wahrgenommen wird,
erfolgt nur eine Entschädigung gemäß der ausgeübten
Nutzung – Dauerkleingärten.
Ihre Rechtsauffassung von der Anwendbarkeit der Siebenjahresfrist hat
die Senatsverwaltung den Kleingärtnern im September 2013 schriftlich
bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt erfuhren Öffentlichkeit und Verordnete
erstmals von dieser Rechtsauffassung des Senats, was jedoch den
Baustadtrat empörte. Empörender ist eigentlich, daß Herr Schulte
seinerseits schon seit Mai 2012 Kenntnis davon hatte durch das Angebot
von SenStadt, „dem Bezirk hilfreich zur Seite zur stehen“. Aber weder
hat sich der glühende Verteidiger der Kolonie diesen Rechtsstandpunkt
jemals zunutze gemacht noch tut dies die rotgrüne Zählgemeinschaft in
ihrem hier diskutierten Vorschlag. Man glaubt in einem Sumpf des
Verheimlichens zu versinken.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 19. März 2014 - 00:02
Tags: kleingartenkolonie/kleingärten/laubenkolonie/wohnen/wohnungsbau
acht Kommentare
Nr. 2, Thorte, 19.03.2014 - 23:45 Dieser Antrag ist wieder einmal ein Beispiel für die Rot-Grüne Stadtvernichtungspolitik und aus meiner Sicht ein Armutszeugnis. Wenn er in dieser Form durch gehen sollte, dann wäre das unglaublich. Die Grünen im Bezirk sind mittler Weile unwählbar und bekommen hoffentlich die Quittung für ihr Leben im Darm der Zählgemeinschaft. Bin sehr gespannt auf den Donnerstag! lG Thorte |
Nr. 3, maho, 20.03.2014 - 20:18 Live-Tweet aus der heutigen BVV-Sitzung: “BVV-CW redet über Kolonie Oeynhausen, eine Grünen-Verordnete darf nicht wg. abweichender Meinung” |
Nr. 4, Thorte, 20.03.2014 - 22:27 Interessant war, dass der Chef-Claqueur: “ich tanz ans Pult” Wuttig den “grenzdebilen” Zählgemeinschaftlern die notwendige Karte zeigte, damit auch ja richtig zwischen “Ja” und Nein” unterschieden werden konnte. Und genau die einzig grüne Grüne, die stimmte richtig ab. Den Rest der Stadtvernichtungsbande kann man noch nicht einmal kompostieren… nunmehr unwählbar und undemokratisch. Hoffentlich saß Spieleragent Christoph Meyer auf den Rängen und hat notiert. Da hat er die B…., die in die gelben Socken passt und die Schere aufreisst. Wenngleich man der nicht vorhandenen FDP im Bezirk zugestehen muss, dass sie Gröhler zum Erhalt der grünen Lunge unterstützt hat. |
Nr. 6, Siegfried Schlosser, 21.03.2014 - 09:52 @ jn ohne daß die betroffene Person ihr Einverständnis gibt, sollte der Name nicht veröffentlicht werden. Ich gehe aber davon aus, daß Ihr Verdacht richtig ist. |
Nr. 7, Siegfried Schlosser, 22.03.2014 - 15:21 @ jn etwas mehr gibts hier zu lesen: http://sigiberlin.de/archives/754 |
Nr. 8, Siegfried Schlosser, 30.03.2014 - 23:01 Bauchschmerzen der Grünen: http://www.berliner-zeitung.de/tempelhof.. |
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wir werden ja am Donnerstag sehen, was daraus wird…
ich jedenfalls war sehr erstaunt, als ich am Dienstag letzter Woche diesen Antrag in meiner Post hatte. Eigentlich hatte ich ja erwartet, daß die Zählgemeinschaft auf die anderen Parteien in der BVV zugeht und zumindest mal anbietet, über den Text zu diskutieren. Schließlich ist dieser Text als Beitrag der BVV – also aller Parteien – gedacht.
Aber nein – die ZG meint, sie könne das so mit ihrer Mehrheit durchdrücken.
Neue Erkenntnisse bringt der Text für mich nicht – was aber auch nicht zu erwarten war. Nun werden wir eben in der BVV darüber streiten. Ich werde unsere Argumente hier nicht ansagen – der Feind liest mit