Das Wasser gehört allen (2)
Paradies Paris
Am 23. und 24. April weilte Anne Le Strat in Berlin. Ihr wurde kein Roter Teppich ausgerollt und es begrüßte sie auch kein Blitzlichtgewitter, obwohl das, was sie den Berlinern mitzuteilen hatte, sensationeller war als das grimassierte Lächeln der im Glamour gebadeten Hollywoodgrößen. Die Pariser Grünenpolitikerin Anne Le Strat ist Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe und bis zu den Kommunalwahlen im März dieses Jahres war sie stellvertretende Bürgermeisterin von Paris.
Vielleicht lag es nur am fehlenden Roten Teppich, dass der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nicht an ihren Berliner Auftritten teilnahm. Immerhin lud sie die SPD-Fraktion gemeinsam mit dem Wasserrat zu einer Diskussion über die Rekommunalisierung der Pariser Wasserbetriebe in das Rote Rathaus ein. Seitens der SPD nahmen daran der wirtschaftspolitische Sprecher Frank Jahnke sowie der umwelt- und energiepolitische Sprecher der Fraktion Daniel Buchholz in seiner Funktion als Leiter der Arbeitsgruppe „Daseinsvorsorge“ teil. Was die Teilnehmer der Diskussion von Anne Le Strat erfuhren, riss die Wirtschaftsexpertin des Wassertisches Gerlinde Schermer zu dem Ausruf hin „Das sind ja paradiesische Zustände“.
Anne Le Strat ist die Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe.
Foto: Wecker
Es war tatsächlich beispiellos, was Anne Le Strat zu berichten hatte: Zum 1. Januar 2010 waren die Verträge der Stadt Paris mit den Konzernen „Veolia“ und „Suez“ über die Versorgung der Stadt mit Trinkwasser ausgelaufen. Die Stadt hat sie nicht verlängert und die Wasserversorgung nach 25 Jahren wieder in eigene Regie übernommen. Immerhin haben diese beiden mächtigen Konzerne bereits den Löwenanteil der weltweiten Vorkommen an Trinkwasser unter sich aufgeteilt. „Widerstandslos“, berichtete Mme. Le Strat, „haben die Konzerne das nicht hingenommen“. Teilweise ist es ihnen gelungen, Unruhe in der Belegschaft der Wasserbetriebe zu stiften, die Gewerkschaften gegen die Rekommunalisierung zu mobilisieren und Fachkräfte abzuwerben. Paris begann am 1. Januar 2010 beim Punkt 0. Es wurde das Unternehmen „Eau de Paris“ gegründet, dem Anne Le Strat seither vorsteht. Erstmals nahm die Stadt den gesamten Kreislauf vom Trinkwassereinkauf über die Verteilung bis zur Abrechnung in eigene Regie. Einige Aufgaben wie die Abrechnung der Haushalte wurden erstmals von einer kommunalen Behörde ausgeführt. Mittlerweile kann das die Stadt so gut, dass „Eau de Paris“ 2012 und 2013 als kundenfreundlichstes Dienstleistungsunternehmen der Wasserversorgung Frankreichs ausgezeichnet wurde. Obwohl der Wasserpreis seit der Übernahme um acht Prozent gesenkt wurde, erwirtschaftet das Unternehmen Gewinn. Der fließt aber nicht zur Finanzierung ominöser Projekte in die Stadtkasse, sondern verbleibt zur Absicherung langfristiger Investitionen bei den Pariser Wasserbetrieben. Einsparungen konnten auch dadurch erzielt werden, dass Aufträge zum Unterhalt und der Reparatur des Netzes öffentlich ausgeschrieben wurden. Zuvor hatten die Konzerne die Aufträge an eigene Firmen vergeben und doppelt kassiert. Damit gibt es auch kaum noch Fälle, dass Bürgern der Wasserhahn zugedreht wird. In Berlin werden jährlich rund 360 Bürger, die das Wassergeld nicht aufbringen können, zumindest zeitweise von der Versorgung ausgeschlossen, berichtete Gerhard Seyfahrt vom Berliner Wassertisch. „In Paris haben wir einen gerechten Zugang auf Wasser für alle durchgesetzt“, führte Anne Le Strat aus. Mit einem Sozialfonds von 500 000 Euro im Jahr fängt die Stadt Härtefälle bei der Grundversorgung von Mietern auf. Heute sind alle Wirtschaftsdaten des Unternehmens öffentlich. In Erstaunen versetzt die Zuhörer die für die Pariser Wasserbetriebe entwickelte Leitungsstruktur. Die Entscheidungen werden von einem ehrenamtlich arbeitenden Verwaltungsrat getroffen. Dem gehören 13 Vertreter aus dem Parteispektrum des Pariser Stadtrates, zwei Vertreter der Belegschaft, ein Vertreter des Beirates zwei Experten ohne Stimmrecht an. Der Beirat hat einen Beobachterstatus, der die Wasserbetriebe in strategischen Fragen der Sicherstellung der Trinkwasserversorgung berät. Es ist ein Gremium, das allen Organisationen und Bürgern zur Mitwirkung offensteht.
Dieses Modell wurde nicht nur von den Berliner Wasseraktivisten mit Erstaunen verfolgt. An den Diskussionen nahmen auch Gäste aus Brandenburg sowie die am Transnational Institute in Amsterdam arbeitende Japanerin Satoko Kishimoto und der Spanier David Sanches vom Food & Water Watch teil. Nachdem in Berlin mit dem ersten Volksentscheid die Offenlegung der Wasserverträge und in der Folge auch hier die Rekommunalisierung der Trinkwasserversorgung durchgesetzt wurde, besteht das nächste Ziel darin, eine Bürgerbeteiligung bei der Aufsicht über die Berliner Wasserbetriebe durchzusetzen. Von diesem Ziel kündete das Transparent bei der Tagung des Berliner Wasserrates, an der die Vertreter der SPD nicht mehr teilnahmen. Während die Berliner weit von solcher demokratischer Teilhabe wie in Paris entfernt sind, so hat doch ihre Bürgerbewegung ebenso Erstaunliches geleistet. Dieser Druck auf den Senat, der die Berliner zum Erfolg führte, interessierte im Gegenzug Anne Le Strat. Sie schilderte, dass im Unterschied zu Berlin in Paris die Rekommunalisierung vornehmlich über den politischen Einfluss der Sozialisten, Kommunisten und Grünen erreicht wurde, die dieses zu ihrem gemeinsamen Wahlkampfthema machten. „In Paris war dies ein rein politischer Prozess“, sagte sie gegenüber dem Klausenerplatzblog. „Die Bürger trieb weder der hohe Wasserpreis noch die Qualität des Wassers um. Die sozialistischen Kommunalpolitiker störte einzig die mangelnde Transparenz. Wir wussten nicht, wie der Wasserpreis zustande kommt, mit welcher Technik das Trinkwasser aufbereitet und verteilt wird und dass die der Stadt vorgelegten Verträge von den Unternehmen selbst geschrieben wurden.“
In Paris und Berlin wird repariert, was gerade erst weltweit zu einem Problem werden soll: Der Zugriff mächtiger Konzerne auf die Trinkwasserreserven. Diese Auseinandersetzung, so berichtete Satoko Kishimoto, spitzt sich gegenwärtig in Europa und auch in Indien zu, während in Indonesien der mächtige Konzern „Suez“ zurückgedrängt werden konnte. In Europa werden mit den bevorstehenden Wahlen entscheiden Weichen gestellt. Da muss sehr genau hingeschaut werden, denn gerade in der Wasserfrage stimmt das alte Schema: „Rechts für Privatisierung und links für Vergesellschaftung“ nicht mehr. In Berlin hatte seinerzeit eine Koalition aus SPD und Linken unter der Regie des von der Linkspartei gestellten Senators Harald Wolf nicht die Chance genutzt, die Teilprivatisierung rückgängig zu machen. In Deutschland wenden sich eher der EU abgewandte Kräfte gegen die Regulierung der Wasserversorgung durch die EU und in Frankreich, führte Anne Le Strat aus, hat die rechte Front National beste Aussichten bei der Europawahl. Die ist keine Befürworterin der Privatisierung der Wasserversorgung. Bei den Kommunalwahlen vom März haben die Sozialisten auch in Paris trotz ihrer vorbildlichen Rekommunalisierung der Wasserbetriebe erheblich verloren. Wasser ist zwar das wichtigste aber nicht das einzige Lebensmittel.
Frank Wecker
BU - Sieben Millionen Euro hatten die Berliner Wasserbetriebe in diese
2013 in Betrieb genommene Belüftungsanlage für das Trinkwasser
investiert.
Foto: Wecker
Die Präsidentin der Pariser Wasserbetriebe Anne Le Strat unterrichtete
den Berliner Wasserrat über die Unternehmensorganisation im Pariser
Schwesterbetrieb.
Foto: Wecker
Aufmerksam verfolgen die Teilnehmer am Berliner Wasserrat die
Ausführungen von Satoko Kishimoto vom Transnational Institute.
Foto:
Wecker
FW - Gastautoren, Politik - 29. April 2014 - 00:04
Tags: daseinsvorsorge/grundversorgung/trinkwasserversorgung/wasser/wasserpreis
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hierzu der neue film “watermark”
http://www.gew-berlin.de/4426_10633.php