Zwei alte Ausstellungen und ein Neubeginn
10 Jahre Helmut-Newton-Stiftung
Die jüngsten Sonderausstellungen der Helmut-Newton-Stiftung sind ein Déjà-vu. Vor zehn Jahren wurden beide Ausstellungen: „Helmut Newton / Alice Springs: Us and Them“ und „Helmut Newton: Sex and Landscapes“ am gleichen Ort und in gleicher Präsentation schon einmal gezeigt.
Damals war es die Eröffnungsausstellung der Helmut-Newton-Stiftung. Sie konnte der große Fotograf nicht mehr erleben, denn wenige Monate zuvor kam Helmut Newton bei einem Autounfall in Los Angeles ums Leben. Den Sitz der Stiftung in seiner Geburtsstadt Berlin und auch den Gründungsvertrag mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat er noch selbst mit großer Sorgfalt ausgehandelt. In der Bezirksverordnetenversammlung hatte seinerzeit die CDU-Fraktion den Antrag gestellt, den in unmittelbarer Nähe der Stiftung befindlichen Hardenbergplatz in Helmut-Newton-Platz umzubenennen. Das scheiterte schon formell daran, daß Plätze und Straßen erst fünf Jahre nach dem Ableben der zu würdigenden Persönlichkeiten umbenannt werden dürfen. Das gilt auch für die Ernennung von Ehrengräbern, doch für den Ausnahmefotografen wurde am 2. Juni 2004 bei der Beisetzung auf dem Friedhof Stubenrauchstraße eine Ausnahme gemacht.
Helmut Newton sieht den Grunewaldsee I.
Foto: Wecker
June Newton stellt Manfred Heiting als neuen Leiter der Helmut-Newton-Stiftung vor.
Foto: Wecker
Nach dem plötzlichen Tod von Helmut Newton übernahm seine Frau June Newton die Leitung der Stiftung, die sie bis heute in ihrem 92. Lebensjahr innehat. Zur Eröffnung der jüngsten Ausstellung stellte sie ihren Nachfolger Manfred Heiting vor. Der Wahlkalifornier gilt weltweit als einer der bedeutendsten Kenner und Sammler der Fotografie. „Ich kann mir keinen besseren Nachfolger vorstellen“, sagte June Newton. Manfred Heiting versprach, daß die Stiftung ihre Ausstellungsräume weiterhin den besten Fotografen der Welt öffnen werde. Umgekehrt will er aber auch die Arbeiten Helmut Newtons in Regionen zeigen, „die weniger mit der westeuropäischen Kultur vertraut sind“. Im von Helmut Newton hinterlassenen Erbe ist nur noch in Ausnahmefällen mit sensationellen Entdeckungen zu rechnen. Deshalb werde sich die Arbeit die Arbeit der Stiftung neben der Konservierung des Archivs auf die immer wiederkehrende Präsentation seines Werkes konzentrieren. Dieses Werk wirkt heute keineswegs museal, sondern verfügt immer noch über eine große Strahlkraft. Insofern ist die Wiederholung der Eröffnungsausstellung ein programmatischer Auftakt, der zugleich die Richtigkeit der These des neuen Direktors erhärtet.
Manfred Heiting hat die Leitung der Helmut-Newton-Stiftung übernommen.
Foto: Wecker
Ein klein wenig hat Manfred Heiting untertrieben. In June‘s Room werden großformatige Collagen von Helmut Newton gezeigt, die zu einem großen Teil sogar erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen sind. Es sind experimentelle Arbeiten, die teilweise nicht bis in die letzte Feinheit ausgearbeitet wurden. Es ist sowohl ein technisches als auch künstlerisches Experiment, denn Newton versucht hier, die Schönheit und verführerische Erotik seiner Akte mit einem düsteren sozialen Umfeld zu konfrontieren. So montiert er eine aufreizende langbeinige Schönheit in gleicher Pose neben in den Himmel gereckten Atomraketen. In einem anderen Bild wird durch die Kombination aus zweifacher Schönheit morbide Melancholie. Newton plazierte einen liegenden Akt in eine stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Aufnahme des herbstlichen Grunewaldsees, so daß eine Wasserleiche über den See zu treiben scheint. Diese Wandlung des Schönen zum Grausigen kann der Besucher nachvollziehen, denn das Foto „Der Grunewaldsee“ ist im Original nebenan in „Sex and Landscapes“ zu sehen.
Helmut Newton sieht den Grunewaldsee II.
Foto: Wecker
Die Ausstellung „Us and Them“ zeigt Helmut und June Newton, letztere unter ihrem Künstlernamen Alice Springs, als Porträtfotografen. Im ersten Teil sind es Porträts von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die nebeneinander als Doppelpack einmal in der Version Helmuts und zum anderen Junes präsentiert werden. Überraschend ist, daß June neben ihrem Mann als gleichrangige Fotografin besteht. Weniger überraschend ist, daß Helmut zumindest bei den weiblichen Charakteren eine verführerische Obsession entdeckt oder hineinlegt, während June um Vieles tiefere Einblicke auf ihre Sicht der jeweiligen Persönlichkeit gewährt. Sehr deutlich ist der Unterschied am Porträt von Catherine Deneuve zu erkennen. Bei Alice Spring blickt sie im geschlossenen schwarzen Kleid den Betrachter mit großen Augen offen entgegen, bei Helmut Newton bewahrt sie mit einer Hand den halb abgestreiften BH vorm gänzlichen Abgleiten und schaut mit ebenfalls aus dem geöffneten Mund zu entgleiten drohender Zigarette wie ein Vamp auf den Betrachter herab. Intim wird es im zweiten Teil dieses Ausstellungsteils. In Selbst- und gegenseitigen Porträts geben sich beide Künstler seelisch und körperlich teils splitternackt dem Betrachter preis. Am Beginn ist Helmut Newton als 16jähriger im Studio von Yva in der Schlüterstraße zu sehen. Später begleitet ihn June durch seine verschiedenen Lebensstationen. Helmut Newton zeigt sich gern als Bonvivant, June präsentiert ihn aber auch als ernsthaften Arbeiter, zeigt ihn in Krisen und porträtierte ihn selbst auf dem Totenbett.
Catherine Deneuve von Alice Springs und Helmut Newton gesehen.
Foto: Wecker
Foto: Wecker
Die Helmut-Newton-Stiftung befindet sich im Museum für Fotografie in der Jebensstraße 2. Sie ist Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr sowie am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 5 Euro. Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.helmut-newton.de.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 07. Juni 2014 - 00:24
Tags: ausstellung/fotografie
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