Mein letzter Kriegstag
Der Verfasser dieser Erinnerung an das Kriegsende war im April 1945 elf Jahre alt.
Es war Ende April 1945, einen Tag bevor die Amerikaner das Dorf in Ostthüringen erreichten, in dem wir nach der Flucht aus Ostpreußen untergekommen waren.
Im oberen Saaletal, nur ein paar Dutzend Kilometer entfernt, wurde bereits gekämpft. Ein Bataillonsstab der Wehrmacht, im gleichen Haus wie wir untergebracht, räumte sein Quartier und rückte ab.
Dann wurden alle im Dorf lebenden Mitglieder von „Jungvolk“ und „Hitlerjugend“ auf den Sportplatz hinter der Schule befohlen. Als wir dort waren, kamen ein paar SS-Männer unter dem Kommando eines Scharführers mit Panzerfäusten. Die Waffen wurden an uns ausgegeben. Man erklärte uns flüchtig, wie sie zu bedienen seien, und dann zogen auch die SS-Männer ab.
Der Bürgermeister des Dorfes hatte alles mitbekommen. Er hatte – zum Glück! – Vernunft bewahrt. „Jungs“, sagte er zu uns, „jetzt sind die Schwarzen (d.h. SS) weg. Vergrabt die Panzerfäuste drüben am Waldrand und geht nach Hause! Das hat alles keinen Sinn mehr. In ein paar Stunden sind die Amerikaner da!“
Nur zu gern befolgten wir seinen Rat.
Am späten Nachmittag rollten die ersten amerikanischen Panzer ins Dorf.
So hat ein besonnener und mutiger Mann uns vor dem Schicksal wie dem des unbekannten Siebzehnjährigen bewahrt, obwohl er Parteigenosse und „Ortsbauernführer“ war!
Johann Christoph Leitner, Juni 2014
J.C. Leitner - Gastautoren, Geschichte - 25. Juli 2014 - 00:24
Tags: kriegsende/nationalsozialismus
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Wieso muss ich da jetzt gerade an den Film “Die Brücke” denken?