Campandis Comeback
Alles Gute kommt zurück. Über vier Jahre hatte Andreas Heinze seinen Rennradladen Campandi im Kiez am Klausenerplatz in Charlottenburg, bevor er auf unschöne Art vertrieben wurde. Nun ist er wieder da, das Programm ist das bewährte geblieben: Klassische Rennräder mit Rahmen aus Stahl und den Komponenten des italienischen Adels Campagnolo. Nicht retro, sondern antik.
Zum Ende fügt sich alles zum Richtigen. Das helle Ladenlokal ist etwa doppelt so groß wie das alte, die Lage in der Nehringstraße könnte treffender nicht sein, im Herzen des Kiezes nahe der besten Biobäckerei Berlins, einer Grundschule, einer Buchhandlung und einem türkischen Lebensmittelgeschäft. Andreas Heinze schwärmt von der Loftatmosphäre seines Reiches, das Mauerwerk liegt teilweise frei, die hohen Wände verstärken den Eindruck der Weite, das alte Rollgitter vor den Schaufenstern passt zu den puristischen Sprintern. Heinze, der seit über dreißig Jahren Rennrad fährt und noch heute nahezu täglich auf dem schmalen Sattel sitzt, liebt die schlanken Gazellen von Cinelli, Bianchi und Colnago, die aggressiven Aufbauten aus Carbon sind ihm zu chi chi. Mit sorgfältiger Wartung halten die grazilen Schmuckstücke ein Radsportleben lang und sehen obendrein elegant und ehrlich aus. Mit seinem spezialisierten Sortiment passt Campandi (ein Hybrid aus Campagnolo und Andi) hervorragend in den Kiez am Klausenerplatz, der, allen Gentrifizierungstendenzen zum Trotz auch in Charlottenburg, seinen durchmischten und alternativen Charakter bislang hat bewahren können.
Nach wochenlangen Renovierungsarbeiten, die aus einer dunklen Grotte eine glänzende Bühne gemacht haben, strahlt Heinze vor Freude und Erfüllung. Beim Hauen, Streichen und erst recht beim Umzug haben ihm etliche Freunde geholfen; er ist unter Berlins Rennradfahrer*innen als kompetent und korrekt bekannt, mit der gleichen Genauigkeit wird er sich um die Stadträder der Anwohner*innen kümmern und ihnen geduldig Pflegetipps für ihre Alltagsvelos geben. Die ersten glitzernden Trophäen stehen bereits im Laden, von dezenten Deckenleuchten ins rechte Licht gerückt, die Werkstatt im hinteren Teil des Raumes ist eingerichtet, das typische Laufrad und das Logo für die Fassade sowie nostalgische Fotos und Werbegraphiken der 1960er und 70er Jahre zum Innendekor werden hinzukommen, bevor das Geschäft offiziell zum 1. November eröffnet. Dann ist die hiesige Rennradsaison zwar beendet, aber das Fachsimpeln über Passfahrten, den Runden Tritt und Trainingslager hält das Feuer am Lodern. Außerdem ist der Winter die beste Zeit, das eigene Pinarello zur Inspektion zu geben oder gar nach einem neuen alten Rad zu schauen, der Händler hat Ruhe und Zeit, und weitere Modelle stehen vor der Tür und brauchen Platz.
Soll man sagen, Andreas Heinze, der auch privat im Quartier wohnt, sei zufällig an den Laden gekommen? Gott bewahre, nein, eher war es ein Wink des Schicksals. Er wollte eigentlich nur dem Kollegen, der an gleicher Stelle lange Jahre ein Radgeschäft geführt hatte, zum Auszug alles Gute wünschen, um dabei en passant zu hören, dass über die Neuvermietung des Lokals noch nicht befunden sei. Als die Vermieterin erfuhr, dass Heinze als Fahrradmechaniker die feine Tradition fortsetzen wollte, war die Entscheidung über den neuen Betreiber schnell getroffen. Ein Segen auch für Kultur und Vielfalt des Kiezes, der auf weitere Cafés durchaus verzichten kann, nicht aber auf die Präsenz eines engagierten Könners und Ästheten. Was ziert den Kiez, auf dessen baumgesäumten Straßen im Übrigen eine Höchstgeschwindigkeit von 7 km/h gilt, denn besser als ein Fahrradladen?
In diesem Sinne: Welcome back, Campandi!
Campandi Fahrradladen
Nehringstraße 6 // 14059 Berlin
Eröffnung zum 1. November 2014
http://www.campandi.de
Der Artikel ist zuerst erschienen bei "geistrecht – Kontexte zum Tag".
Fotos: maho
Andrea Bronstering - Gastautoren, Gewerbe im Kiez - 16. Oktober 2014 - 00:02
Tags: campandi/fahrrad/werkstatt
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