Die Unsichtbaren werden unübersehbar
Porträtfotos auf dem Hauptbahnhof
Nur noch bis Sonntag besteht die Gelegenheit, im Hauptbahnhof auf der Mittelfläche im Erdgeschoß die Ausstellung „Die Unsichtbaren“ zu sehen.
Unsichtbar sind die abgebildeten Persönlichkeiten nicht, denn sie wurden großformatig vom Fotografen Reto Klar in Szene gesetzt. Unsichtbar sind sie insofern, als daß sie viele in der Stadt nicht wahrnehmen wollen, obwohl hier von ihresgleichen etwa 4000 leben. Es sind Obdachlose, deren Elend ob des eigenen mehr oder weniger großen Wohlstandes ein schlechtes Gewissen bereitet und deshalb häufig wegschauen läßt. Die ausgestellten Porträts der Obdachlosen schönen nicht deren äußeres Erscheinungsbild. Der Blick des Betrachters wird jedoch in ihre Gesichter geführt, und dort sprechen aus den Augen neben Leid, Selbstbewußtsein, Stolz, Verzweiflung, Kummer in unterschiedlicher Gewichtung in allen Porträts auch seelischer Reichtum, Klugheit und eine geheimnisvolle Erfahrung, die der Betrachter letztlich nur ergründen kann, wenn er selbst einmal solches Schicksal geteilt hat. Gefeit ist davor niemand. Auch diese Gewißheit ist ein Grund zum Wegschauen.
Die Ausstellung wurde von Bahnchef Dr. Rüdiger Grube in seiner Funktion als Beiratsvorsitzender der Deutschen Bahn Stiftung eröffnet. Die vor knapp zwei Jahren gegründete Einrichtung engagiert sich auf vielen Gebieten, da es aber traditionell eine langjährige Verbindung zwischen der Bahn und den Bahnhofsmissionen gibt, bildet die Unterstützung von deren Arbeit einen Schwerpunkt. Unter anderem konnte dank dieses Engagements am Hauptbahnhof eine Ambulanz eingerichtet werden, wo Bedürftigen auch ohne Krankenversicherung medizinische Hilfe gewährt wird.
Die
Stiftung fördert auch dieses Ausstellungsprojekt, das in Zusammenarbeit
der Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo mit der Berliner Morgenpost
verwirklicht wurde. Der Fotograf Reto Klar und die Reporterin Uta
Keseling begleiteten im vergangenen Winter drei Wochen die Arbeit
Bahnhofsmission am Bahnhof Zoo. Im zum Fotostudio umgerüsteten
Heizungsraum wurden die Porträts aufgenommen.
Wer
es in den wenigen verbleibenden Stunden nicht schafft, die 25 Bilder in
originaler Größe auf dem Hauptbahnhof zu sehen, kann auch mit dem viel
umfangreicheren gleichnamigen Bildband „Unsichtbar. Vom Leben auf der
Straße“ (ISBN 978-3-88132-981-1, 128 Seiten 19,80 Euro) vorlieb nehmen.
Die Ausstellung wird anschließend auf den Bahnhöfen von Görlitz (8. -
16. Januar), Essen (20. - 30. Januar), Frankfurt (2. - 11. Februar) und
Hamburg Dammtor (16. - 26. Februar) gezeigt. Dr. Rüdiger Grube stellte
in Aussicht, daß die Ausstellung noch auf weiteren Bahnhöfen Station
machen wird.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Gesellschaft - 28. November 2014 - 21:43
Tags: ausstellung/bahnhofsmission/fotografie
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Die Fotoausstellung wird derzeit wieder im Bahnhof Zoo gezeigt.
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