Der literarische Juwelier
Clemens Ritter von Wagner bereichert Leben im Kiez
Wer ein erlesenes Buch kaufen will, wird dazu kaum einen Juwelier aufsuchen, obwohl es dort gewiß viele kostbare Dinge gibt.
Doch in dem kürzlich in der Mommsenstraße 4 eröffneten Geschäft „Wagner Preziosen“ ist das etwas anders. Dort gibt es Edmondo de Amicis Buch: „Istanbul, Haupstadt der Welt“. Das ist kein Auftragswerk von Tayyip Erdogan, sondern die deutsche Fassung des 1878 erschienenen Reiseromans „Constantinopoli“. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts trug die Hauptstadt des oströmischen Reiches den Namen des römischen Kaiser Konstantin, obwohl die zweite Hauptkirche des Christenreiches schon lange zu einer Moschee umgebaut worden war. So ist glücklicherweise Istanbul nicht zur Hauptstadt der Welt geworden, sondern zu deren „schönsten Ort“. So hat es zumindest der reisende Autor bei seinem Besuch der Stadt vor 1878 empfunden. Er ließ sich von dem bunten Treiben des damaligen Schmelztiegels der Kulturen zwischen Orient und Okzident, der Stadt zwischen Europa und Asien, zwischen den Kulturen der Völker des Balkans und Arabiens hinreißen. „Es ist ein kinoartiger Blick auf das Istanbul des 19. Jahrhunderts“ schrieb Umberto Eco, einer der bekanntesten Semiotiker, im Vorwort zu dieser Wiederentdeckung des italienischen Reiseschriftstellers, die jetzt in Italien sehr gefragt und erstmals auf Deutsch erschienen ist. Viel populärer denn als Semiotiker wurde Umberto Eco durch seinen Roman „Im Namen der Rose“, der eine Mittelaltereuphorie ausgelöst hatte, und damit so ganz nebenbei die kulturgeschichtliche Bedeutung des gedruckten Buches, das zum Motiv und zur Waffe werden kann, unter das Volk gebracht hat.
Foto: Wecker
Fotos: Wecker
Ähnlich wie die kostbare Handschrift in jenem Roman hinter dicken Klostermauern gesichert ist, ist es nunmehr Edmondo de Amicis Abhandlung hinter dem Panzerglas beim Juwelier. Hier kann es aber jedermann, ohne sich zu vergiften, in die Hand nehmen und auch kaufen. Der Juwelier Clemens Ritter von Wagner befindet sich in einem erheblichen Zwiespalt: Einerseits möchte er seine Kostbarkeiten bekannt machen und zum Besuch in sein Geschäft einladen, andererseits muß er seine Schätze auch sichern. Da Blinkerkram nicht seine Sache ist, blinzelt den Passanten auch nicht verführerisch Bijouterie an. So muß sich der Juwelier etwas einfallen lassen, damit die potentiellen Besucher Lust bekommen, die Schönheit seiner Schätze zu entdecken.
Deshalb will er in regelmäßigen Abständen zu exklusiven kulturellen Veranstaltungen einladen. Den Reigen hat die Präsentation von de Amicis Reisebericht eröffnet. Doch um auf die Einladungsliste zu gelangen, muß der Interessent erstmal an der Ladentür klingeln. Das lohnt sich wegen des Buches und der vielen anderen modernen und älteren Schätze, die nur hier und nirgendwo anders auf der Welt zu bewundern sind. Man muß zwar klingeln, aber eingelassen wird man, auch wenn es nur um ein Buch geht. Gern erläutert der Schmuckdesigner, der, bevor er nach Berlin kam, in mehreren Städten Geschäfte für Cartier geleitet hatte, seine Kostbarkeiten.
Weitere Informationen gibt es im Internet unter: ww.wagner-preziosen.de.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 16. Februar 2015 - 23:01
Tags: buch/juwelier/roman
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