Kleingärtner ohne Wasser
Stachelschweine halten den Ausweg frei
Das idyllische Leben im Schrebergarten, eigentlich Synonym für höchstvollendete Spießigkeit, wird in den Strudel der Auseinandersetzungen des 21. Jahrhunderts hineingerissen.
Das ist natürlich ein Thema für das politische Kabarett, wie es „Die Stachelschweine“ im Europacenter in ihrem jüngsten Programm „Ausweg freihalten!“ aufgegriffen haben. Da taucht die Troika am Gartenzaun auf und setzt die Satzung des Kleingartenvereins außer Kraft. Die fremdländische Banane verdrängt die einheimische Kartoffel und Tomate, über deren Beet die Drohne kreist. Wenn die Gartenzeitung darauf aufmerksam macht, daß diese im deutschen Garten fest verwurzelten Gemüsearten auch aus Amerika zugewandert sind, heißt es: „Lügenpresse“. So geht es weiter über die Integration, über Abhöraffairen, bis schließlich ein Ossi nach über 20 Jahren Maulwurfsarbeit aus seinem Fluchttunnel im Garten auftaucht und sich wundert, daß die Europäische Union genauso verschuldet ist, wie es seinerzeit die DDR war. Die hatte aber wenigstens noch Auslandsguthaben. Das politische Kabarett gewinnt in Berlin wieder an Fahrt und Tiefe und schert sich einen Teufel um die „politische Correctness“. In dieser Hinsicht ist Markus Müller ein Gewinn für das Autorenensemble der Stachelschweine. Im neuen Programm steuerte er die Szene „Wasser für alle“ bei.
Damit sprechen die Stachelschweine das Konfliktpotential der Zukunft an. Es ist zugegebenermaßen kein Berliner Thema, denn der Berliner Raum gehört zu den wenigen Regionen auf der Welt, wo genügend Wasser vorhanden ist. Wenn „Nestle“ den Kleingärtnern das Wasser abgräbt, um es ihnen dann als edles Gesundheitswasser im Supermarkt anzudrehen, kann es sich eigentlich nur um eine kabarettistische Lachnummer handeln. Vor dieser an anderen Orten durchaus üblichen Geschäftspraxis des mächtigen Konzerns schützen sie deutsche Gerichte und Parlamente. Erst wenn deren Beschlüsse von Sprüchen der Schiedsgerichte a la TTIP abgelöst werden, wird den Besuchern das Lachen im Hals stecken bleiben. Das wäre vielleicht ein neues Thema für Markus Müller.
Bis Ende Mai steht das Programm jeweils von Dienstag bis Freitag um 20 Uhr und sonnabends um 18 Uhr auf dem Programm. Karten gibt es unter Telefon: 261 47 95 und im Internet unter: www.diestachelschweine.de.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 02. Mai 2015 - 00:24
Tags: kabarett/kleingartenkolonie/wasser
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