Die Weekend Gallery lebt weiter
Sonntag schließt die 35. „Fortuna“
Am 8. Oktober vorigen Jahres wurde ein Charlottenburger Bürger zu Grabe getragen, der mit der Weekend Gallery in der Schloßstraße 62 Charlottenburg zum Anziehungspunkt und zum Impulsgeber für zahlreiche Künstler von internationalem Ruf machte: Jaques Naoum. Alles in allem waren es über 1000 Künstler von Japan bis Finnland über Frankreich, die USA und Lateinamerika, die er in der Weekend Gallery präsentierte. Heute erweist sich, daß seine Strahlkraft über den Tod hinaus reicht.
Höhepunkt im Leben der Weekend Gallery war die „Fortuna“. Sie ist Ausstellung und Jahresfest der Galerie, auf dem noch einmal Werke all jener Künstler gezeigt werden, die in der vergangenen Saison in der Galerie ausgestellt worden waren, zugleich. Jaques Naoum ist tot und auch seine Galerie ist schon längst aus dem Gewölbe verschwunden. Dennoch findet die 35. „Fortuna“ statt. Vorübergehend hat die Weekend Gallery eine Unterkunft in der Toscana-Kunsthalle im ECC-Atelierhaus in Weißensee gefunden und virtuell existiert sie dank Yair Meshoulam auf Facebook als „Weekend Gallery London-Berlin“ weiter: www.facebook.com/WeekendGalleryLondonBerlin.
Auf dieser Seite sind detaillierte Berichte und Kommentare zur 35. „Fortuna“ zu finden, die nunmehr am Sonntag, 3. April, ab 16 Uhr mit dem traditionellen Abschiedsfest bei Musik, Lesungen und einem Buffet in der Neumagener Straße 27 in 13088 Berlin ausklingt. Die „Fortuna“ wurde auch dank der Versteigerungen zu einer Legende. Immer wieder sicherte der Charlottenburger Maler Wilhelm Schläger der sich ohne staatliche Zuwendungen über Wasser haltenden Galerie das Überleben, indem er seine Arbeiten für die Versteigerungen zur Verfügung stellte. Der 1990 verstorbene Künstler war Mentor der Weekend Gallery und der entscheidende Förderer von Jaques Naoum. In seinen ausliegenden Skizzenmappen sind immer noch Kostbarkeiten zu entdecken.
Foto: Wecker
Die 35. „Fortuna“ hatte Jaques Naoum noch konzipiert und sie unter das Thema „Flagge“ gestellt. Daran beteiligen sich 22 Künstler mit überwiegend neuen Arbeiten. Das Spektrum reicht von der Fotografie über die Malerei bis zur Plastik. Die wohl provokanteste Arbeit stammt von Peter Feinauer „Reflektieren über die Reflektion“. Das Objekt besteht aus einem mit fleckigen roten Fahnentuch bespannten Billardtisch. Wie bei den Nazibannern hat es in der Mitte ein Hakenkreuz, das sich jedoch nicht auf weißem Grund, sondern auf einem Spiegel befindet. Zufall oder nicht in diesem Spiegel reflektiert sich die gegenüberliegende Arbeit von Christina Biedermann „Die weisse Fahne hissen....“. Verwaschene Aufnahmen aus dem Heeresgeschichtlichen Museum in Wien werden zu Fahnen auf denen berühmte Antikriegsparolen aus den letzten 100 Jahren von Bertha von Suttners „Die Waffen nieder“ bis zu „Frieden schaffen ohne Waffen“, eine östliche Parole aus den Jahren vor der Wende, an die jedoch heute die in politische Spitzenposition gelangten einstigen Aktivisten der „unabhängigen Friedensbewegung“ nicht mehr erinnert werden wollen, stehen. Was Fotografie kann, zeigt auch Angelika von Stocki mit der Fotoserie „Der lange Weg…“. Zu sehen ist, wie Barack Obama, Wladimir Putin und Angela Merkel eine lange Front von Fahnen abschreiten, an deren Ende Sultan Recep Tayyip Erdogan mal mehr oder weniger huldvoll die Begrüßung der Länderchefs entgegen nimmt.
Foto: Wecker
Es ist erstaunlich, was dieses von Jaques Naoum aufgerufene Thema „Flagge“ alles hergibt. Da ist von Viktoria R. Müller ein acht Meter langes EU-blaues Banner mit Sternen und schwarz-rot-goldenen Applikationen aus der Sportfan-Symbolik zu sehen. Eine Applikation hat einen Revolver im Herzen. Yair Meshoulam läßt auf dem Mond von Erdlingen eine noch nicht existierende Flagge der Erde hissen, Peter Schlangenbader bemalte Fahnentücher, Birgit Rakette stellt drei Serien unter dem Titel „Schwarz-Rot-Bunt“ aus, und mit der von Gerald Matzner aus Ton gefertigten Objektgruppe „Der Fluss“ scheint das Schicksal unserer Zeit unsteuerbar dahinzutreiben. Von Hanna Mauermann stammt die Installation „Oskars Vision einer neuen Welt“, wo in Afrika von einem zum Gerippe abgemagerten Menschen statt Nationalflaggen überall die weiße Fahne der Kapitulation gehißt wird.
Foto: Wecker
Jaques Naoum begegnet dem Betrachter in der Ausstellung nicht nur im Geiste, sondern als Kunstwerk, so in den Fotos von Amin El Dib, bei Gerald Matzner als lesende Tonskulptur „Der Denker“ und in einer nach einem Foto gearbeiteten Zeichnung von Sabine Thiede.
Die letzte Möglichkeit, all diese Arbeiten und noch viele weitere
direkt zu sehen ist bereits am Sonntag, 3. April zwischen 16 und 18 Uhr.
FW
Foto: Wecker
Foto: Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 01. April 2016 - 21:15
Tags: ausstellung/galerie
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