Das größte deutsche Wohnungsunternehmen gibt den Kunstmäzen, das Bezirksamt hilft dabei
Was würden Sie machen: Sie leiten eine Firma, die ein ungutes Ansehen hat, genauer gesagt, ein Wohnungsunternehmen, das größte im Lande, das unter anderem dafür kritisiert wird, daß es Milliardengewinn macht, indem es mangelhaft instandhält, dafür aber unnötig modernisiert und dadurch die Mieten hoch- und die Mieter vertreibt?
Vermutlich würden Sie einen Spezialisten für „Image-Management‟ engagieren. Und natürlich ist dem von Ihnen gewählten Image-Berater bekannt, daß gerade Kunst bei einem gewissen gehobenen Publikum einen hohen Stellenwert hat. So hoch, daß schon 1951 ein „Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI‟ (vielen Dank für den Hinweis, Frau Bezirksstadträtin!) gegründet wurde. Jetzt hat dieser Kreis um die 450 Mitglieder, darunter 21 der 30 DAX-Unternehmen. Sein „Vorstand (konstituiert) sich aus Führungspersönlichkeiten bedeutender deutscher Unternehmen‟, und die Mitglieder „dokumentieren die hohe Bereitschaft, Kunst und Kultur zu fördern sowie gesellschaftliche Mitverantwortung für den Erhalt und die aktive Gestaltung eines lebendigen Kulturlebens zu übernehmen‟. Ja, so geschwollen kann man es auch ausdrücken.
Natürlich würde Ihnen Ihr Image-Berater den Beitritt empfehlen (welchen Sie bereits vollzogen haben) sowie, zum Mäzen zu werden und einen Preis auszuloben. Auch dies tun Sie nun seit 2017, und Ihr Preis heißt ganz schlicht Vonovia Award für Fotografie. (Hatte man Ihnen diese Zweisprachigkeit empfohlen, oder ist das sozusagen auf Ihrem eigenen Mist gewachsen?) Jetzt bleibt noch ein kleines Problem: Sie brauchen einen Ausstellungsort für Ihre Preisträger. Am besten in der Hauptstadt, bevor Ihre Ausstellung, derart geadelt, weiterzieht ins örtliche Kunstmuseum an Ihrem Unternehmenssitz. Wie gut, daß es dt. Sozialdemokraten gibt, die an leitender Stelle sitzen und Ihnen hier gern dienlich sind.
Zufällig aber haben diese dt. Sozialdemokraten in ihrem Herrschaftsbereich – wenn auch eher widerwillig – drei Milieuschutzgebiete eingerichtet bzw. sind sie beim Einrichten. Wie kommen diese dt. Sozialdemokraten mit diesem Widerspruch zurecht: Steigbügelhalter für das Image eines Unternehmens zu sein, gegen dessen Praxis solche Milieuschutzgebiete doch letztlich gerichtet sind? Prächtig! Sie stellten zur Vernissage außer ihren Räumen sogar ihre Kulturstadträtin und ihre Kulturamtsleiterin als ganz offizielle Umrahmung für ein Vorstandsmitglied Ihres Unternehmens ab. So konnte Ihr Herr Kollege also drangehen, den Award, der „mit 42.000 EUR Preisgeld hoch dotiert und entsprechend begehrt‟ ist, zu verleihen. „Hoch dotiert‟? Ihr Unternehmen machte 2018 immerhin einen Gewinn von 2,267 Mrd. € – also ehrlich, Peanuts kann man wenigstens noch sehen! Oder mochten Sie Ihren Aktionären – darunter dem „Finanzdienstleister‟ Blackrock, mit 8,2 % der größte Einzelaktionär – keinen größeren Einschnitt zumuten?
Sie haben Ihrem Award wieder, passend zu Ihrem Geschäftsbereich, das schöne Thema »Zuhause« vorgegeben – „für die einen ein Gefühl, für die anderen ein Ort oder ein Mensch. »Zuhause« löst bei jedem Rezipienten direkt eine Assoziation aus und ist dabei doch höchst individuell und temporär geprägt.‟ Wieder einmal hübsch formuliert, besonders dieses „temporär‟. Auf deutsch heißt das oft genug auch „Herausmodernisieren‟. Mit Unterstützung des Berliner Mietervereins und der Mieterplattform www.wenigermiete.de hat dazu gerade ein Musterprozeß gegen Ihr Unternehmen begonnen, wobei es auch um die Verfassungsmäßigkeit von solch den Mietern aufgezwungene Modernisierungen und deren Kostentragung geht.
Noch ein Wort zur Kulturstadträtin und wie sie ihre Unterstützung für Ihr Anliegen rechtfertigt ... oder eher: jammervoll drum rumredet – siehe die Einwohnerfragen vom Februar und März zum oben erwähnten Widerspruch. Zwar kennt sie die Kritik an Ihrem Unternehmen, nämlich Gewinnstreben über das Wohl der Mieter zu stellen, und widerspricht dem auch nicht, fühlt sich aber offenbar geschmeichelt, ein wichtiges Rädchen im Kunstmäzenatentum Ihres DAX-Konzerns bei der Verleihung des „begehrten Preises‟ sein zu dürfen. Ist es nicht schön, solch Politiker zur Hand zu haben?
Folgende Materialien liegen den Sachaussagen und Zitaten zugrunde:
- Einwohnerfrage Nr. 10, Februar 2019
- Einwohnerfrage Nr. 12, März 2019
- Herausmodernisieren: Morgenpost 18.3.2019
- Image-Management: Goldmann Public Relations e.K
- Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI
---, Mitgliederliste
- Pressemitteilung des BA Charlottenburg-Wilmersdorf 7.2.2019
- Vonovia: Vonovia Award für Fotografie
---, Gewinne
- NachDenkSeiten, 18. Januar 2019 - Hauptaktionär Blackrock, Geschäftspraktiken Vonovia
- Kritik: Orange by Handelsblatt 7.12.2018 und
- Wikipedia „Vonovia‟
MichaelR - Gastautoren, Politik - 31. März 2019 - 00:14
Tags: ausstellung/galerie/gentrifizierung/mieten/spd/wohnen
drei Kommentare
Nr. 2, maho, 31.03.2019 - 22:18 Zitat aus der Zitty ;) “....Ihre ausweichende Antwort, es sei schön, wenn die öffentliche Hand gute Künstler zeigen könne, lässt für die angekündigte Reanimation des Sozialstaats durch die SPD nichts Gutes ahnen. ...” Quelle: Zitty vom 13.03.2019 |
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„Es gibt etliche Firmen, die ihren Ruf aufpolieren müssen. Beliebt ist dafür das öffentlichkeitswirksame Sport- und Kultursponsering. Damit werden Vereine und Kulturmanagement für einen im Verhältnis zur Öffentlichkeitswirkung geringen finanziellen Werbeaufwand eingespannt.
Ein Skandal ist das sicher nicht, wenn auf beiden Seiten Private agieren.
Zunehmend nutzen diese Firmen aber auch die Finanzknappheit der öffentlichen Hand aus. Hier entsteht zwangsläufig ein Konflikt zwischen den öffentlichen Aufgaben (Gewährleistung kultureller Teilhabe) und der Vereinnahmung durch Private.
In diesem Konflikt ist die öffentliche Hand nicht auf der Gewinnerseite, weil sie sich zwangsläufig dem Vorwurf aussetzt, ihre Aufgaben partiell fremdbestimmt wahrzunehmen. Dies beschädigt nachhaltig ihren Ruf und den der jeweils für sie handelnden Personen.“
W. Mahnke, Wilmersdorf