Im Reich der Buchstaben
Vor drei Wochen ging eine knappe Meldung durch die Presse: der altehrwürdige, 24 Bände umfassende Brockhaus wird nicht mehr in gedruckter Form erscheinen. Stattdessen wird das Symbol bürgerlicher Bildungsbeflissenheit (Ledereinband, Kopfgoldschnitt, Lesebändchen) nur noch im Internet verfügbar sein – und zwar gratis, da werbefinanziert. Und bereits vor acht Jahren stellte die legendäre Enzyclopaedia Britannica ihr Erscheinen ein. Seit dem Aufstieg des Internet zum Alltagsmedium wird dem schleichenden Tod alles Gedruckten das Wort geredet. In Zeiten von Wikipedia, Spiegel Online und diversen Blogs scheint das Lesen eines Buches zum nostalgischen Akt geworden zu sein. In der Danckelmannstraße 50, wo jüngst die Kronen der mächtigen Platanen massiv beschnitten wurden, stemmt sich die Buchhandlung „Arnolds“ gegen den Trend zur digitalen Kommunikation.
Und zwar nicht mit einem Sortiment vom Arztroman bis zum Klatschmagazin, sondern mit Schwerem und Abseitigem voller Anspruch, Charme und Tiefgang. Neben aktuellen literarischen Treffern wie „Der letzte Weynfeldt“ von Martin Suter oder „Die Wohlgesinnten“ von Jonathan Littell finden sich Titel aus den Bereichen Belletristik, Judaica, Reiseliteratur, Kinderbuch und Geisteswissenschaften. Die geneigte Leserin findet beim Stöbern Pretiosen wie „Thomas Mann und Ägypten“ von Jan Assmann, „Der Konsum der Romantik“ von Eva Illouz oder „Winter in Vorderasien“ von Annemarie Schwarzenbach. Die kürzlich publizierte Anthologie der Kiezpoeten ist ebenso prominent im Schaufenster platziert wie die erste Biographie Susan Sontags und ein Buch zum Bilderverbot im Islam. Diese gehobene Auswahl ist volle Absicht, wie der Inhaber Wolfgang Arnold erklärt: „Mit einem Angebot, wie Hugendubel oder Karstadt es haben, hätte ich hier in der Gegend keine Chance.“
Man muss sich den Mann in der gedeckten Kleidung mit der feinen Brille und der leisen Stimme als echten Überzeugungstäter vorstellen. Im Jahre 1978 eröffnete er seine erste eigene Buchhandlung in Kreuzberg, die Zeitläufte führten ihn dann über die Uckermark nach Spanien und wieder zurück nach Berlin, nach Charlottenburg. Zumindest nominell ist der Klausenerplatz-Kiez eine gute Gegend für Literatur: Alfred Döblin, Magnus Hirschfeld und Robert Walser wohnten zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Nachbarschaft, Friedrich Christian Delius tut es heute noch. Zur wirtschaftlichen Situation der Buchhandlung mit Wohnzimmeratmosphäre äußert sich der Inhaber wie folgt: „Der Laden trägt sich langsam selbst, aber noch nicht mich.“ Zur Erhöhung der Publikumsfrequenz setzt er auch auf Lesungen im Geschäft; Anfang April wird Hans Christoph Buch aus seinem neuen Reportageband lesen.
Schon jetzt freue ich mich auf die Leipziger Buchmesse Mitte März. Dann werden die Neuerscheinungen des Frühjahrs bei „Arnolds“ im Schaufenster liegen und wie Anker im nie versiegenden intellektuellen Strom wirken. Einer dem Buche Verfallenen wie mir werden sie entgegenfunkeln, und ihre Magie wird mich über die Türschwelle ziehen, ob es mein Geldbeutel gerade erlaubt oder nicht. Dann blättere ich versonnen in den „Mythen des Alltags“ von Roland Barthes, in der neuen Ausgabe vom „Volltext“ und in Donna Leons „Nobilità“. Der Geruch des bedruckten, gebundenen, in Regalen geschichteten Papiers betört mich jedes Mal aufs Neue, meine Finger streicheln die Seiten, ich lese, inhaliere Geist und tauche ein ins Reich der Buchstaben. Literatur ist hoch sinnlich, und die Buchhandlung „Arnolds“ ist eine Oase in einer Wüste des Instant-Sprech à la SMS, Graffiti und Aggro-Hiphop. Allein der schweifende Blick ins Schaufenster beim Flanieren durch den Kiez stimmt mich heiter, ich denke an das nächste Buch und das Leben wird leicht.
Andrea Bronstering - Gastautoren, Gewerbe im Kiez - 02. März 2008 - 00:48
Tags: arnolds/buch/buchhandlung/kiez/klausenerplatz/literatur
zwei Kommentare
Nr. 2, Julia Endorf, 25.01.2011 - 13:54 Guten Tag, ich möchte Ihnen die Homepage zu einem neuen Buch übermitteln, welches ich kürzlich gelesen habe und von dem ich sogar als sehr kritischer Fan absolut begeistert bin. Dieses Buch zeigt endlich einmal positives von Michael Jackson auf und gibt Einsicht in einen Lebensbereich, von dem niemand zuvor etwas ahnte, der jedoch viele Ungereimtheiten seine Person betreffend ausräumen und deutlich macht, dass er ein liebevoller, eigentlich ganz normaler Mensch gewesen ist. Wirklich absolut lohnend zu lesen, nicht nur für Fan`s. Leider habe ich das Buch bis jetzt nirgends im Buchhandel gesehen, lediglich online, wo ich es ebenfalls bestellt habe! Sicher etwas, das in keiner aktuellen Buchhandlung fehlen sollte. Unten angefügt ist der Link zur Homepage der Autorin Magdalena Kirchmann! Liebe Grüße, Julia Endorf! http://jackson-foralltimes.jimdo.com/ |
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Autorenlesungen:
Gert Loschütz liest aus “Das erleuchtete Fenster”.
10.04.2008
Beginn: 20:00 Uhr
Eintritt: 5.- Euro
Hans Christoph Buch liest aus “Das rollende R der Revolution” und “Tod in Habana”.
23.04.2008
Beginn: 20 Uhr
Eintritt: 5.- Euro
Veranstaltungsort: Arnolds Buchhandlung
Kartenreservierung unter tel: 030/308 391 47