Görenglanz
Die geneigte Leserin von heute hat die Qual der Wahl. Im Zeitschriftenladen ihres Vertrauens kann sie aus geschätzten 65 Frauentiteln wählen. Und die meisten Hefte bebildern in leuchtenden Farben eine Welt voller Luxus, Glanz und Vogue. So genannte Stilikonen geben Tipps für das perfekte Make-up, anorektische Models führen unerschwingliche Haute-Couture-Kreationen vor und postprominente Aktricen plaudern ungefragt aus ihrem Liebesleben. Für die Verlage kommen diese Magazine einer Lizenz zum Geldrucken gleich, so stabil sind die hohen Auflagen. Vor rund 80 Jahren hießen die einschlägigen Titel „Die Dame“, „Elegante Welt“ und „die neue linie“. Sie propagierten ein weibliches Schönheitsideal, das sich zum Ende der Weimarer Republik von der kessen Garçonne zur eleganten Frau wandelte. Im Georg-Kolbe-Museum, im verlängerten Weichbild des Kiezes, kann man noch bis zum 12. Mai die charmante Ausstellung „Glamour! Das Girl wird feine Dame“ besuchen.
Willkommen in der Welt der Wasserwellen und Hermelinstolen, der halbmondförmig gezupften Augenbrauen und der Nachmittagskleider, der Unterarmtaschen und der Zigarette als Accessoire weiblicher Emanzipation. Im Frühjahr 1928 lobt die Leipziger Kosmetikfirma Elida einen künstlerischen Wettbewerb aus, gesucht wird das „Schönste deutsche Frauenporträt“. Mit Gemälden, die zu dieser Konkurrenz eingereicht werden, beginnt die Ausstellung im großen Saal. Hier hängen, umgeben mit gebührendem Raum und gut ausgeleuchtet, „Russisches Mädchen mit Puderdose“ von Lotte Laserstein, „Sportlerin“ von Nikolaus Sagrekow und „Lotte“ von Christian Schad im Stil der Neuen Sachlichkeit. Zwei Tafelbilder von Tamara de Lempicka gesellen sich dazu. Die Gemälde der russischen Emigrantin sind emblematisch für die glatte und mondäne Oberflächenästhetik des Art Déco. In ihren Frauenbildnissen, die mit ihrer Eleganz Werbeplakate der Zeit inspirieren, kommentiert die Malerin die Umwertung des weiblichen Körpers zum Konsumobjekt.
Schrittmacher dieses Prozesses sind der Film und die Mode. Die Schauspielerinnen in Babelsberg und noch mehr in Hollywood avancieren um 1930 zum modischen und kosmetischen Maßstab. Ihre Gesichter zieren die Filmplakate, Titelblätter und Grußpostkarten ihrer Zeit. Brigitte Helm und Marlene Dietrich, Lil Dagover und Greta Garbo, Lilian Harvey und Joan Crawford werden mit der neu aufkommenden Glamour-Fotografie wie unnahbare Göttinnen porträtiert, in majestätischem Schwarz/Weiß, in dramatisches Licht getaucht, teuer gekleidet, mit funkelndem Schmuck behängt und aufwändig frisiert. In der Modewelt konkurrieren zu jener Zeit Grafik und Fotografie. Wie sich beide Medien wechselseitig beeinflussen, kann man im Souterrain des Museums, wo auch kostbare Roben drapiert sind, studieren. Geradezu schwelgend sind die poetischen Legenden der Bilder: „Türkisfarbenes Abendkleid mit taillentiefem Rückendekolleté und sich zu kleiner Schleppe verlängerndem Volantrock.“
Kleider dieser Art sind nicht nur repräsentativ und chic, sondern auch körpernah. Um die passende Figur zu erhalten, treiben die Damen der Oberschicht Sport, bevorzugt Segeln, Golf und Tennis. Die Zeitschrift „Sport im Bild“ nennt sich im Untertitel nicht umsonst „Das Blatt der guten Gesellschaft“. Die Porträts sind lässig, suggestiv und verheißungsvoll; Not und Elend der frühen Weimarer Jahre, von Otto Dix, George Grosz und Ernst Ludwig Kirchner noch grell und ätzend gemalt, sind verdrängt. Der Wille zur Glorifizierung des Jetzt, etwa in den aquarellierten Zeichnungen von Jeanne Mammen, ist mit Händen zu greifen; Posen, Szenen und Theatralik bestimmen den großen Auftritt. Und doch unterläuft eines der stärksten Bilder der zauberhaften Schau die gefeierte und imitierte Kunstwelt der Stars. Das „Porträt einer Berlinerin“ von Christian Schad zeigt eine junge Frau, deren Mimik, Haltung und Frisur der Mode der Zeit gehorchen und dennoch hinter der Maske den Blick einer frechen Göre durchscheinen lassen. Hier ist die Dame zum einfachen Mädchen geworden.
Glamour! Das Girl wird feine Dame
Frauendarstellungen in der späten Weimarer Republik
Ausstellung noch bis zum 12. Mai 2008
Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 17:00
Eintritt € 5,-, ermäßigt € 3,-
Georg-Kolbe-Museum
Sensburger Allee 25
14055 Berlin
Telefon (030) 304 21 44
www.georg-kolbe-museum.de
Andrea Bronstering - Gastautoren, Gesellschaft - 05. April 2008 - 00:15
Tags: frauendarstellungen/georg_kolbe_museum/mode/schönheitsideal
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Vielleicht hat Frau es ja in Zukunft noch leichter ;)
“Software zeigt wahre Schönheit”
siehe:
Chip Online vom 02.04.2008