Guantánamo
Als Präsident B. Obama kurz nach Amtsantritt Ende Januar 2009 anordnete, daß das Gefangenenlager Guantánamo binnen eines Jahres aufgelöst werden soll, und Kuba die seit 1959 erhobene Forderung nach Rückgabe von Guantánamo bei dieser Gelegenheit erneuerte, fügte der Deutschlandfunk in seinen Nachrichten die Information an, daß Kuba 1903 Guantánamo den USA überlassen habe "als Dank" für deren Hilfe gegen Spanien beim kubanischen Freiheitskampf.- Im folgenden gehe ich der Frage nach, ob diese Information stimmt. Dabei ist es nötig, auch auf die Ereignisse vor und nach 1903 zu schauen, also auf die längerfristigen Beziehungen zwischen den USA, Spanien und Kuba.
Seit Kolumbus' erster Reise 1492 in die Karibik wurden die jeweils dabei von den Europäern 'entdeckten' Gebiete für die spanische Krone in Besitz genommen (erobert); mit Kuba geschah das 1510. Als drei Jahrhunderte später (zwischen 1810 und 1826) die spanischen Kolonien auf dem Festland ihre Unabhängigkeit erkämpften, blieb Kuba als einziges größeres Gebiet weiterhin in spanischer Hand. Man nannte Kuba daher spanischerseits gern "die immer treue Insel". Allerdings war es mit der 'Treue' der Kubaner nicht so weit her: zwischen 1868 und 1898 führten sie insgesamt drei Kriege mit einer Gesamtdauer von fünfzehn Jahren für ihre Loslösung von Spanien.- Aber es gab noch einen weiteren Interessenten für die (ehemals) spanischen Besitzungen - die USA. Schon mehrfach hatten sie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihr Territorium nach Süden ausgedeht: 1819 annektierten sie Florida (von der Kolonialmacht Spanien), 1845 und 1849 dann den gesamten heutigen Südwesten der USA, fast vom Mississippi bis Kalifornien (vom seit 1821 unabhängigen Mexiko). Und was Kuba betraf, so hatten die USA Spanien wiederholt Kaufangebote gemacht (zuletzt 1897), die jedoch stets zurückgewiesen wurden.
Im sog. 'Zweiten Unabhängigkeitskrieg' (1895-1898) verfolgten die Kubaner das gemeinsame Ziel, von Spanien unabhängig zu werden; jedoch gab es sehr unterschiedliche Vorstellungen über die weitere Zukunft: Angliederung an die USA?, selbständiger Staat?- Aus Sicht der USA war die letztere Variante wenig erwünscht, da die Gefahr bestand, daß die bisher von Spanien geschaffenen guten Bedingungen für die US-Wirtschaft in Kuba verlorengehen könnten. Daher griffen die USA 1898 in den Krieg ein, obwohl er zu diesem Zeitpunkt letztlich schon zugunsten der Kubaner entschieden war. Kubanische und US-amerikanische Geschäftsleute und Plantagenbesitzer auf Kuba hatten die USA zum Schutz vor den 'Rebellen' gebeten, und "im Namen der Menschheit, der Zivilisation und der gefährdeten amerikanischen Interessen" erklärten die USA Spanien den Krieg. So wurde aus dem 'Zweiten Unabhängigkeitskrieg' der Kubaner pötzlich der 'Spanisch-amerikanische Krieg'. Folglich kapitulierte Spanien nur gegenüber den USA, und der 'Pariser Vertrag' wurde im Dezember 1898 auch nur zwischen den USA und Spanien geschlossen: Spaniens endgültiger Untergang als Weltmacht und der beginnende Aufstieg der USA zur Weltmacht fanden so statt zu Lasten Kubas, das nämlich gleichzeitig durch US-Truppen besetzt und bis 1902 unter US-Militärverwaltung gestellt wurde.
Die USA beendeten erklärtermaßen die Besetzug Kubas erst, nachdem die kubanische konstituierende Versammlung nach längerer Gegenwehr 1901 einen Zusatz in die neue Verfassung aufgenommen hatte, das sog. Platt-Amendment (genannt nach dessen Initiator, dem US-Senator Platt). Darin ließen sich die USA ein "Recht auf Intervention" einräumen; außerdem mußte sich Kuba verpflichten, den USA Teile Kubas als Marinestützpunkte zu überlassen. Auf dieser Grundlage schloß man dann 1903 einen unbefristeten Pachtvertrag über Guantánamo ab, in dem keine einseitige Kündigung durch Kuba vorgesehen war.
Seit der Revolution von 1959 hat Kuba wiederholt den Abzug der USA gefordert. Dabei werden u. a. folgende Argumente für die Nichtigkeit des Pachtvertrages vorgebracht:
- Der Vertrag ist erzwungen.
- Es liegen schwerwiegende Verstöße gegen die inhaltlichen Bestimmungen des Vertrages vor (mit der völkerrechtlichen Folge der Nichtigkeit), weil
- (a) Guantánamo "als Bunkerstation und Marinebasis und zu keinem anderen Zweck" verpachtet wurde, also nicht als Internierungslager (so in den 90er Jahren) bzw. als Gefangenenlager (seit 2002), und weil
- (b) dort Verstöße gegen die Menschenrechte (Folter) stattfinden.
Die USA halten dem (bisher) entgegen, daß der Pachtvertag unbefristet ist und nur beendet werden kann, wenn beide Seiten damit einverstanden sind. Verhandlungen, wie sie eigentlich völkerrechtliche Pflicht sind, wurden Kuba (bisher) von den USA verweigert. Der Grund dafür könnte darin liegen, daß der Besitz von Guantánamo seit der kubanischen Revolution einen hohen symbolischen Wert für die USA hat: Naval Station Guantánamo ist der berühmte 'Pfahl im Fleisch' des Gegners. Außerdem hat Guantánamo als exterritoriales Gebiet den Vorzug, daß dort (nach bisheriger Auffassung) kein US-Recht und folglich keine US-Gerichtssbarkeit gilt.
Bisher ist nicht zu erkennen, ob die Regierung von B. Obama ihre Haltung in bezug auf Guantánamo grundlegend revidieren will ("change"): Auf die Rückgabeforderung wurde überhaupt noch nicht reagiert. Was speziell das Gefangenenlager betrifft, so hat B. Obama vor der Wahl zwar gesagt, daß dort nationales und internationales Recht verletzt werde; jedoch hat jetzt nach der Wahl ein von ihm in Auftrag gegebener Bericht des für Guantánamo verantwortlichen Pentagons festgestellt, daß alles in bester Ordnung sei (Berliner Zeitung, 23.2.2009). Allerdings könnte die UN-Vollverssammlung die
Rückgabe beschleunigen, indem sie die Angelegenheit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorlegt, so wie sie es 1971 wegen der Besetzung Namibias durch Südafrika getan hat und 2003 wegen des israelischen Mauerbaus auf palästinensischem Gebiet.
Literatur:
Bert Hoffmann, Kuba, München (Beck) 2000 (Stadtbücherei: G 721 Hoff)
Michael Zeuske, Kleine Geschichte Kubas, München (Beck) 2000 (G 720 Zeus)
Alfred de Zayas, Wem gehört Guantánamo Bay?, FAZ, 29.12.2003 (http://alfreddezayas.com/Articles/Guantanamo_de.shtlm)
MichaelR
Michael R. - Gastautoren, Geschichte, Politik - 25. Februar 2009 - 00:12
Tags: guantánamo/kuba/usa
zwei Kommentare
Nr. 2, maho, 26.02.2009 - 00:25 Worte und Taten http://www.focus.de/politik/weitere-meld.. «Yes we can» soll er danach nicht mehr verwenden: “Ja, heute wirkt er zu oberflächlich. Den Satz «Now is the time – jetzt ist es Zeit» aus dem Wahlkampf verwendet Obama aber weiterhin. Das funktioniert noch, da der Satz beinhaltet, dass ein bestimmtes Problem nicht aufgeschoben werden soll.” http://bazonline.ch/ausland/amerika/Prae.. |
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Zu Präsident Obamas mit großem Aplomb angekündigter Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo binnen eines Jahres nur so viel: bis heute hat er nicht gesagt, was mit den nachweislich unschuldig Einsitzenden passieren soll (Entschädigung wegen Folter, Kidnapping und Freiheitsberaubung durch die USA, Überstellung in ein Land ihrer Wahl) und was mit den mutmaßlichen Terroristen geschehen soll (Prozess vor einem ordentlichen Gericht mit Akteneinsicht für die Verteidiger).
Obama geht noch einen Schritt weiter: er redet über Guanatanamo und schweigt zu Bagram. Dies ist ein US-Gefangenenlager nahe der afghanischen Hauptstadt Kabul. Dort sitzen aktuell schätzungsweise 600 Menschen ein, auch sie werden von den USA willkürlich als "feindliche Kämpfer" eingestuft und haben so keinerlei Anspruch auf Behandlung als Kriegsgefangene gemäß der Genfer Konvention. Während es in Guantanamo immerhin "Führungen" für Journalisten, Ärzte und Menschenrechtsorganisationen gab, ist Bagram komplett von der Außenwelt abgeschottet. Lediglich das Internationale Rote Kreuz hat beobachtenden Status, ohne die Verhältnisse kommentieren zu dürfen. In Bagram wurden nachweislich mehrere Gefangene zu Tode gefoltert (Quelle: Taxi to the dark side, Dokumentarfilm von Alex Gibney, USA/GB 2007).
Sollten Gefangene nach der Auflösung von Guantanamo nach Bagram überstellt werden, kämen sie garantiert vom Regen in die Traufe. Und Obama hätte sehr schnell bewiesen, dass er es mit dem "Change" nicht ernst meint. Genauso wie sein Vorgänger Bush bräche er lässig internationales Recht. Das steht umso mehr zu befürchten, da er schon angekündigt hat, die US-Truppen in Afghanistan aufzustocken. Versprechen binden nur jene, die an sie glauben, wie schon Talleyrand sagte.
Andrea