Wunderschönes Frühlingswetter zu einem traurigen Anlaß: 21 Stolpersteine in der Leonhardtstrasse verlegt
Die "LEO" - wie sie zutraulich genannt wird - endet im "Recht", genauergenommen am Amtsgericht Charlottenburg. Rechtlos waren hingegen vor 70 Jahren diejenigen jüdischen Bürger, die von den Nazis von Heut auf Morgen in den Osten transportiert wurden, um nie wiederzukommen.
Am 14. November 1941 wurden als erste, Clara und Max Nachemstein nach Minsk (Weißrußland), aus der LEO 6, vom Bahnhof Berlin-Grunewald in Eisenbahnwaggons abtransportiert ( mit ihnen zwischen 958-1030 weitere Bürger). Vier Tage später kamen sie im Minsker Ghetto an. Bereits im Dezember wurden sie in den umliegenden Wäldern erschossen..
Am 15. August 1942 wurden von Berlin-Moabit 997 bis 1004 Bürger nach Riga (Lettland) transportiert. Darunter Wally und Bertha Gordon, ebenfalls aus der LEO 6. Angekommen sind sie am 18. August, tot waren sie am gleichen Tage (ermordet in den Wäldern von Rumbula und Bikernicki).
Ich wohne seit über 35 Jahren in diesem Hause. Mußten sie vielleicht meine Wohnung verlassen ? Wußte keiner im Hause von ihrem Schicksal ? Heute kann man keinen mehr befragen, vor 35 Jahren hätte es vielleicht noch "Zeitzeugen" gegeben. Aber hätten sie sich erinnert, geschweige denn geredet?
Die Gegner der Nazis wurden morgens früh aus den Betten geholt und auf Pritschenwagen abtransportiert, die Juden mußten hingegen zuerst ihre Wohnungsbestände registrieren lassen und gingen dann geordnet zu den Sammelplätzen der jüdischen Gemeinde, in der Hoffnung als Aussiedler im neu gewonnenen Osten des NS-Reiches ein neues Leben beginnen zu können. Ihre Besitztümer verfielen dem Staat, der häufig die wertvolleren Dinge verkaufte und versteigerte, um die Vermieter zu entschädigen und so auch mancher Gier deutscher Volksgenossen nachkommen konnte.
Das feierliche Gedenken an die 21 Mitbürger aus der Strasse fand vor der Buchhandlung Hacker und Presting statt. Dort ist auch eine kleine Buchausstellung im Fenster einsehbar. Der Künstler Gunter Demnig, der seit Jahren Kreator und Organisator der Stolperstein-Aktion ist, war präsent und richtete einige Worte an die zahlreich Erschienenen. Ein Chor umrahmte die Zeremonie.
Über 1000 Stolpersteine sind bereits verlegt, und manch Kritiker wendet ein," man trampele nur von neuem auf die jüdischen Deutschen ein", manch andere sagen, es sei nie zu spät zu Gedenken, auch wenn es reichlich spät kommt.
Haben wir vergessen, dass noch vor nicht allzu langer Zeit ein - noch heute regierender Charlottenburger Stadtrat aus der Christlich Demokratischen Union es ablehnte, Stolpersteine im Bezirk auf öffentlichem Strassenland einzufassen, man könne schließlich über sie "stolpern"....
Es war also doch noch nicht zu spät.
Joachim Neu - Gastautoren, Geschichte - 25. März 2011 - 00:02
Tags: berlin/charlottenburg/leonhardtstrasse/stolpersteine
vier Kommentare
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Da ich neu in Charlottenburg bin und im Herbst ja schließlich hier wählen soll, wäre ich dankbar, ein bisschen mehr zu angedeuteten Amtsgerichtsangelegenheit zu wissen. Und gut, wenn die Stolperfunktion doch auch wahrgenommen wird, oder?