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Eine Bombennacht

13.02.1945 - der Tag meiner Zeugung.

 
Heute vor 67 Jahren wurde meine Mutter 25, verlor ihre Jungfernschaft, ich wurde gezeugt und Dresden wurde in Schutt und Asche gelegt, mein Erzeuger verpisste sich schnell, nachdem er sich die Hose hochgezogen hatte. Dem öffentlichen Interesse nach hätte die Aufzählung mit Dresden beginnen sollen, meinem Interesse nach nicht.

   

Zeitgeschichtlich sind Bezüge da, die weiteren kann ich nur auf Grund meiner Verstörtheit vermuten. Ob die Bomben auf Dresden, oder die auf Hamburg meiner Mutter einen extraordinären Orgasmus verschafften, oder ob sie überhaupt einen hatte, diese Erinnerung verbleibt mir im Dunkeln. Jedenfalls war der Erzeuger weg. Auf Nachfragen meiner Mutter, was denn mit Alimenten oder so wäre, drohte der Erzeuger mit dem Anwalt. Wie auch immer, Mutter musste betteln gehen, ihre Zukunft und auch meine, unsere also, lag am Boden, in Trümmern. Hamburg war kaputt, 1945 war kein gutes Jahr, unehelich auf die Welt zu kommen. Zumindest wenn der Erzeuger, mehr als 20 Jahre älter als Mutter, Geld hatte, später im Überfluss, er wurde Millionär, es hätte verhindern können, dass sie und ich, also wir, Hunger hatten. Oma war dabei, sie, die gute Seele, etwas herrschsüchtig aber mit Moral und Anstand, lebte mit Mutter und mir zusammen.

 
Die Armen der Welt trösten sich damit, dass es anderen schlechter geht als ihnen selbst. Also trösteten wir uns mit diesem Gedanken. Mutter war, wie Oma, Sozialdemokratin. Nicht Rotfront, aber Rot! Eine von Mutters Schulkollegen war Loki Schmidt. Lokis Vater und mein Großvater hatten zusammen mit anderen Vätern in der Schule Burgstrasse die Schulbühne gebaut. Opa war tot, sechs Wochen nach meiner Geburt gestorben, aber ich zehrte von ihm und seinem handwerklichen Andenken, das auch längst Bombenfraß geworden war. Trotzdem, es gab da einen großväterlichen Fingerzeig, der mich leitete. Eine weitere Leitfigur war Gott. Der musste herhalten, machte er auch gut. Ich ging gerne in der Kindergottesdienst am Sonntagmorgen. Danach ging ich ins Kino, mit selbstverdientem Geld aus Verkäufen von Altmetallen aus Hamburger Ruinen. Micky-Maus-Filme und Tarzan. Tarzan wurde eine weiteres Vorbild und der Arzt aus Lambarene, der orgelspielende Albert Schweitzer, der nicht aus der Schweiz kam, aber einen bergbauernähnlichen Schnauzer hatte. Prägnant und nicht verwechselbar, bis ich Albert Einstein in einer Illustrierten sah. Ja, und Alice im Wunderland von Disney. Mit sechs Jahren zum Kiffen und LSD-Trips werfen verleitet, zum Glück?! Den Erzeuger sprach ich einige Zeit bevor er starb, er war ein erbärmlicher Feigling. Aber als ich ihn sah, mit Schlagseite, vom Schlag getroffen, hatte ich Mitleid mit ihm. Die, seine Verantwortung der letzten Jahre verlor sich in der dritten Person. Er wusste wer ich war, wollte es immer noch nicht recht wissen, konnte sich aber seines Wissens nicht entziehen. Er hatte immer noch Angst vor der bösen Fee oder so, die ihm das Geld nehmen könnte. Ich wollte ihn nur kennenlernen, hatte keine Ahnung, erbberechtigt zu sein.

 
Wie gesagt, wir wollten es besser machen, machten einiges besser. Aufbruch der 68er. Kommunen, Drogen und Hoffnung im Überfluss. Was ist geblieben? Immer noch Kraft, immer noch Hoffnung, aber auch eine Masse Wut! Wut und Scham, Fremdschämen für diese Impertinenten, die sich erdreisten schamlos die Zukunft zu verkaufen, denen der Mammon die Ethik ersetzt. Es hat sich in dieser Liga seit Kriegsende nichts verändert, es herrschen die gleichen üblen Machenschaften vor, die gleiche üble Charaktereigenschaft die meinen Erzeuger auszeichnete: die Feigheit!

T. Wiese - Gastautoren, Gesellschaft - 14. Februar 2012 - 22:10
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ein Kommentar

Nr. 1, neu, 15.02.2012 - 12:09
Opa war dabei !

Nicht wie Oma im augenblick der zeugung , sondern direkt in der bombennacht von dresden.
Mein Opa (mütterlicherseits) war nämlich heizer und lokomotivführer und damals auf dem weg von Görlitz (wo all meine vorfahren her stammen) mit einem flüchtlingszug aus schlesien unterwegs.Er rettete sich unter seine schwere Lok im Bahnhof Dresden-Neustadt.Was aus dem zug und seinen insassen geworden ist – ich weiß es nicht.Er kam später kreidebleich in görlitz wieder an.Bis dort war der flammenschein der brennenden stadt sichtbar gewesen und meine tante hatte das "schauspiel" vom balkon beobachten können.
Meine mutter "flüchtete" dann tage später an der brennenden stadt vorbei in den westen.Ich ahnte bereits (ohne dass es dann wahr wurde) was für die weiter östlich gelegenen stadt Görlitze vorgesehen war.
Ich hatte die gnade der "späten geburt"(Kohl)und konnte damals noch nicht die triste welt um mich herum erleben.
Die tage habe ich eine anfrage an die geschichtswerkstatt in dresden gestellt, vielleicht wissen die mehr. Merkwürdigerweise ist dann Opa (mit zwei frauen an seiner seite) zwar später nicht in dresden verstorben aber dort begraben worden, da eine tochter von görlitz nach dresden verzogen war.
Übrigens ist just heute mein geburtstag – aber eben einige jahre später – und fiel Cottbus in schutt und asche.Görlitz meine heimatstadt – jedenfalls meiner eltern – da ich die gnade der wiedergeburt im goldenen westen /(rheinland:HELAU !)erleben konnte, ist merkwürdigerweise völlig unzerstört geblieben und ich konnte das schicksal der stadt nach dem krieg (Ruinen schaffen ohne waffen) durch meine ostbesuche bei meinen beiden großeltern in den nachkriegsjahrzehnten gut verfolgen.
Heute ist die stadt wohl genesen , ein kleinod und allen dresden geschädigten wärmstens zu empfehlen.Sozusagen als kontrast – was mal deutsche städte vor dem ungeheuer krieg gewesen sind.

p.s. während der Potsdamer Konferenz imsommer 45 wurden die atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki in Babelsberg(sitz der amerikanischen delegation) beschlossen.
Hätte der krieg in deutschland noch einige monate länger gedauert, dann wären die atombomben auf mannheim/ludwigshafen gefallen.Die pläne waren fertig !
Welch eine gnade des frühzeitigen endes.

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