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Tod und Wiedergeburt?

Angesichts der Tatsache, dass demnächst Ostern und mit dem Fest der unvermeidliche Osterhase vor der Tür steht, sein hier einige Überlegungen erlaubt. Zum Osterhasen nur soviel: als Fruchtbarkeitssymbol der alten Germanen spielte er in der Mythologie eine nicht ganz unwichtige Rolle. Kennzeichnete der Hase doch die stets wiederkehrende, sich selbsterneuernde Kraft des Frühlings und somit eine Überwindung des Todes. Joseph Beuys verwendete häufiger in seiner Bildsprache und seinen Aktionen den Hasen. Nicht zuletzt in der Aktion „Einem toten Hasen die Ausstellung erklären“. Zum Hasen erst mal genug. Die sich selbst erneuernde Kraft findet sich im Christentum wieder. Darum feiern wir Ostern mit dem Hasen. Der Kreuzigungstod Christi am Karfreitag und die Überwindung des Todes am Ostersonntag sind die Hauptereignisse des Christentums, kennzeichnen es. Die Wiederauferstehung des Verstorbenen ist der ausschlaggebende Faktor, der die Religion füllt und belebt.

 
   
Es soll nicht hier nicht um religiöse Bekehrung oder ähnlichem gehen, sondern allein um den Umgang mit dem Tod und den Versuch, dem Tod mit religiösen Glaubensimpulsen den Schrecken zu nehmen. Wie weit das gelingt und auf welchem Wege, ist selbstverständlich dem freien Denken des Einzelnen überlassen.  Nebenbei: Die ethische Haltung des im Christentum gegebenen Mitleids findet man auch in anderen Religionen und Lebenshaltungen, wie z.B. dem Buddhismus. Die echte Neuerung, die sich im Christentum gegenüber anderen Religionen zeigt, ist die Tatsache, dass nichts und niemand für die Gottheit geopfert wird, die Gottheit selbst opfert sich und stirbt einen bestialischen Tod. Nun gut, könnte man meinen, Christus wusste ja um seine Wiederauferstehung, also konnte er doch leichter sterben. Wenn dem so gewesen wäre, so hätte er nicht am Kreuz ausgerufen „Mein Gott warum hast du mich verlassen“. So viel an dieser Stelle zum Kreuzigungstod.

 
Der Gedanke des Weiterlebens der Seele oder des Geistes nach dem Sterben lässt sich in vielen Religionen finden. Die Ursprünge, wann und in welchen Zeiträumen dieses Gedankengut zum ersten Mal auftrat, liegt im Dunkeln. Aber Begräbnisriten aus vorgeschichtlichen Zeiten bezogen möglicherweise eine Wiedergeburt oder nachtodliche Existenz mit ein.  Der in der Gegenwart gebräuchliche Grabhügel findet bereits in der frühen ägyptischen Kultur und anderen Kulturen Anwendung. Er kennzeichnet den Bestattungsort. Zum einen schützt der Grabhügel den Bestatteten vor aasfressenden Raubtieren, zum anderen besitzt das aufgeschüttete Grab auch einen Symbolwert.

EINE THESE: Um z.B.den angenommenen Symbolwert dieser Bestattungsform im alten Ägypten zu verstehen, ist es notwendig, sich den Gestus zu vergegenwärtigen, mit dem der Verstorbene zur Ruhe gelegt wurde: Der Verstorbene wurde in einer Hockstellung bestattet. Es stellt sich die Frage, warum eine Hockstellung, warum ein Hügel? Die Hockstellung erinnerte an eine Embryonalhaltung. Folglich konnte der Grabhügel den Bauch der Erde symbolisieren. Nimmt man den gewölbten Grabhügel als Bild des gewölbten Leibes, und die Hockstellung als Bild des Embryos im Leib einer Schwangeren, so kann man gut annahmen, dass dieses Vorgehen auf eine symbolhafte Rückkehr des toten (schlafenden) Menschen in den Leib der Mutter Erde hinweisen wollte. Somit verliert der Tod auf diese Weise seinen Schrecken, da auf eine Wiedergeburt zu hoffen ist.

Die Pyramiden von Gizeh werden häufig als symbolhafte Überhöhung des Grabhügels gesehen. Insofern finden sich die hier angestellten Betrachtungen wieder, zumal die altägyptische Kunst hauptsächlich jenseitsbezogen war. Beschaut man sich exemplarisch Statuen der 4. Dynastie an, so bleibt oft neben der hohen Abstraktionsfähigkeit, und der handwerklichen Perfektion, die diese Skulpturen aufweisen, die Frage nach der Funktion und der Bedeutung der Bildwerke. Vieles ist bekannt. Schrieben doch die Ägypter über ihre Lebensweisen und Zusammenhänge. Jahrhunderte lang war diese Bilderschrift nicht mehr lesbar.Dank der Entzifferung der Hieroglyphen (griech. heilige Zeichen) durch Champollion, am Anfang des 19.Jhdt, erlangte die moderne Welt wieder die Kenntnisse der „heiligen Zeichen.“

Vieles ist bekannt, dennoch  blieben Unmengen von Rätseln bisher ungelöst. Die hier geäußerten Gedanken bewegen mich seit langer Zeit. Im Kunstgeschichtsunterricht, den ich seit über 25 Jahren unterrichte, sind mir eine Reihe von Skulpturen stets rätselhafter erschienen als andere. Auf eine möchte ich zu sprechen kommen. Es handelt es sich um die Figur eines Pharao. Die Skulptur befindet sich im Grab des Pharaos, sie steht in der Nische einer Scheintür, dem Betrachter frontal gegenüber. Sie ist in Stein geschlagen, und sie steht auf einem Sockel. Sie schreitet.Die Nische wird durch eine Mauer begrenzt.Exkurs: Die Scheintür ist keine Tür, die einen etwaigen Besucher in die Irre führen sollte. Sie gestattet auch keinen physischen Durchgang, da sie im hinteren Bereich durch eine Mauer verschlossen ist. Sie war gedacht, dem Kaa des Pharaos einen Durchgang zu den Göttern zu ermöglichen. Das Kaa wäre etwa im heutigen Verständnis mit  Seele gleichzusetzen.  Dieser imaginäre Durchgang war für den Altägypter eine gedachte Realität.Der Rahmen der Scheintür ist links und rechts mit Hieroglyphen versehen.Die Bewegung der Skulptur lässt auf ein Verlassen der Türnische schließen: ein Fuß berührt fast den außen abschließenden Sockelbereich, der als Stufe fungiert. 

Der nächste Schritt ließe den Pharao aus der Nische heraustreten.Der Oberkörper erscheint unbewegt.Der Oberkörper hat die Form einer Pyramide, deren Spitze nach unten weist.Die Arme sind parallel zum Oberkörper nach unten, sie folgen senkrecht der aufrechten Körperachse. Sie unterstützen die Gradlinigkeit der Pharaofigur.Der Pharao trägt eine kleine Pyramide vor dem Unterleib. Seine Hände fassen unter die Basis dieser Pyramide, somit ist er in der Lage sie zu halten.Der Pyramidenaufbau zeigt mit der Spitze nach oben, auf den Solarplexus.Verlängert man die Linien dieses Aufbaus gemäß ihrer Richtungen nach links und nach rechts, so treffen diese gedachten Linien auf den Oberkörper, der, wie beschrieben, einen eigenen pyramidenähnlichen Charakter aufweist. Diese Pyramide lässt sich, ohne große Überanstrengung der Phantasie, und mit einem freien Auge, leicht erkennen. Hat man diese Formgebungen im Körper des Pharaos ausgemacht, so sieht man weiterhin, dass der Kreuzungspunkt der Linien genau den Solarplexus durchkreuzt. Im Zusammentreffen der Nervenbahnen, die sich in diesem Bereich befinden, liegt eine für den Menschen wichtige Schaltzentrale. Wie man aus neueren Forschungen der Naturwissenschaft weiß, und der Volksmund weiß es schon lange, hat man quasi ein Bauchgehirn.Dinge schlagen einen auf den Magen, man hat Schmetterlinge im Bauch usw.

 
Ein Kreuzungspunkt, der sowohl das „rein“ körperliche System, als auch das seelische System beeinträchtigen kann. In der Grabkammer, im Pyramideninneren, befinden sich 2 Kanäle, die links und rechts in einem Winkel von etwa 45° aus der Kammer heraus, nach außen zum Pyramidenrand führen. Vermutlich wiesen diese Kanäle zur Bauzeit der Pyramide auf den Orion, wie sich aus Computermodellen berechnen lässt. Die Bedeutung des Orion für die ägyptische Religion weiter zu erläutert, würde hier den Rahmen sprengen.Von der Grabkammer führt ein Gang nach unten. Die Außengestaltung der Pyramide umgibt den Aufbau wie eine Beckenkonfiguration.

EINE WEITERE THESE: Es wäre denkbar, dass die Pyramide nicht nur einen symbolhaften, überdimensionierten Grabhügel abbilden sollte, sondern dass die Gestaltung zusätzlich eine Repräsentation des weiblichen Beckens darstellte. Die alten Ägypter hatten anhand der Einbalsamierungen, die ein vollständiges Entfernen der inneren Organe notwendig machte, hervorragende Kenntnisse des menschlichen Körpers. Insofern könnten die Kanäle, die je nach Sichtweise entweder in die Grabkammer hinein- oder aber hinausführen, die Eileiter symbolisieren. Die Grabkammer wäre dann der Uterus, aus dem das Kaa des Pharao wiedergeboren zu den Göttern geht. Das weibliche Prinzip wurde in Ägypten nicht nur anerkannt, sondern geehrt. Die Frau war im alten Ägypten dem Mann rechtlich relativ gleichgestellt, die Weisheit wurde durch die kuhköpfige Göttin der Fruchtbarkeit Hator repräsentiert. Sie, Hator, gebiert den Horusfalken, der zum Pharao fliegt, sich an dessen Hinterkopf setzt, um ihn dann die Weisheit einzugeben. Im alten Griechenland finden sich noch Erinnerungen an die Weisheit der Frau, aber die Wertschätzung im Allgemeinen ist nicht mehr gegeben, nur noch im Besonderen, denke man an das Orakel von Delphi.

 
Im Christentum stellt das Blut des Gekreuzigten die geistige Wiedergeburt dar. Nachvollziehbar ist dies an den Bildern des „Heiligen Blutenden Herzens“, in ihnen wird der Einschnitt, der die Öffnung des Leibes symbolisiert, ikonographisch gefordert. Umso erstaunlicher, das sich die Degradierung des Weiblichen in der Institution Christentum so vehement Platz greifen konnte. Anhand der letztgenannten These vereint sich in der Kunst, in dieser Darstellung, das weibliche und das männliche Prinzip in einer Person. Beide Prinzipien stehen gleichberechtigt nebeneinander, benötigen einander. Aus der vom Pharao getragenen, physischen Pyramide setzt sich eine gedachte, geistige Pyramide über den Solarplexus nach oben hin in den Kosmos fort. Nachvollziehen kann man bei der Außenbetrachtung einer Pyramide: Der Ort der stärksten Spannung befindet sich an der Spitze der Pyramide. So wie an der beschriebenen Skulptur lässt sich leicht die Pyramide über die physischen Grenzen hinaus verlängern. An sich sagt diese Darstellung nichts anderes aus, als die moderne Kosmologie: Wir sind alle aus den Sternen geboren und werden dort wieder hin zurückkehren. Als was auch immer und als ein Teil des Ganzen, das wir immer waren und sind. 
 

 
P.S. Entsprechendes Bildmaterial und eventuell weitere Erläuterung der Thesen kann ich bei Nachfrage liefern.

T. Wiese - Gastautoren, Philosophisches - 05. April 2012 - 00:02
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