Das Märchen vom braven Stadtrat
In den Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat, lebte einst ein Stadtrat. Er war beliebt bei seinen Untertanen, weil er sich nicht für etwas Besseres hielt. Er setzte sich für seine Bürger ein, fragte sie immer und immer wieder nach ihren Wünschen und Bedürfnissen.
Er hörte aufmerksam zu, wenn er gefragt wurde, antwortete ausführlich und ehrlich. Der Stadtrat war ständig in seinem Bezirk unterwegs, um sich selber ein genaues Bild vor Ort machen zu können, so dass er schon ganz ausgetretene Schuhe hatte.
Und wenn er mal zu Einwohnerversammlungen einlud, dann sorgte er höchst persönlich dafür, dass Sprecher seines Volkes die besten Mikrofone erhielten, auf dass er ihre Argumente auch alle gut verstehen konnte.
Wenn es sein musste, kämpfte er energisch durch alle Instanzen für die Interessen seiner Schutzbefohlenen, trotzte mutig fiesen Pfeffersäcken, wehrte unmoralische Begehrlichkeiten ab. Er ließ sich nicht allein durch große Zahlen beeindrucken, sondern suchte immerfort die allerbeste Lösung.
Oftmals machte er sich so viele Sorgen um die Rechte und Angelegenheiten seiner Einwohner, dass ihm an den Seiten seines Kopfes bereits großflächig die Haare ausfielen, was ihm aber nichts ausmachte.
Der Stadtrat freute sich, wenn Senioren nicht nur noch vor der Glotze saßen, sondern auch auf ihre alten Tage Lust zur Gartenarbeit hatten, so ihre Gesundheit verbesserten, ihre Lebenszeit verlängerten.
Er bekam glänzende Augen, wenn er Kinder beim Entdecken der Natur zusehen konnte, wenn sie erstmals in ihrem Leben Igel beobachteten, Meisen aus der Hand fütterten oder eigene Beete bepflanzten.
Er sorgte sich persönlich und mit Vehemenz für den Erhalt von Arealen, die für das Klima seiner Stadt wichtig waren, kümmerte sich auch um den kleinsten Lebensraum selbst kleinster Tierchen, weil er wusste, wie wichtig das alles war - und bald noch wichtiger werden würde.
Er war stets bemüht, die Wahrheit zu sagen, betrieb nie linke Spielchen. Er hütete in kleinen wie in großen Angelegenheiten eisern das Prinzip der Demokratie. Und sein Wort vor einer Wahl hatte auch in den Monaten danach noch Gültigkeit. Er wollte sich stets an seinen eigenen Aussagen messen lassen.
Von so einem braven und tüchtigen Stadtrat habt Ihr noch nie gehört, liebe Leute? Wenn er nicht mehr lebt, dann muss er wohl gestorben sein…
Holger J. - Gastautoren, Satire - 01. Februar 2013 - 00:04
Tags: bezirksamt/kleingartenkolonie/kleingärten/laubenkolonie/stadtrat/wohnen/wohnungsbau
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Ja, die Erde ist eine Scheibe….