Ins alte Westberlin
Der Name ist geblieben, der Ort hat gewechselt. Vor einigen Jahren verlegte die „Galerie am Savignyplatz“ ihre Räume in den Kiez am Klausenerplatz. Hervorgegangen aus der Studentenbewegung 1967ff, zeigt die Galerie zeitgenössische gegenständliche Kunst. Am Freitag, den 18. Oktober fand die Vernissage statt zur Ausstellung „Lars GUSTAFSSON – Nina WEITZNER // Holz und Papier // Skulptur und Radierung“. Die beiden Kunstschaffenden waren anwesend.
Die Gegend rund um den Savignyplatz war zu Mauerzeiten das Epizentrum
von Kunst und Kultur des alten Westberlin, eine kreativ-alternative
Szene gedieh in Rufweite des Bahnhof Zoo. Zwar existieren Lokale wie der
Diener Tattersall und die Paris Par sowie Geschäfte wie der Bücherbogen
und die Autorenbuchhandlung weiterhin, die Gegend hat sich mit den
Jahren allerdings gründlich gewandelt. Nach dem Mauerfall verlagerte
sich das Galeriegeschäft sukzessive Richtung Mitte, Charlottenburg
geriet in den Schlagschatten der Gesamtberliner Dynamik. Mit Beginn des
neuen Jahrtausends schlug das Pendel zurück, heute ist das Quartier chic
und arriviert, mit hohen Mieten und einer nicht zu übersehenden
Monostruktur des distinktiven Konsums. Gründe genug für einen Umzug.
Der
alte Arbeiterkiez am Klausenerplatz ist ebenfalls tradiertes
Westberlin, so gesehen wird die Kontinuität gewahrt. In den 1970er
Jahren wurde das Areal zwischen Schloss Charlottenburg und Lietzensee
Schauplatz der später so genannten behutsamen Stadterneuerung. Der
verwitterte und kriegsbeschädigte Altbaubestand aus der Gründerzeit
wurde nicht wie andernorts abgerissen, sondern mit isolierenden
Fenstern, Bädern, Zentralheizung und dämmenden Fassaden modernisiert.
Bis heute hat sich eine bunte wie verträgliche Mischung aus Wohnen,
Gewerbe und Kultur am Klausenerplatz erhalten. Die Räume der „Galerie am
Savignyplatz“ liegen in unmittelbarer Nachbarschaft eines
Sozialkaufhauses der Stadtmission, einer Moschee und einem
interkulturellen Begegnungszentrum. Um die Ecke backt ein Biobäcker das
beste Brot der Stadt, eine Straße weiter eröffnet just in dieser Woche
ein Biosupermarkt, eine kleine Buchhandlung versorgt die Anwohnenden mit
guten und überraschenden Büchern. Zwar hat der Latte-Chichi vom
Prenzlauer Berg diesen Winkel Charlottenburgs noch nicht erreicht,
allerdings weckt das autoverkehrsverlangsamte Idyll die Begehrlichkeiten
der grünen Bourgeoisie. Auch hier in den mit Platanen gesäumten Straßen
ziehen die Mieten an, wenn auch gebremst durch einen hohen
Wohnungsbestand in öffentlicher Hand.
Eine gute Wahl des
Galeriebetreibers, seine Geschäfte in den alten Heinrich-Zille-Kiez zu
verlegen; gibt Kunst doch immer auch Antworten auf die sozialen und
politischen Fragen des Lebens. Entlang der Schloßstraße bestellen zudem
die Villa Oppenheim, das Bröhan-Museum, die Sammlung Berggruen und die
Sammlung Scharf-Gerstenberg die Felder der Malerei, des Designs und der
lokalen Geschichte. Ein echtes Bonbon wurde anlässlich der aktuellen
Ausstellung der „Galerie am Savignyplatz“ geboten: Am Sonntag, den 20.
Oktober las Lars Gustafsson Gedichte. Der schwedische Schriftsteller,
Jahrgang 1936, ist seit Jahrzehnten regelmäßig in Berlin zu Gast. Der
Autor, der mit Büchern wie „Herr Gustafsson persönlich“ oder „Der Tod
eines Bienenzüchters“ bekannt wurde und immer wieder mal als dark horse
im Rennen um den Literaturnobelpreis gehandelt wird, arbeitet auch als
bildender Künstler. Der Beginn seiner Zusammenarbeit mit Nina Weitzner
datiert auf das Jahr 2005.
Galerie am Savignyplatz // Nehringstraße 29 // 14059 Berlin
U-Bahn Sophie-Charlotte-Platz (U2) // S-Bahn Westend (Ring)
http://www.galerie-am-savignyplatz.de/
Der Artikel ist im Original zuerst erschienen bei "geistrecht – Kontexte zum Tag".
Im KiezRadio Klausenerplatz ist ein Interview von Oktober 2009 mit dem Inhaber der "Galerie am Savignyplatz" zu hören.
Die Ausstellung „Lars GUSTAFSSON – Nina WEITZNER // Holz und Papier // Skulptur und Radierung“ wird noch bis zum 19. November 2013 in der Galerie am Savignyplatz gezeigt.
Andrea Bronstering - Gastautoren, Kunst und Kultur - 01. November 2013 - 00:24
Tags: ausstellung/galerie/gentrifizierung
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