Adieu la Republique?
Im April angekündigt, im Oktober noch nicht vollzogen: Der Verkauf der Maison de France am Kurfürstendamm. Die Eigentümerin des Gebäudes ist die französische Republik, aus Kostengründen will sie zahlreiche Immobilien weltweit veräußern und das kulturelle Angebot in den Botschaften zentralisieren. Würde diese Drohung Realität, verlöre Berlin einen weiteren kulturellen Ort der Sonderklasse.
Warum nur wird Kultur immer im Gegensatz zur Ökonomie gesehen? Warum nur ist in Sachen Kultur stets von Subventionen, niemals aber von Investitionen die Rede? Weil der zu erwartende Profit sich nicht in Euro und Cent, sondern in Genuss, Phantasie, Bildung und manchmal sogar Glück messen lässt? Realiter ist die Kultur dem Wirtschaften im Wege, wie sich am wieder im Kommen befindlichen Kurfürstendamm im Berliner Bezirk Charlottenburg ablesen lässt. Die Liste der vom Wind des Wachstums verwehten Kinos am Boulevard und seinen Seitenstraßen ist lang, sie reicht vom Hollywood und der Lupe über das Schlüter und die Kurbel bis zum Gloria und zum Marmorhaus. Die neuen Nutzer der Häuser gehören in aller Regel zu globalen Konsumketten, die die horrenden Mieten vor Ort zu zahlen willens und im Stande sind. Jüngstes mutmaßliches Opfer dieser Entwicklung wird das Cinéma Paris sein, dessen Spielstätte pikanterweise in einem Gebäude der französischen Republik liegt, womit allerdings kein Bestandsschutz verbunden ist.
Dieses schönste Kino der Stadt liegt an der Kreuzung zur Uhlandstraße in der Maison de France, es ist bei seinen zahlreichen Fans für seine Autorenfilme, oft auch im französischen Original, gerühmt. Im selben Gebäude präsentiert das Institut Francais die französische Kultur; hier werden regelmäßig Ausstellungen organisiert, Lesungen, Konzerte und Debatten veranstaltet, Bücher und audiovisuelle Medien zur Ausleihe vorrätig gehalten und natürlich Sprachkurse auf allen Niveaus absolviert. Ein Besuch an dieser ausnehmend schönen Adresse ist wie ein Kurzurlaub im Nachbarland. Das unter Denkmalschutz stehende schlichte Gebäude, 1897 als Mietwohnhaus errichtet, beherbergt seit 1950 Repräsentanzen französischer Kultur und Politik, bis Anfang des Jahrtausends auch das Konsulat. 1983 wurde auf das Haus ein Bombenanschlag verübt, bei dem ein Mensch sein Leben verlor. Die Attentäter kamen aus dem Umfeld des mittlerweile in Frankreich inhaftierten Terroristen Carlos. Nach den Plänen der französischen Regierung sollen die Angebote aus der Maison de France Anfang 2015 ins Gebäude der französischen Botschaft am Pariser Platz verlagert werden; das zur Yorck-Gruppe gehörende Cinéma Paris müsste unter einer neuen Eigentümerin wohl seine Pforten schließen.
Der Betriebsrat des Institut Francais ergibt sich nicht in sein Schicksal, sondern appelliert mit einer Petition an den obersten Diplomaten Frankreichs, Außenminister Laurent Fabius, die Verkaufsentscheidung zurück zu nehmen. Alle Argumente, kultureller, historischer wie wirtschaftlicher Natur, sprechen für den Erhalt der Maison de France, allen Begehrlichkeiten potenzieller neuer Eigentümer zum Trotz. Sicher sind die etwas weiter Richtung Olivaer Platz angesiedelten Luxusmodemarken Chanel, Hermès und Louis Vuitton exzellente Botschafter Frankreichs; Juliette Binoche, Jean-Paul Sartre, Ariane Mnouchkine und Jean-Jacques Sempé, die ideell in der Maison de France wohnen, sind es nicht minder. Gerade am Kurfürstendamm ist der Bedarf an Anwaltskanzleien, plastischen Chirurgen und Nobelboutiquen wahrlich gedeckt. Möge Monsieur Fabius zur selben Einsicht gelangen. Hélas!
http://www.institutfrancais.de/berlin/
http://www.change.org/de/Petitionen/nein-zur-schliessung-des-maison-de-france
Der Artikel ist zuerst erschienen bei "geistrecht – Kontexte zum Tag".
Andrea Bronstering - Gastautoren, Kunst und Kultur - 20. November 2013 - 00:04
Tags: frankreich/kino/kultur/stadtgeschichte
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