Im Ausschuss für Weiterbildung und Kultur zur „Gedenktafelkommission“
Rede, gehalten am 5.2.2014 auf der 27. öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Weiterbildung und Kultur zum Tagesordnungspunkt 5 „Gedenktafelkommission“ (Drucksache 0779/4), nebst Reaktionen der Ausschußmitglieder.
„Sehr geehrte Damen und Herren,
wer von Ihnen war schon einmal als Bürger in der Gedenktafelkommission, um eine Gedenktafel zu veranlassen?“
Keiner meldet sich.
„Ich möchte Sie daher jetzt einmal in die Lage eines solchen Bürgers versetzen, um die fünf Punkte des Antrags verständlich zu machen, und zwar am Beispiel einer geplanten Gedenktafel für einen 17jährigen, Ende April 1945 von der SS ermordeten Deserteur.
Sie reichen also Ihr Anliegen im Juli 2013 bei der Vorsitzenden der Gedenktafelkommission, Frau Stückler, ein. Sie erhalten keine Antwort, wann Ihr Anliegen dort behandelt wird, auch später nie: Ihr Anliegen beginnt in einem schwarzen Loch zu verschwinden. Es ist gut verständlich, wenn Sie jetzt dafür sind, daß Sitzungstermine und Tagesordnung der Gedenktafelkommission veröffentlicht werden.
Sie haben gehört, daß man dort über die von Ihnen gewünschte Gedenktafel gesprochen hat. Also fragen sie bei der Vorsitzenden nach, was beschlossen wurde. Am 1.10.2013 erhalten sie eine kurze, offensichtlich unvollständige Antwort per Email. Sie fragen später im Oktober erneut nach und erhalten bis zum heutigen Tag keine Antwort. Auch zwei Einwohneranfragen [*] helfen nicht: Die Vorsitzende schreibt nur aus dem Eintrag im Internet ab, und überhaupt hat ihre Antwort keinen Bezug zu Ihrer Frage. Bestimmt würden Sie jetzt auch wünschen, daß die Protokolle veröffentlicht werden, wie es in Friedrichshain-Kreuzberg der Fall ist.
Von Anfang an haben Sie die Vorsitzende gebeten, Sie einzuladen, damit Sie Ihr Vorhaben erläutern, Fragen beantworten und sich zu Bedenken äußern können. Die Vorsitzende läßt Ihnen dazu am 22.8.2013 in einer Email mitteilen – und ich bitte Sie, dabei auf die Wortwahl zu achten: «Ihrer Bitte, Sie zur nächsten Gedenktafelkommission einzuladen, wird vorerst nicht entsprochen. Die Gedenktafelkommission wird Ihren Wunsch beraten und bei Bedarf, auf Sie persönlich zurückkommen.» Seit August 2013 und vermutlich noch längere Zeit gab und gibt es offenbar keinen Bedarf, Sie zu hören. Ich kann gut verstehen, daß Sie nicht nur meinen, daß die betreffenden Bürger eingeladen werden sollen, sondern vielmehr müssen. Übrigens ist in den zwei Jahren seit der letzten Wahlnoch kein einziger Bürger eingeladen worden.“
Die Unruhe unter den Ausschußmitgliedern nimmt allmählich zu.
„Auf der Website der Gedenktafelkommission werden die Bürger aufgefordert, «Wünsche und Anregungen» an die Kommission heranzutragen. Das haben Sie im Juli 2013 gemacht, und inzwischen ist Ihre Anregung gänzlich im schwarzen Loch verschwunden. Da und dort hören Sie aber bruchstückhaft, daß es einen Beschluß vom September 2013 gibt, sich erst einmal einen Überblick über Gedenktafeln und -orte im Bezirk zu verschaffen. Der Auftrag ging an die Leiterin des Kunstamtes, Frau von der Lieth, selbst Mitglied der Gedenktafelkommission. Bis zur letzten Sitzung der Kommission am 30.1.2014 hat sie praktisch nichts dafür getan. Und es sieht so aus, als ob es noch bis zum Sommer dauern werde. Das überrascht Sie nicht, denn Sie warten auch schon seit über zwei Monaten auf eine Antwort von ihr auf Ihre Bitte, Ihre Suche nach Zeitzeugen auch auf der Internetseite des Museums zu veröffentlichen. Auch Stadträtin König hatte ganze zwei Monate lang keine Zeit, die neben ihr sitzende Frau von der Lieth mal anzuweisen, auf Ihre Bitte hin wenigstens zu antworten; sie hatte nur Zeit, Ihnen zweimal mitzuteilen, daß Sie sich noch gedulden sollen.“
Die Unruhe ist stark gewachsen. Die stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der Grünen Partei unterbricht eigenmächtig den Redner und meint, er habe nun lange genug gesprochen. Es sei schon spät und noch einiges auf der Tagesordnung. Die Vorsitzende erlaubt zunächst die Fortsetzung der Rede.
„Im übrigen hat die Gedenktafelkommission im September 2013 diesen Beschluß gefaßt, obwohl alle Mitgliedern der Gedenktafelkommission schon zweimal von Ihnen den Hinweis auf die zwei längst existenten Listen des Bezirksamtes und der Gedenkstätte deutscher Widerstand erhalten haben und weshalb alle Mitglieder der Gedenktafelkommission auch definitiv wissen: Es gibt in den Straßen des Bezirks keinerlei Gedenktafel für ermordete Deserteure! Sie haben jetzt vermutlich stark den Eindruck, daß das Ganze reine Verzögerungstaktik ist, und werden die Öffentlichkeit der Sitzungen fordern, damit endlich offen diskutiert werden kann, warum einigen Mitgliedern der Kommission die Ehrung des jugendlichen Deserteurs mißfällt.“
Ein Bürgerdeputierter der SPD hebt beide Hände, um einen Antrag auf Entzug des Rederechts zu stellen. Jemand auf der Seite der Zählgemeinschaft meint es gut mit dem Redner und warnt: „Sie schaden nur Ihrem Anliegen, wenn Sie jetzt nicht Schluß machen!“ Es gelingt dem Redner in die allgemeine Unruhe hinein noch zu sagen:
Sie hätten bestimmt, wenn Sie normale Bürger wären und ein Ihnen wichtiges Anliegen hätten, jetzt auch ein Gefühl der Nichtachtung oder gar der Mißachtung sowohl Ihrer selbst als auch des ermordeten Deserteurs.
Die Verordneten entziehen dem Redner durch ihr Lärmen endgültig das Wort. Es gibt keine Aussprache über seine Rede. Nachdem Frau Stückler noch sagen darf, daß der Redner verschiedenes falsch dargestellt habe, kommt es zur Abstimmung: Mit 12 Stimmen bei einer Gegenstimme wird beschlossen, daß fürderhin „Sitzungstermin und Tagesordnung der Gedenktafelkommission auf den entsprechenden Seiten des Bezirkes veröffentlicht werden“.
Der Redner hatte noch sagen wollen:
„Wahrscheinlich hätten auch Sie als normale Bürger diese Rede hier gehalten, auch wenn von Ihnen als Politiker die weitere Nichtöffentlichkeit der Gedenktafelkommission schon längst beschlossen ist. Ihr Nein hat jedoch nichts mit uns Bürgern und unseren Erfahrungen zu tun. Ihr Nein ermöglicht nur weiterhin das mißachtende Verhalten, das ich eben beschrieben habe.“
MichaelR
[*] Oktober 2013: 4. Einwohnerfrage; November 2013: 1. Einwohnerfrage
Anhang: Brief an die Mitglieder der Gedenktafelkommission, 6.2.2014:
Sehr geehrte Mitglieder der Gedenktafelkommission,
nun ist also allgemein bekannt, daß der Forschungsauftrag vom September 2013 für die von mir initiierte Gedenktafel unnötig ist und ebenso das Warten auf ein Ergebnis, weil es bereits zwei umfassende Listen beim Bezirk und bei der Gedenkstätte deutscher Widerstand gibt, die Sie alle allerspätestens kennen, seitdem ich Sie zweimal schriftlich darauf hingewiesen habe, weswegen Sie jetzt auch schon längst wissen: Es gibt keine derartige Gedenktafel in den Straßen des Bezirks! Deshalb beantrage ich, die von mir vorgeschlagene Gedenktafel auf die Tagesordnung Ihrer nächsten Sitzung am 24. März zu setzen und mich dazu einzuladen. Ich möchte zu diesem Termin außerdem einen weiteren Historiker der Gedenkstätte deutscher Widerstand als Begleiter mitbringen.
Ich bitte Sie, da ich als einfacher Bürger gewiß diesen Antrag nicht selbst stellen kann, daß Mitglieder der Kommission ihn übernehmen. Das von mir vorgeschlagene Vorgehen hätte für die Gedenktafelkommission den Vorteil, daß sich nicht erst der Eindruck verfestigt, der Beschluß vom September 2013 sei Teil einer Verzögerungstaktik. Außerdem wäre dann auch die Möglichkeit gegeben, daß betreffende Kommissionsmitglieder endlich einmal offen diskutieren, warum ihnen die ferne Gedenkstätte am Murellenberg ausreicht und welche Rolle es spielt, daß der ermordete 17jährige eine Jacke der Waffen-SS trug, und wie groß die Gefahr ist, daß es zu viele Gedenktafeln für ermordete Deserteure im Bezirk geben wird.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie noch auf den Mitgliederbrief 70 des Aktiven Museums hinweisen sowie auf einen Artikel in der Ausgabe Wilmersdorf der Berliner Woche vom 4. Februar 2014. Und es freut mich, zu hören, daß die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz im Januar mit einem Schreiben an Sie mein Anliegen unterstützt hat.
In der Hoffnung auf eine Antwort und mit freundlichen Grüßen
M.R.
Antwort der Vorsitzenden
Noch am selben Tag antwortete die Vorsitzende (allerdings als Vorsteherin der BVV) und beharrte auf dem von ihr und der Kunstamtleiterin eingeschlagenen Kurs der Verzögerung. Danach soll es, wenn es nach diesen beiden Mitgliedern geht, "vor der Sommerpause" in der Gedenktafelkommission keine öffentliche und offene Diskussion über diese Gedenktafel geben.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 07. Februar 2014 - 00:02
Tags: gedenken/gedenktafel/kriegsende/nationalsozialismus
vier Kommentare
Nr. 2, maho, 08.02.2014 - 18:45 Die “Oeynhausener” haben zur Bürgerbeteiligung im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf berichtet: “.... Die Bezirksverordneten haben in der Januar BVV entschieden, dass die Regelungen zu den Einwohnerfragen geändert werden. Die Frist zur Einreichung wurde verlängert und beträgt nun 10 anstatt bisher nur 3 Tage. Für die nächste BVV am 20.02.2014 läuft sie deshalb am Dienstag, den 11.02.2014 um 8:00 Uhr ab. Details und Verfahrenserläuterungen findet man auf der entsprechenden Seite des Bezirksamts. ....” http://www.kleingaertnerverein-oeynhause.. |
Nr. 3, neu, 09.02.2014 - 11:22 Hier weitere beiträge vom “Schlosser-Blog” zum thema bürgerbeteiligung: http://sigiberlin.de/archives/572 http://sigiberlin.de/archives/category/b.. |
Nr. 4, neu, 10.02.2014 - 10:47 Berliner Woche zur Gedenktafel: http://www.berliner-woche.de/nachrichten.. |
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Bürgerdemokratie: keine thema für die altparteien im bezirk !!!
(es geht weiter zum selbigen, nur am anderen ort, zur anderen zeit)
hierzu die kommentare auf dem “schlosser-blog”:
http://sigiberlin.de/archives/617