Straßen und Plätze: Die „andere Fauna“
Straßen und Plätze – das sind natürlich auch Tunnel und Verkehrsinseln. Und erst recht die Gebäude beiderseits der Straße. Aber es sind auch die Dinge, die zur Verschönerung dienen, z.B. Skulpturen. Um solche geht es hier, und zwar um die städtische Tierwelt aus Metall oder Stein, eben die „andere Fauna“.
Vor dem Seniorenheim in der Pestalozzistraße 91 steht ein Gepard, 3,20 m lang und über 1 m hoch. Hans Joachim Ihle (1919-1997) schuf ihn 1972 aus Bronze. Es war sein dritter Gepard nach dem vor dem Schwesternwohnheim in der Tempelhofer Götzstraße 20a (1963) und dem im Hotel Grunewald in Nikolassee (1968; seit 2006 verschollen).
Daß Geparde die schnellsten Landtiere sind, weiß jeder, und diese Eigenschaft betont der Bildhauer hier, indem er die langen Läufe, die erst die hohe Geschwindigkeit ermöglichen, noch verlängert hat.
Hans Joachim Ihle studierte bei Richard Scheibe und wurde bekannt durch seine Tierplastiken. 1951 – sogar ein Jahr vor seinem Lehrer – erhielt er den Berliner Kunstpreis in der Sparte Bildende Kunst. Von den 50er bis in die 70er Jahre wohnte er in der Homburger Straße 2, wo keine Gedenktafel an ihn erinnert.
An der südlichen Grenze von Schmargendorf befindet sich der Platz am wilden Eber. Auf seiner Mittelinsel steht die Bronzeplastik eines anscheinend streitlustigen Vertreters dieser Gattung. In der Ortschronik des Bezirks ist nachzulesen, an welches Ereignis der Eber die Vorbeifahrenden und Spaziergänger erinnern soll. Damals, genauer gesagt 1885, war das Gebiet noch direkt am Rande des Grunewald gelegen und für Wochenendausflügler aus der Stadt ein idyllisches Ziel. Eines Tages hat ein wilder Eber die Gäste des Gartenrestaurants Zur Waldschänke erschreckt – oder war es umgekehrt? – und wurde von dem Wirt kaltblütig erschossen. Sein Gasthaus nannte er nun Zum Wilden Eber – eine sicher recht werbewirksame Aktion. Ein Eber-Standbild kam etwas später hinzu, und als das Gartenrestaurant längst verschwunden war und die zunehmende Bebauung der Gegend den Grunewald immer weiter zurückdrängte, schuf in den 20er Jahren der Bildhauer Paul Gruson (1895-1969) eine Bronzeplastik des Tieres für den nun gleichnamigen Verkehrsplatz.
Die heutige Skulptur ist ein Nachguss aus dem Jahre 1961, da der ursprüngliche Bronze-Eber im Zweiten Weltkrieg das Schicksal so vieler Buntmetall-Plastiken teilte und zu Waffenzwecken eingeschmolzen wurde.
Ein nackter Knabe zieht eine widerstrebende Ziege hinter sich her: das zeigt die Skulptur Knabe mit Ziege (1928) auf der Nordseite des Savignyplatzes gleich doppelt, denn zwei identische Abgüsse in Bronze stehen im Abstand von 10 m einander gegenüber (1985 Wiederstellung des ursprünglichen Zustandes).
Der Bildhauer August Kraus (1868-1934) war Meisterschüler von Reinhold Begas. Ihm verdankte er den Auftrag Wilhelms II., an der Schaffung der Siegesallee im Tiergarten mitzuwirken, mit der die Hohenzollernherrscher verherrlicht werden sollten. Nach 1900 wandelte sich August Kraus zu einem Wegbereiter der Moderne und war mit Heinrich Zille befreundet; aus dieser Zeit stammt die Skulptur. Kurz vor seinem Tod unterzeichnete er eine Loyalitätserklärung an A. Hitler und wurde kommissarischer Präsident der Preußischen Akademie der Künste. Er ist in einem städtischen Ehrengrab beigesetzt.
In der Rudolstädter Straße 79-81, vor der Polizeidirektion 2 - Abschnitt 26, steht – wie ein Pendant zu den Charlottenburger Skulpturen am Savignyplatz – ein nackter kleiner Knabe und versucht einen Ziegenbock an den Hörnern festzuhalten. Der an der Kunstschule in Breslau bei Robert Härtel ausgebildete Bildhauer Hans Latt (1859-1946) schuf 1918 diese ungefähr 1,20 m hohe Bronzeskulptur ursprünglich für das Warenhaus Wertheim in der Leipziger Straße.
Der Ziegenbock – wie auch der Widder – galt in den meisten frühen indoeuropäischen Kulturen als Sinnbild der Fruchtbarkeit und verkörperte oft die entsprechende Gottheit. Gerade bei den winterlichen Riten zur Feier der wiederkehrenden Fruchtbarkeit der Erde spielte er eine wichtige Rolle. So steht er für den Donnergott Thor, dessen Wagen auch von zwei Ziegenböcken gezogen wird. Ihre Hörner werden häufig als Symbol für Blitz und Gewitter gesehen.
Nach der Christianisierung wurde der Ziegenbock zum Tier des Teufels in dem Versuch, die früheren Götter zu entmachten. Im Volksglauben blieb allerdings viel von der ursprünglichen Bedeutung erhalten. So findet sich in der skandinavischen Julbock-Tradition zu Weihnachten diese Herkunft noch unübersehbar, ebenso im Klapperbock auf Usedom und in der Habergeiß in Süddeutschland und Österreich. Und auch in Berlin sind im ‚Julklapp‘ noch Reste dieser uralten Vorstellungen verborgen.
Am Rande des nördlichen Teils des Lietzensees, dort wo der Aufstieg zur Lietzenseebrücke vom Uferweg abzweigt, stehen zwei Seelöwen mit Vogeltränke von Rosemarie (Romy) Henning aus dem Jahr 1955. Die Plastik ist aus rotem Buntsandstein und 1,10 m hoch.
Von Rosemarie Henning stammen noch weitere Tierkulpturen aus Stein, die in den 50er Jahren entstanden und in Wilmersdorf (Sommerbad am Lochowdamm: Schildkröte, Muschelkalkstein, 1957) und anderen Westberliner Bezirken in Grünanlagen aufgestellt wurden.
Bei der Neugestaltung des Platzes vor der evangelischen Kirche am Hohenzollernplatz im Jahre 1968 wurde der von dem Bildhauer Hans Bautz (1908-1986) geschaffene Delphinbrunnen aufgestellt. Drei spielende Bronze-Delphine auf einem Betonsockel, von denen zwei einen Ring bilden, durch den ein Dritter Delphin hindurchspringt, stehen in einem großen Wasserbecken aus Beton. Die Tiergruppe vermittelt den Eindruck hoher Eleganz, verbunden mit sichtbarer Spielfreude.
Delphine stellen mit ungefähr 40 Arten die größte Familie der Wale und sind in allen Meeren zu Hause. Seit der Antike wird der Delphin mit positiven Attributen besetzt. In der griechischen Mythologie ist er oft der Retter aus der Not, der Helfer und verlässliche Begleiter von Göttern und Halbgöttern. So heißt es, dass der Sonnengott Apollon, auf einer Insel geboren, von einem Delphin an Land gebracht wurde. Im Mittelalter tauchte dieses Tier, aufgrund der ihm zugesprochenen vorteilhaften Eigenschaften, in so manchem Familienwappen auf, und über Jahrhunderte hinweg wurde der jeweilige französische Kronprinz als ‚Dauphin’ betitelt, das französische Wort für Delphin. In Literatur und Film sind Delphine häufig vertreten, ganze Fernsehserien – wie die Serie ‚Flipper’, deren Original von 1964-1967 ausgestrahlt wurde – sind über dieses Tier gedreht worden. Allerdings macht sich auch das Militär verschiedener Länder Delphine zunutze, setzt sie ein zur Minensuche, aber genauso werden sie abgerichtet, um Minen an Schiffen anzubringen.
Katrin Gámez und MichaelR / Fotos MichaelR
Bildquelle:
Bild 2 (Wikipedia) "Berlin-Schmargendorf Wilder Eber (Wild Boar)" / Peter Kuley (CC Creative Commons)
MichaelR - Gastautoren, Geschichte - 23. September 2015 - 00:24
Tags: plätze/skulpturen/stadtgeschichte/straßen
drei Kommentare
Nr. 3, Axel Mauruszat, 22.10.2021 - 19:18 Das was W. Schützler bereits angemerkt hat stimmt. Der Bildhauer der ursprünglichen Skulptur war Ludwig Cauer, wie man in den Berliner Adressbüchern nachlesen kann (z.B. hier rechts unten bei Zehlendorf in der ..) Mir liegt auch eine Ansichtskarte dieser Skulptur von Cauer vor, die 1938 verschickt wurde und das war definitiv nicht die Skulptur, die dort heute dort steht. |
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Pressemitteilung des Tierschutzvereins:
“Seit den 1920er Jahren steht auf dem Platz am Wilden Eber in Berlin-Wilmersdorf die Bronzeplastik eines kampfeslustigen Ebers. Endlich, nach fast 100 Jahren, kommt zum wilden ein zahmer Eber! Denn am 19. September 2015 eröffnet der Tierschutzverein für Berlin (TVB) in Zusammenarbeit mit der Wilmersdorfer Seniorenstiftung seine “Mensch & Tier Begegnungsstätte” an der Lentzeallee.”
http://www.tierschutz-berlin.de/presse/a..
http://www.tierschutz-berlin.de/tierschu..