Seit 500 Jahren von ungebrochener Strahlkraft
Staatlichen Museen zu Berlin zeigen Botticelli
In Berlin befindet sich die größte Sammlung von Werken des genialen Malers der Renaissance Sandro Botticelli, der mit bürgerlichem Namen Alessandro di Mariano Filipepi hieß; Außerhalb Italiens.
Mit jenem Namen sind die beiden einzigen Werke signiert, die sich dem genialen Künstler der Renaissance eindeutig zuschreiben lassen. Mit dem Spitznamen „Botticelli“, was „Fäßchen“ heißt, hat ihn sein Bruder bedacht. In der Ausstellung sind diese beiden Werke erst nach einem Gang durch 500 Jahre Rezeptionsgeschichte der Werke Botticellis zu entdecken. Ob bewußt oder unbewußt, die Konzeption der jüngsten Ausstellung der Staatlichen Museen „The Botticelli Renaissance“ folgt dem Gedanken des erst kürzlich verstorbenen Kunsthistorikers Peter H. Feist, dessen Blick auf die Geschichte stets von der Gegenwart aus erfolgte. So begegnet der Besucher, noch bevor er die Botticelli-Ausstellung betritt, einer modernen in allen Autoläden zum Kauf angepriesenen Felge für Rennautos mit dem Namen „Oz Racing Botticelli Iii“. Die im Zentrum der Speichen eingesetzte Diamantform greift die Gestaltung einer Brosche auf, die eine der drei Grazien in Botticellis Gemälde „Primavera“ (Frühling) trägt. Es ist eines der beiden Hauptwerke Botticellis. Das andere ist „Die Geburt der Venus“. Beide hängen auch heute in den Uffizien von Florenz und können daher nicht in Berlin gezeigt werden, dafür aber Hunderte Arbeiten anderer berühmter Künstler, die sich von diesen Werken haben inspirieren lassen.
Foto: Wecker
Hat der Besucher die Felge und den Einlaß zu den Ausstellungsräumen
passiert, dann strahlt ihm Botticellis 1490 gemalte Venus entgegen. Sie
wird von Mädchenporträts, die wie die Venus dem Meer entsteigen, der
niederländischen Fotografin Rineke Dijkstra eingerahmt. Von hier aus
wird der Besucher immer weiter zurückgeführt: über Andy Warhol, David
LaChapelle, der 2009 eine schwarze Venus vor seiner Fotokamera mit
Kindersoldaten zu dem Bild „Die Vergewaltigung Afrikas“ inszenierte,
über Arnold Böcklin, Jean-Auguste-Dominique Ingres, Edgar Degas, der
auch selbst als Besucher der Uffizien gezeichnet zu sehen ist, bis hin
zu zeitgenössischen Venus-Darstellungen, die junge, göttliche
Florentinerinnen des 15. Jahrhunderts lebendig werden lassen.
und begleitet ihn durch die gesamte Ausstellung
Foto: Wecker
Fotos: Wecker
Es sind verführerisch sinnliche Darstellungen der Frau, die die Zeitgenossen damals so überrascht haben müssen, daß die Wirkung der Bilder bis in unsere Zeit reicht. Selbst der Erfinder der Akademien und des Platonismus Marssilio Ficino vergaß seine Lehre und schrieb 1842 in seiner Theologica Platonica: „Gott wäre ein ungerechter Tyrann, wenn er uns auftragen würde, nach etwas zu streben, was wir niemals erreichen können. Er trägt uns jedoch auf, in jenem Akt nach ihm zu suchen, in der mit seinen Funken das menschliche Verlangen anfacht.“
Hat der Besucher die göttlichen Florentinerinnen bewundert, gelangt er an einen Durchlaß, der ihn in einen rot illuminierten Raum führt. Hier begegnet er Botticelli direkt. Er sieht sich jenen beiden Werke gegenüber, die einzig zweifelsfrei Botticelli zugeordnet werden können: „Die Mystische Geburt“ um 1500 und eine Zeichnung zu Dantes Hölle.
Foto: Wecker
Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet, dessen Höhepunkte am 8. Oktober um 18 Uhr eine szenische Lesung mit Schauspielern des Deutschen Theaters aus Thomas Manns „Fiorenza“ und die Vorträge der Kuratoren der Ausstellung Stefan Weppelmann „Botticelli und die Moderne“ am 5. November sowie am 17. Dezember von Ruben Rebmann „Botticelli und Berlin“ jeweils um 18 Uhr sind. Vor dem Museum befindet sich eine Muschel mit einem Passepartout, worin sich Interessenten als Venus fotografieren lassen können, mutige wahrscheinlich auch nackt. Die Galerie verspricht, solche über die Medien zugestellten Bilder im Vorraum auszustellen.
Die Ausstellung wird in der Gemäldegalerie des Kulturforums am Matthäikirchplatz in Tiergarten gezeigt. Sie ist Dienstag bis Freitag von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr sowie am Wochenende von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 14 Euro.
Die Ausstellung wurde in Kooperation mit dem Victoria and Albert Museum in London erarbeitet. Dort wird sie im Anschluß an die Berliner Präsentation vom 5. März bis zum 3. Juli 2016 in „ganz anderer Inszenierung“ zu sehen sein, verspricht der Leiter der dortigen Gemäldeabteilung Mark Evans.
Frank Wecker
Foto: Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 29. September 2015 - 00:02
Tags: ausstellung/fotografie/malerei/mode/renaissance
zwei Kommentare
Nr. 2, Verena G., 14.08.2018 - 20:24 Ich glaube man kann “Die Geburt der Venus” von Sandro Botticelli nur verstehen, wenn man auch die “kleine Schwester” des Gemäldes kennt. Obwohl das Bild “La Primavera” 4 Jahre vor der Venus fertiggestellt wurde, gilt es vielen als Fortsetzung oder Gegenstück zur Venus. Während letzteres die Ankunft der (nackten) Venus am Rand der Welt zeigt, wird in “Primavera” die blühende Welt um die nun bekleidete mütterliche Figur dargestellt. Es heißt, der Gemäldezyklus soll vermitteln, wie Liebe über Brutalität triumphiert. Anmerkung Aufgrund eines technischen Fehlers wurde der Kommentar nicht richtig gebracht. Wir haben den Originalkommentar jetzt nachträglich eingetragen. Kiez-Web-Team |
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Wem sie gehörte, ward zu hoch beglückt…”