Nachträgliche ersatzweise Würdigung des Klimaschutzmanagements im Ökokiez nach dem ersten Jahr seines Wirkens
Was ist denn da los? Am 1. August war der Klimaschutzmanager sein erstes Jahr im Amt – und das war weder dem Bezirksamt noch dem örtlichen Bürgerverein eine einzige Zeile wert? Keine winzige Pressemitteilung und auch kein Sterbenswörtchen im Herbstheft des Vereins? Und dabei können wir – auch wenn wir nur eine Handvoll eingeweihter Bürger sind – uns noch gut an das jahrelange Ringen um den Ökokiez 2020 erinnern. Zum Beispiel an die denkwürdige offizielle „Informationsveranstaltung zum Ökokiez 2020“ am 29.2.2012, als sich von den 9.000 Ökokiezanwohnern 70 versammelt hatten, um dem zukünftigen Ökokiez seine demokratischen Weihen zu verleihen. Über ihn als solchen abstimmen, das ließen das Bezirksamt und der Bürgerverein zwar vernünftigerweise nicht zu, aber wir Bürger wurden doch immerhin gefragt, welche der geplanten 42 klimaschützenden Maßnahmen wir „sinnvoll“ fänden. Und siehe da: 19 der 70 Anwesenden, also satte 27,1%, fanden die allererste Klimaschutzmaßnahme – die natürlich die Schaffung eines Postens, nämlich den des Klimaschutzmanagers, war – sinnvoll.
Später bekam diesen Posten dann doch nicht eine dem Bezirksamt seit Jahren eng verbundene ökokiezbekannte Persönlichkeit, sondern die Stelle mußte zum unverhohlenen Ärger der damaligen grünen Stadträtin auf Anweisung ihres Fördergeldgebers ausgeschrieben werden, um dem Gesetze zu genügen. Könnte das der Grund dafür sein, daß der derart erwählte Klimaschutzmanager jetzt sogar von seinem geistigen Vater (seiner geistigen Mutter?), ebenjenem Bürgerverein, an seinem Ehrentag verleugnet wurde?
Immerhin hatte er noch im Frühjahr 2015 (S. 3) einen Artikel zum Thema „Klimaschutz im Alltag“ veröffentlichen dürfen – einen Artikel, den er selbstkritisch mit den Worten schloß:
„Manche Leser mögen nun sagen: Das haben wir doch schon vorher gewußt!“
Er hatte damit zwar völlig recht, aber man darf nicht vergessen, daß er nur halbtags beschäftigt ist und wirklich eine Menge Dinge am Halse hat: den „Internationalen Plastiktütenfreien Tag“ begehen (3.7.), vor schönem Wetter warnen (Juni), weitere Ideen entwickeln, sensibilisieren, mit Vorurteilen aufräumen, hochauflösende Klimamodelle erstellen, eine Masterarbeit betreuen, die Schaffung des Horst-Wundt-Platzes klimatologisch begleiten und noch vieles mehr. Es hätte also wirklich einen ganzen Haufen Gründe gegeben, den ersten Jahrestag seiner Einsetzung zu würdigen. Da dies jedoch von berufener Seite unterblieb, soll es wenigstens hier er- und ansatzweise geschehen:
Zwar hat der Klimaschutzmanager diese Idee nicht selbst entwickelt – wie auch sonst keine einzige andere –, aber er hat sie aufgegriffen und am 9.5. in Form von fünf Schildern („Stationen“) in den Ökokiez getragen: das „Street Game K2020“, auch genannt „Klimaagenten-Spiel ‚K2020‘“. Wahrscheinlich hat der eine oder andere Anwohner schon eines dieser Schilder gesehen und sich vielleicht gewundert. Ganz falsch! Beantworten Sie die Frage der fünf Frauen und fünf Männer auf dem BSR-Foto „Willst du mit mir spielen?“ mit einem überzeugten „Ja!“. Und dann werfen Sie nach dem Motto „Man kann im täglichen Leben viel für das Klima im Kiez tun … und dabei auch Spaß haben!“ zum Beispiel in der Seelingstraße einen Mitspieler als Pappbecher in den Papierkorb!
Und noch ein Beispiel: die Kiezbegrünung (eines der großen Ökokiezprojekte, neben der noch in den Kinderschuhen steckenden „‚Schwamm-Stadt‘ – Wasser in den Kiez!“). Gleich viermal wird unter „Weitere Projektinformationen“ auf die Dach- und Fassadenbegrünung und eine ihr gewidmete und vom Klimaschutzmanager betreute Masterarbeit vom Februar dieses Jahres hingewiesen. Was macht es da schon, daß der Master of Science (M.Sc.) in Global Change Management ehrlicherweise in der einleitenden Zusammenfassung (Seite ii) das Fazit zieht,
„dass die Begrünungsmaßnahmen allein und in Kombination sowie unter Berücksichtigung lokaler Stärken und Hemmnisse nur ein sehr geringes bis geringes Klimaschutzpotenzial im Vergleich zu anderen Klimaschutzmaßnahmen aufweisen. Bei einer realistischen Begrünung von zehn Prozent aller potentiellen Flächen und Standorte würden die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 2009 um eineinhalb Prozent reduziert werden“, was „darauf zurückzuführen (ist), dass das Referenzgebiet bereits große Begrünungsbestände im Gesamtberliner Vergleich besitzt.“
Der letzte Halbsatz ist insofern besonders bemerkenswert, da es sich bei dem Referenzgebiet um den Ökokiez handelt. Und über den Ökokiez hatte man schon weit vorher gehört, daß er unter Klimaschutzgesichtspunkten erheblich bevorzugt ist und folglich „in der ProKopf-Emission in t CO2 über 50% unter dem Bundesdurchschnitt liegt“ – kein Wunder bei einem ½ km² großen völlig verkehrsberuhigten Viertel ohne jegliche Industrie! Als das Bezirksamt im Februar 2012 gefragt wurde, ob es das gewußt hätte, teilte es lapidar mit: „Nein“ (Frage 1). Aber obwohl das Bezirksamt (in der Gestalt seiner grünen Klimaschutzstadträtin) seitdem wußte, daß es sich beim Ökokiez um ein weit unterdurchschnittlich belastetes Gebiet handelt, das nicht bevorzugt klimatologisch gerettet werden muß, stellte man dennoch nur wenige Wochen später, Ende März 2012, den Antrag auf Bezuschussung eines Klimaschutzmanagers. Manche werden sich nun fragen, wie das möglich ist und ob denn nicht sachliche Gesichtspunkte bestimmend sein sollten für die Verwendung unserer knappen öffentlichen Gelder. Weit gefehlt! Es ist im Gegenteil doch irgendwie schön, wenn in diesen kalten neoliberalen Zeiten amtlicherseits immer noch nicht die Pflege von Freundschaften (Klientel) ganz aus dem Auge verloren worden ist (Codewort „bürgerschaftliches Engagement“ (4. Einwohnerfrage)).
Das waren zwei Beispiele für die Tätigkeiten des Klimaschutzmanagements . Es ist nur schwer zu verstehen, daß es in den Reihen der Grünen Partei Unzufriedenheit mit ihm gibt, macht es doch eine höchst erfolgreiche Arbeit, die die bisherigen und zukünftigen Kosten von weit über 200.000 € (*) voll rechtfertigt. Wünschen wir ihm also die nötige Kraft, um auch in Zukunft modellhaft tätig werden zu können, denn es gibt noch viel zu tun im Ökokiez, was ohne es sonst unerledigt bliebe – etwa die Vollendung der BücherZelle in der Seelingstraße mit Solarbeleuchtung und Sitzgelegenheiten auf der Gehwegnase (Seite 7). Oder die Austragung des schon länger diskutierten Wettbewerbs „Ältester Kiezkühlschrank“. Und last not least die Schaffung der legendären Kiezeisenbahn (hier, ganz unten) und hier).
MichaelR (Fotos: maho)
(*) Die bisher bekannten Aufwendungen an öffentlichen Mitteln für den Ökokiez betragen 212.511,69 €. Dabei wurde berücksichtigt, daß laut Bezirksamt (Frage 13) das Klimaschutzkonzept nur 82.224 € statt 102.082 € gekostet habe.
In dem Betrag sind schon enthalten die Bezahlung für den Klimaschutzmanager und die Raumkosten (jeweils 2014-2017). Es fehlen jedoch (a) die erheblichen Personalkosten für die im Umweltamt oder an anderer Stelle des Bezirksamts seit 2009 aufgewandte Arbeitsstunden für die Vorbereitung des Antrags auf Förderung des „Klimaschutzkonzepts“ sowie des Antrags auf Förderung des „Klimaschutzmanagers“, die Bearbeitung der verschiedenen „Nachforderungen“ des Projektträgers und eine Vielzahl von Sitzungen und weitere Tätigkeiten wie die Bearbeitung der Bewerbungen um den Posten des Klimaschutzmanagers. Außerdem fehlen (b) alle sonstigen Ausgaben seit dem 29.2.2012.
Bisher wurden vom Bezirksamt Angaben zu (a) wiederholt verweigert, weil man sie angeblich nicht kenne – was bedeuten würde, daß im Umweltamt die Nutzung der Arbeitszeit nicht dokumentiert wird. Die unter (b) genannten Ausgaben werden baldmöglichst per Einwohnerfrage ergänzt.
MichaelR - Gastautoren, Politik - 30. September 2015 - 00:02
Tags: bezirksamt/gentrifizierung/klimaschutz/modernisierung/sanierungsvorhaben/umweltschutz/ökokiez
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Unser Klimaschutzmanager hat aber nun auch wirklich keinen leichten Stand.
Baustadtrat Marc Schulte (SPD) veräppelt das von Beginn an unsinnige “Modellprojekt” noch zusätzlich und beseitigt lieber Grünflächen in den einst entkernten Hinterhöfen mit “Nachverdichtung”.
http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi..
Bezirksbürgermeister Reinhard Naumann (SPD) startet im “ÖkoKiez” viel lieber Oldtimer-Rennen mit Hubraum- und PS-gewaltigen Boliden. Was natürlich verständlich ist, weil es wirklich Spaß und Freude bereitet. Im Alltag wird das Gebiet schließlich täglich mit Abertausenden von überwiegend langweiligen Fahrzeugen passiert.
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Und, nicht vergessen: Unter der Regie des Klimaschutzmanagers wurde bisher immerhin noch kein Mieter aus Ökokiez-Gründen vertrieben.
Die ersten Versuche wurden vor seinem Amtsantritt begonnen und inzwischen efreulicherweise ausgesetzt.
Die landeseigene GEWOBAG betreibt nun vernünftigerweise mit der Umrüstung der Blockheizwerke zu Blockheizkraftwerken (BHKW) ihre eigenen sinnvollen und mieterfreundlicheren Schritte.
http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi..
Wenn er sich jetzt nicht noch von interessierten Kreisen aus Senat, Bezirksamt und Bürgerverein aufhetzen und weiterhin die Finger davon läßt , dann möge er die Kohle einfach einsacken. Ich gönne sie ihm. Die Nummer ist eh gelaufen und keiner von den politisch Verantwortlichen wird zur Vernunft kommen und sich nicht vordringlich um Selbst- und Begünstigtenversorgung, sondern primär um die wirklich dringenden Probleme im Bezirk bemühen – egal, ob es sich dabei um Umweltschutz, Mieterschutz, bezahlbares Wohnen, Bildung (Schulen, Bezirksbibliotheken), Bürgerdienste (Bürgerämter), Gesundheit und soziale Dienste handelt.