Geometrie im flachen Land
Deutsche Oper zeigt „Underline“
Der Motor kommt langsam in Schwung und steigert sich bis zum Stakkato, doch dann begräbt die Maschine ihre Schöpfer unter sich. Da hilft es nicht, daß alles aufs Genaueste berechnet wurde. Nach der Pause bauen die Menschen ihre Welt weiter und verwenden dazu unbeirrt die gleichen Mittel.
In Deville Cohens Musiktheaterstück „Underline“ bringen immer wieder Emotionen und Unwägbarkeiten die mathematisch perfektionierten Abläufe durcheinander. Wenn dies nicht geschehe, wäre das Leben eingeteilt in Dreiecke, Rechtecke, Kreise, Kegel und Kugeln auch zu langweilig. Langeweile läßt jedoch das durchweg junge Ensemble um den New Yorker Künstler Deville Cohen und den mexikanischen Komponisten Hugo Morales nicht aufkommen. Sie sind mit dieser Produktion, der in der Tischlerei der Deutschen Oper der letzte Schliff gegeben wurde, nach München zur Biennale für neues Musiktheater eingeladen worden. Nach der dortigen Uraufführung am 6. Juni können die Berliner diese Inszenierung am 16., 18., 19., 23. und 24 Juni jeweils um 20 Uhr auf der experimentellen Bühne in der Tischlerei sehen.
PVC-Rohre werden von den Darstellern Geometrische Figuren werden
als Musikinstrumente verwandt. zum Maß für den Menschen.
Fotos: Wecker
Das an der Deutschen Oper in Kooperation mit der Universität der Künste
entwickelte Stück ist eine Auftragsarbeit für die Münchener Biennale.
Vorlage ist die Novelle „Flächenland“ des britischen Autors Edwin
Abbott, der damit Ende des 19. Jahrhunderts die viktorianische
Gesellschaft mit ihren Hierarchien und das Zeitalter der
Industrialisierung karikierte. Mit sozialkritischen Zügen machte er
damals die Illusion lächerlich, eine mechanisch funktionierende
Gesellschaftshierarchie zu etablieren und das Leben mit perfekter
Technik beherrschen zu wollen. Obwohl die Wissenschaft seither ungeheure
Fortschritte gemacht hat und die Maschinen um vieles virtuoser geworden
sind, scheinen die jungen Künstler zu bezweifeln, daß eine Neuauflage
des Vorhabens, die Gesellschaft nach den Gesetzen der Natur und der
Vernunft beherrschen zu wollen, gelingen könnte.
Der Mensch muß sich in die geometrisch Wie ein graphischer Bilderbogen ist
konstruierte Welt einpassen. die Inszenierung aufgebaut.
Die Schöpfer werden von ihren Nach dem Bau der Maschinen wird versucht,
Geschöpfen überwältigt. den Menschen selbst umzubauen.
Fotos: Wecker
Deville Cohen hat sich in den USA und seiner israelischen Heimat als bildender Künstler einen Namen gemacht. „Underline“ ist seine erste Arbeit für das Theater. Der Zugang verleugnet die Herkunft nicht. Seine Darsteller sind angehalten, aus geometrischen Grundelementen Skulpturen zu erschaffen, in die Filme, der menschliche Körper und schließlich auch Musikinstrumente einbezogen werden. Mit Ausnahme einer Violine sind dies Gegenstände des Alltags. Dominierender Klangkörper sind Plastrohre. Es spielen aber auch ein Fenster und Kellerluken, die bei Berührung Töne von sich geben. Letztere bestimmen im zweiten Teil den Rhythmus der Arbeit. Einen Teil der Instrumente wie die Zuckerwattemaschinen und die PVC-Rohre hat Hugo Morales für diese Produktion erfunden. Die Darsteller werden ausgestattet mit Kontaktmikrophonen und druckempfindlichen Sensoren zu Musikern wie auch die Musiker Mitwirkende im Bühnengeschehen sind.
Karten zu 20 Euro, ermäßigt 10 Euro, können im Internet unter www.deutscheoperberlin.de/de_DE/repertoire/1045680# vorbestellt werden.
FW
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 04. Juni 2016 - 00:28
Tags: musiktheater/oper/theater
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