Die friedvollen Gärtner
Geschändeter Park verwächst seine Wunden
Nicht nur im „heißen Krieg“ werden unwiederbringliche Kulturgüter zerstört, sondern auch im „kalten Krieg“. Davon zeugt bis zum 13. November eine Ausstellung im Schloß Sacrow an der Krampnitzer Straße 33 in 14469 Potsdam.
Zerstört wurden hier etwa 30 Hektar eines Landschaftsparkes, der sich im früheren Grenzgebiet entlang der Havel zwischen Potsdam und Berlin, der Heilandskirche und dem Schloß Sacrow hinzieht. Es ist die zwischen der Havel und dem Sacrower See gelegene Halbinsel, von der aus sich vom Schloß Sacrow eine Landzunge in die Havel erstreckt. Dies ist eine Perle der Natur, die sich mit Sichtachsen auf die von Peter Lenne gestalteten Landschaften jenseits der Havel mit Pfaueninsel und dem Glienicker Park öffnet. An der Rückgewinnung der Sacrower Landschaftsgestaltung hat der frühere Gartenbaudirektor der Stiftung Schlösser und Gärten Prof. Michael Seiler entscheidenden Anteil. Während der Mauerzeit waren Schloß und Park nicht zugänglich. Ihre Schönheit wurden vornehmlich von Hunden und deren Ausbildern genossen, denn in dieser Abgeschiedenheit bildete der Zoll der DDR seine Suchhunde aus. In den unteren Ausstellungsräumen des Schlosses ist ein Kamin erhalten. Darüber hat gewöhnlich ein Bild des Ahnherren des Besitzergeschlechts seinen Ehrenplatz. In Schloß Sacrow prangte dort jedoch nach Auszug des Zolls das Porträt eines Hundes. Der Kamin ist noch erhalten, aber nicht mehr das Ensemble, nur ein Dokumentarfoto zeugt von dieser geschichtsträchtigen Kuriosität. Neben der eindrucksvoll aufbereiteten Darstellung der Wiederherstellung der Landschaft mit wundervollen Aufnahmen des Fotografen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Hans Bach wird den martialischen Grenzanlagen besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Foto: Wecker
Im Unterschied zur innerstädtischen Grenze in Berlin gab es hier seit der Nachkriegsteilung Deutschlands ein Grenzregime. Zunächst war es eine Demarkationslinie zwischen Berlin und der sowjetischen Besatzungszone, die von der Sowjetarmee kontrolliert wurde. Das Regime galt nicht nur an der Grenze Brandenburgs beziehungsweise des Bezirks Potsdam zu Westberlin, sondern bis in die 50er Jahre hinein auch zu Ostberlin. Erst später hatte die DDR-Führung „vergessen“, daß Berlin eigentlich nicht zur DDR gehört. Da streifte bereits die „Deutsche Grenzpolizei“ bewehrt mit Maschinenpistolen durch die Wälder zwischen Potsdam und Westberlin. Fluchten sollten sie wohl kaum verhindern, denn damals konnte man sich noch für 20 Pfennige mit der ostdeutschen S-Bahn von Potsdam nach Wannsee kutschieren lassen. Daß sich hier fast in Sichtweite schlagkräftige Einheiten der US-Streitkräfte und der Sowjetarmee gegenüberlagen, wurde kaum wahrgenommen, obwohl in Potsdam mehr Sowjetsoldaten als Potsdamer zu wohnen schienen. Erst nach dem Mauerbau in Berlin übernahmen in Potsdam wie in Berlin die nunmehr zu einer regulären Teilstreitmacht der Armee (NVA) umfunktionierten Grenztruppen das Regime. Der befestigte Grenzausbau und damit die Zerstörung der Parkkultur erfolgte erst, als die Grenze durch militärische Einheiten der NVA festungsartig ausgebaut wurde. Das ist in der Ausstellung markant in der unteren Etage dokumentiert. In der oberen Etage ist, abgesehen von der Dokumentation der Hundeabrichtung, in einzelnen Kabinetten nachzuerleben, welche Lebenslust Gartenkultur zu evozieren vermag. Diese Restauration der historischen Parkanlage erfolgte ab 1992.
Die Aussicht vom Obergeschoß des
Schlosses Sacrow zur Pfaueninsel.
Die Aussicht vom Untergeschoß des Fotos: Wecker
Schlosses Sacrow zur Pfaueninsel.
Zu der Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm. Auftakt bildete die Dokumentation des RBB „Gärtner führen keine Kriege“, die am 19. Juli 21 Uhr ausgestrahlt wurde. Ausführlich wird über diese Veranstaltungen im Internet unter www.ars-sacrow.de informiert. Der Eintritt beträgt 9 Euro. Die Ausstellung ist von Montag bis Freitag zwischen 11 und 18 Uhr geöffnet.
FW
FW - Gastautoren, Geschichte, Kunst und Kultur - 21. Juli 2016 - 00:02
Tags: park/spsg/stadtgeschichte
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