Die Hugenotten erobern Berlin
Ein Beitrag zum Reformationsjubiläum
„Die Hugenotten“ - die jüngste Premiere in der Deutschen Oper reiht sich in den „Zyklus der bedeutendsten Grand Operas von Giacomo Meyerbeer“, der vor zwei Jahren mit „Dinorah“ begann und im Vorjahr mit „Vasco da Gama“ fortgeführt wurde, ein.
Dem Berliner Komponisten, der in Paris den Höhepunkt seines Schaffens erreichte, fühlt sich das Haus in der Bismarckstraße traditionell verpflichtet. Dennoch scheint diese Produktion inhaltlich eher ein Beitrag zum epochalen Reformationsjubiläum zu sein, dessen Auftakt sich im nächsten Jahr mit dem Thesenanschlag Martin Luthers an der Kirche zu Wittenberg zum 500. Male jährt.
auf der Bühne der Deutschen Oper. Foto: Wecker
Die Lutheraner wurden seinerzeit in Frankreich Hugenotten genannt. In der Bartholomäusnacht wurden allein in Paris etwa 3000 Protestanten gelyncht. In ganz Frankreich fielen dieser religiösen Auseinandersetzung Zehntausende zum Opfer. Die Bartholomäusnacht bildet den historischen Hintergrund Meyerbeers wohl bedeutendster Oper „Die Hugenotten“. Historisch ist die Bartholomäusnacht der erste Versuch, alle Anhänger einer Religionsgemeinschaft physisch auszurotten, wozu sich die Machthaber einer aufgehetzten und fanatisierten Masse bedienten. In diesen Rahmen stellt Giacomo Meyerbeer eine reißerische Liebesgeschichte mit Intrige, Verwechslung und Hinterlist, für die der Meister dieses Fachs, Eugene Scribe, das Libretto schrieb. Den Erfolg der Oper machen aber weder der blutige Hintergrund noch das ausgefeilte Ränkespiel aus, sondern die Musik von Meyerbeer. Sie ist in den Kavantinen und Arien zärtlich und romantisch, voller Effekte in den Koloraturen, die die Leidenschaft steigern, und gewaltig in der dramatischen Wucht bei der Darstellung der blutigen Kämpfe. Es ist eine opulente Musik, die das dramatische Geschehen wirkungsvoll untermalt. Diese theatralischen Effekte fanden einerseits ihre Kritiker und wurden andererseits unter anderem von Hector Berlioz und Richard Wagner fortgeschrieben.
Obwohl Giacomo Meyerbeer in seiner dritten großen Oper „Der Prophet“ das Geschehen wiederum in den Rahmen religiöser Auseinandersetzungen setzt, ging es ihm wohl weniger um Geschichtsdramen sondern vielmehr darum, wie es noch heute für die unzähligen Kriminalgeschichten charakteristisch ist, die handelnden Figuren in einem schauerlichen Rahmen agieren zu lassen. Einzelne historische Figuren machen die Vorgänge auf der Bühne glaubhafter.
Foto: Wecker
Die Inszenierung in der Deutschen Oper verschenkt nicht, die dadurch gegebenen Möglichkeiten, politische Akzente zu setzen. Die Brutalität, mit der sich Reformation und Gegenreformation Bahn brachen, darf der mehrfach mit dem europäischen Chorpreis ausgezeichnete Chor der Deutschen Oper mit aller Wucht aus dem Choral „Eine feste Burg ist unser Gott ...“, der zur Hymne der Reformierten wurde, herleiten. Fürsten schlossen sich nur zu gern der Reformation an, wenn sie denn die reichen katholischen Kirchen und Klöster plündern und die Soldaten die „Papistinnen“ im Namen Gottes vergewaltigen durften:
„Die Klöster brennt alle ab,
Die Mönche verheeret;
Es finde ein schnelles Grab,
Was Luthern nicht ehret!
Zerstreuet wie Staub in Wind das böse Gesind,
Erwürget sie, mordet sie, schlaget sie, brennet sie!
Vernichtet sie, schlaget sie, mordet sie, würget sie!
…
Allons, ihr braven Calvinisten,
Zieht mutig gegen die Papisten!“
Die Stimmgewalt des Chores läßt den langjährigen verdienstvollen Chordirektor William Spaulding kaum missen, der dem Ruf nach Covent Garden gefolgt ist.
Später, als Meyerbeer das gemeinsam durch Preußen und Russen von der napoleonischen Besetzung befreite Berlin besuchte, resümierte er: „Alles ist Musik! Alles ist Theater! Es geht ohne echte Patronen. Oper ist schöner als Krieg.“
die fanatisierten Massen zurückzuhalten. Foto: Wecker
versucht dies mit Valentine (Olesya Golvneva) zu verhindern. Foto: Wecker
Unter der musikalischen Leitung von Michele Mariotti agieren in der Regie von David Alden mit Patrizia Ciofi als Marguerite, Olesya Golovneva als Valentine und Ante Jerkunica Weltstars der Opernszene. Hervorgehoben sei aus diesem hervorragenden Ensemble einzig der Startenor Juan Diego Florez, der die Partie des Edelmanns Raoul von Nangis singt. Dies, weil er, den die Besucher der großen Opernhäuser der Welt bereits kennen, in Berlin erstmals in einer Opernproduktion zu erleben ist. Seine bereits erworbenen Meriten vermag nicht einmal, die Künstlerseite der Deutschen Oper im Internet ausführlich darzulegen.
Die nächsten Vorstellungen sind am 17., 20., 23., 26. und am 29. November.
FW
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 14. November 2016 - 00:24
Tags: hugenotten/komponisten/oper/reformation
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