Deutsch-polnisches Theater feiert Geburtstag
„Lysistrata“ schafft am Salzufer Frieden
Auf dem Spielplan stand das erste Friedensstück der Theatergeschichte: „Lysistrata“ von Aristophanes. Allein für diese Entscheidung in Zeiten der Kriegshysterie und des militärischen Zuschlagens, wo es nur einigermaßen erfolgsversprechend ist, wäre dieses Theater hoch zu preisen. Dafür gibt es aber noch viel mehr Gründe:
Dieses Theater steht wie ein Fels in der Brandung Berliner Kulturpolitik, die schon viele bedeutende Häuser in den Abgrund gerissen hat: Je eine Volksbühne in Ost und West, das Schillertheater, das Hansatheater, die Tribüne und nunmehr auch Komödie und Theater am Kurfürstendamm. In dieses Bild paßt auch, daß nicht ein einziger Vertreter der aktuellen Politik den beiden Gründern dieser Bühne gratuliert hat.
Foto: Wecker
Das sind Janina Szarek und Olav Münzberg. Hierzulande ist letzterer als Schriftsteller, UdK Professor, früherer Vorsitzende des deutschen Schriftstellerverbandes und der Neuen Gesellschaft für Literatur der bekanntere. Janina Szarek stammt aus Polen, wo sie zu den bekanntesten Schauspielern und Regisseuren gehört und mehrfach mit Preisen bedacht wurde. Jüngst fügte sie dem den „Gloria Artis“ und den Kritikerpreis des Internationalen Theaterinstituts hinzu. Die am Salzufer gezeigte Inszenierung „Pfannkuchen, Schweine, Heiligenscheine“ wurde im Ranking eines polnischen Theaterportals zu den weltweit fünf besten polnischen Produktionen gewählt.
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Das Geheimnis dieses Erfolges ist, daß Janina Szarek eine von Jerzy Grotowski entwickelte Schule des Theaterspielens, das „arme Theater“, fortführt, die beginnend Mitte des vorigen Jahrhunderts das gesamte europäische und nordamerikanische Theater beeinflußte.
Mit Janina Szarek hat diese Schule auch Berlin erreicht. Auf dieser Basis hat sie gemeinsam mit Olav Münzberg ein deutsch-polnisches Studiotheater gegründet, das der deutsch-polnischen Schauspielschule „Transform“ zugehörig ist.
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Viele junge Künstler, die in diesen 14 Jahren hier erstmals vor Publikum gespielt haben, sind heute gefragt: Karolina Lodyga hat die Goldene Kamera erhalten, Susu Abdulmajid und Calle Overweg durften sich auf dem Roten Teppich der Berlinale verdienten Beifall abholen und viele weitere Absolventen sind in Film, Fernsehen und Serien in Hauptrollen besetzt worden. Eng verbunden ist diese Bühne auch mit einem der bedeutendsten zeitgenössischen Dramatiker Polens Tadeusz Rozewicz. Mit dessen epochalen Stück „Die weiße Ehe“ wurde das Theater am 28. Februar 2004 eröffnet. Mehrfach weilte der Nobelpreisträger an diesem Haus. Nach dessen Tod gab sich das Theater seinen Namen und heißt jetzt „Teatr Studio Am Salzufer- Tadeusz Rozewicz Bühne Berlin“.
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In der jüngsten Inszenierung „Lysistrata“ ist all das zu erleben, was die Bühne auszeichnet: Junge Schauspieler zelebrieren Theater mit einer Spiellust, die an den großen Häusern längst der Routine gewichen ist. Was den Eleven an Erfahrung fehlt, wird durch eine brillante Regie ausgeglichen, die bis in feinste Detail gearbeitet und wie ein Ballett rhythmisch choreographiert ist. Über allem steht der unverwüstliche Text von Aristophanes, der seit fast zweieinhalbtausend Jahren dem Publikum Spaß und Freude bereitet. Die nächsten Vorstellungen sind am 21. und 28. April, am 19. Mai und am 2. Juni. Karten können telefonisch unter: (030) 324 2341 und per E-Mail unter: contact@teatrstudio.de
vorbestellt werden.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 31. März 2018 - 00:02
Tags: schauspieler/theater
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Lysistrata Die Aufführung ist wirklich sehenswert, und man sollte einen der wenigen Termine – den 28.4., 19.5. und (wahrscheinlich) 2.6. – dafür wahrnehmen.
Das Stück entstand 411 v.u.Z. während des "Peloponnesichen Krieges" zwischen Athen und Sparta (431-404 v.u.Z.), in dem es um Vorherrschaft ging – eine Art griechischer Weltkrieg, in den die Machthaber beider Seiten so nach und nach "hineinschlidderten". Zu der Zeit, als der Athener Aristophanes das Stück schrieb, war seine Heimatstadt bereits in ernsten Schwierigkeiten (und verlor schließlich). Leider hatten die Frauen Athens und Spartas nicht die Empfehlung der Komödie aufgegriffen, so daß nicht die friedensstiftende körperliche Geilheit der kriegsbestimmenden Männer über ihre Kriegsgeilheit siegen konnte.