Himmlische Aussichten in freudloser Zeit
Die Stachelschweine blicken auf uns herabWahrlich, heute gibt es kaum noch etwas zu lachen: Jeden Morgen ist bange zu fragen, herrscht hierzulande noch Frieden, steht das SEK vor der Tür, weil gestern Demo gegen Privatisierung war, hat ein neuer Sprachflitz der 3-Sterne-FeministInnen und -Außen die Medien erobert oder liegt bereits wegen eines Komplimentes die Klage betreffs sexueller Belästigung vor?
Allein das Kabarett „Die Stachelschweine“ zeigt, daß auch in solch trüber Zeit gelacht werden kann. Die Rettung bringt der Blick von oben auf diese Welt. So heißt denn auch das jüngste Programm, für das Klaus-Peter Grap und Thilo Bock verantwortlich zeichnen, „Himmlische Aussichten“, denn die Kabarettisten blicken aus göttlicher Perspektive auf das Publikum im Untergeschoß des Europa-Centers herab. Auf der Bühne stehen Kristin Wolf, Björn Geske und Daniel Kröhnert, die erneut die mit viel Bravour den hohen Ruf des Hauses aufrechterhalten. Schnelles Spiel, paßgenau sitzende Pointen, rasante Szenenfolgen und blitzschnelle Verwandlungen haben sie zu meistern. Diese Leistung verlangte auch solch gestandenem Autor wie Horst Pillau Respekt ab. „Das war brillantes und kurzweiliges Kabarett bester Güte“, sagte er nach der Premiere gegenüber diesem Blog.
Das ist nicht allein der Erfolg der drei Kabarettisten, die heute ein Programm von gleichem Umfang darbieten, wofür vor noch nicht allzulanger Zeit sechs Akteure zur Verfügung standen. Daran haben auch Annabelle Berger und Olga Thomsen einen hohen Anteil. Deren Kunst besteht darin, mit wenigen Akzenten an Kostüm und Maske unverkennbare Charaktere entstehen zu lassen, wie es der Karikaturist mit wenigen Strichen auf dem Papier erreicht. Diese fünf Künstler lassen in wenigen Minuten Minister des Bundeskabinetts über die Bühne gehen, und wenige Augenblicke später folgen denen auch noch am Weltfrieden zündelnde Politiker von Erdogan bis Trump. Geschieht das mittels nur eines pointierten Satzes, so lassen sie sich bei den Größen der deutschen Leitkultur mehr Zeit. Obwohl die Persönlichkeiten Mario Barth, Daniela Katzenberger und Harald Glööckler über nur geringfügig mehr an Substanz als die vorgeführten Politiker verfügen, widmen sich ihnen die drei Darsteller wesentlich tiefgründiger, dies mit bewundernswertem gestischen Einsatz, der allein schon für eine ganze Show tragend sein könnte.
Wer die Absicht hat eine Aufführung zu besuchen, darf einen Abend mit viel Witz und Substanz erwarten, minimalistisches Kabarett auf höchstem Niveau.
Karten ab 21 Euro können unter Tel.: 261 47 95 und im Internet unter www.diestachelschweine.de bestellt werden.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 15. Mai 2018 - 00:02
Tags: kabarett/theater
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