Straßen und Plätze: Mansfelder Straße – stilles Wohnen an denkmalgeschützten Rückseiten
Die Mansfelder Straße ist eine Wohnstraße ohne ein einziges Geschäft. Sie fällt im Stadtplan dadurch auf, daß sie sich ungewohnt anmutig in umgekehrter S-Form von der Mannheimer Straße zur Cicerostraße schwingt – bis kurz nach dem Krieg* sogar noch eine Querstraße weiter bis zur Einmündung der Nestor- in die Seesener Straße. Die Stille der einen Kilometer langen Straße wird nahe ihrer Mitte zweimal lautstark zerschnitten durch die Hauptverkehrsadern Hohenzollerndamm und Konstanzer Straße.
Benannt ist die vormalige Straße 3 seit 1916** nach Mansfeld, einem Ort im östlichen Harzvorland, der bis in die frühe Neuzeit bekannt war durch seinen Kupfer- und Silberbergbau und seit 1996 mit dem tourismusfördernden Zusatz „Lutherstadt“ versehen ist, denn M. Luther verbrachte dort die ersten vierzehn Jahre seines Lebens. Zunächst endete die Straße an der Bielefelder Straße, bis ihr 1930 als westliche Fortsetzung die Straße 50 zugeschlagen wurde.
Ein genauerer Blick auf die Mansfelder Straße überrascht durch die Vielzahl von Baudenkmälern und weiteren bemerkenswerten Gebäuden, an deren Rückseite die Straße zumeist vorbeiführt und die alle auf ihrer rechten Seite liegen, während linker Hand fast durchgängig zweigeschossige Ein- und Mehrfamilienhäuser mit Vorgarten stehen.
Da sind, vom östlichen Ende her, zunächst die Rückseiten dreier nationalsozialistischer Verwaltungsgebäude***: Nr. 2-6: Reichsgetreidestelle, jetzt Bundesbehörden (erbaut 1935-38); Nr. 8-14: Erweiterungsbau der Deutschen Arbeitsfront (DAF) bzw. Hauptquartier der britischen Besatzungsmacht („Lancaster House“, 1945-53) bzw. bis 2014 Rathaus Wilmersdorf (erbaut 1941-43); Nr. 16-18: Haus des Deutschen Versicherungskonzerns, ab 1935 Hauptgebäude der DAF, dann bis 1974 Diskothek Riverboat, heute bezirkliches Dienstgebäude, u.a. genutzt von Bürgeramt, Bauarchiv, Theater Coupé und Kommunaler Galerie (erbaut 1930-35).
Auf der anderen Seite des Hohenzollerndamms folgt gleich an der Ecke mit Nr. 24 (sowie am Hohenzollerndamm): ein Mietwohnhaus und Ledigenwohnheim von Hans Scharoun und Georg Jacobowitz (1929-30). Und jenseits der Konstanzer Straße schließlich Nr. 36: Rückseite der Villa Bab (Harry Rosenthal, 1923-24, mit späteren Umbauten); Nr. 38: rückwärtiger Zugang zur 1962 eingeweihten Kirche**** der Christengemeinschaft Berlin; sowie Nr. 52/54: das südliche Ende eines langgestreckten Wohnblocks der Berliner Straßenbahn GmbH (Jean Krämer, 1929-30), der sich über die Eisenzahnstraße bis in die Westfälische Straße fortsetzt und so das Areal des BVG-Betriebshofes Cicerostraße als östliche Randbebauung umklammert
Und dann ist kurz danach auf Höhe von Nr. 56 die Straße plötzlich zuende. Eine Treppe aus 14 Stufen führt auf einen Hügel zu ihrer Fortsetzung, und eine ganz andere Welt tut sich auf, ganz ohne schmucke Wohnhäuser, ohne Rückseiten geschichtsträchtiger Verwaltungsgebäude und ohne glatten Asphaltbelag. Stattdessen: Kopfsteinpflaster, fehlende Fußwege, dreifach gestapelte Container, Baustellenzufahrt, Unkraut, zugeparkte Straßenränder, Abstellfläche und Garage eines Busunternehmens, eine Autowerkstatt, ein Autohaus, alles vom Hohenzollerndamm her beherrscht vom 95 m hohen Gebäude der Deutschen Rentenversicherung (DRV), mit Parkplatz auf der Rückseite an der Mansfelder Straße. Deren letzte 150 Meter vor der Einmündung in die Cicerostraße: wie ein schmuddeliges Gewerbegebiet am fernen Rande der Stadt, ein städtischer Hinterhof, vergessenes Überbleibsel aus dem vorigen Jahrhundert, inmitten von herausgeputzten Neubauten mit blitzenden Aluminium- oder polierten Glas-Granit-Fassaden. Kaum zu glauben, daß es sowas noch mitten in der Stadt gibt.
Herkunft des Hügels
Der Hügel ist ein Überbleibsel der letzten Eiszeit von vor ungefähr 18.000 Jahren. Er ist Teil der welligen Grundmoränenlandschaft der Teltowhochfläche und besteht in erster Linie aus Sanden verschiedener Körnung. Im Gegensatz zu vielen anderen Stellen im Stadtgebiet, wo größere Höhenunterschiede durch Abtragung oder Auffüllung ausgeglichen wurden, hat man hier den etwa drei Meter hohen Anstieg stehengelassen und durch eine Treppe überbrückt.
Auf der Nordseite des Hügels, hinter den Straßengrundstücken, führt eine sieben Meter hohe baumbestandene Böschung hinab zum BVG-Betriebshof. Dort befindet man sich bereits im Warschau-Berliner Urstromtal. Nach Süden, auf dem RVA-Gelände, ist ein Teil des Hügels abgetragen und die dadurch geschaffene Parkplatzfläche durch eine Stützwand aus Beton gesichert worden.
links Blick auf den BVG-Betriebshof, rechts Stützwand auf dem RVA-Gelände
MichaelR
Herzlichen Dank an Herrn Limberg (Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Landesgeologie) für seine Informationen zur Entstehung des Hügels.
* Vgl. die Karten von 1931 bis 1947 zur Mansfelder Straße in Histomapberlin
** Vgl. hier zur Mansfelder Straße
*** Zur Geschichte des Fehrbelliner Platzes als Zentrum der Verwaltung seit 1920 siehe hier.
**** Siehe hier unter „Kirche der Christengemeinschaft (Berlin)“.
MichaelR - Gastautoren, Geschichte - 16. Juli 2018 - 00:02
Tags: plätze/stadtgeschichte/straßen
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