Die Entdeckung der Nacktheit
Erste Aktausstellung in der Helmut-Newton-StiftungJede Menge Neues gibt es in der jüngsten Ausstellung der Helmut-Newton-Stiftung: „Saul Leiter. David Lynch. Helmut Newton Nudes“ zu entdecken.
Da sind die 25 Motive von David Lynch, die erstmals und exklusiv für diese Ausstellung zusammengestellt und vergrößert worden sind. David Lynch ist vor allem als Regisseur solcher Kultfilme wie „Eraserhead“, „Blue Velvet“ oder „Twin Peaks“ berühmt geworden, aber auch als Maler und, wie jetzt zu sehen ist, als Fotograf ist sein Schaffen bedeutend. Seine Aktaufnahmen sind gleichzeitig mit seinen Filmen entstanden. Sie sind teils ebenso mysteriös, verrucht und voller erotischer Anspielungen, und teils so abstrakt in Details, daß sich erst bei genauerer Betrachtung ein Körperbildnis erschließt. Es sind nur wenige Farbfotos, auf denen aber arbeitet er beeindruckend die Hautfarbe gegen einen schwarzen Hintergrund heraus. Er fixiert das Auge auf einzelne Details wie die Pupille, Lippen, die Nippel der Brüste oder auch Hautporen. Von dort gibt er den Blick auf eine allmählich im Hintergrund verschwimmende Körperlandschaft frei. Erst 2017 waren diese Bilder unter dem Titel „Nudes“ im Verlag der Pariser Fondation Cartier veröffentlicht worden.
Howard Greenberg ist New Yorker Galerist, beiden ist die Entdeckung
und die Bewahrung des Werkes Saul Leiters zu verdanken.
Foto: Wecker
Spät sind auch die Aktfotografien von Saul Leiter veröffentlicht worden. Das ist der Prüderie in den Vereinigten Staaten geschuldet. Als einer der ersten hatte der Galerist Howard Greenberg diese Aufnahmen zu Gesicht bekommen. Anschaulich schilderte er in Berlin wie Saul Leiter völlig verstaubte Schachteln hervorkramte, wo er diese Kostbarkeiten aufbewahrte. Heute sind es etwa 8000 Dias und Negative, die von Margit Erb in der Saul Leiter Stiftung in New York gepflegt werden. Rund 200 davon hängen heute gerahmt an den Wänden der Helmut-Newton-Stiftung, von denen die meisten damit erstmals überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen. Dafür waren sie nicht vorgesehen. Sie entstanden in der Privatsphäre mit Freundinnen und Geliebten des Fotografen. Als Models haben sie sich ganz dem Fotografen und mithin dem Bildbetrachter in Gänze geöffnet und sich gewissermaßen durch die Augen bis in die Seele schauen lassen. Anfang des Jahres erschienen ein Teil dieser Fotos unter dem Titel „In My Room“ im Steidl-Verlag. Auch in „June’s Room“, wo gegenseitige private Aufnahmen von Helmut und June Newton dominieren, wird diese Stimmung aufgenommen. Was heißt schon Privatheit, wenn es sich um die bedeutendsten Fotografen des Jahrhunderts handelt? Sie sind dann doch von solch künstlerischer Intensität, daß sie den Betrachter in ihren Bann ziehen. So war denn auch der erste Kunde, der ein Bild von Saul Leiter kaufte, John Cage. Das bewahrte Saul Leiter nicht vor der Armut. In den ersten Jahren seines Berufslebens hatte er sich mehr schlecht als recht als Maler durchgeschlagen. Seine Situation besserte sich auch nicht, als ihn „Life“ publizierte und er schon im Museum of Modern Art hing. Auch Veröffentlichungen in Harper’s Bazaar, Esquire, Elle undVogue konnten ihn nicht davor bewahren, daß er sein Studio in der 5th Avenue aus finanziellen Gründen aufgeben mußte.
Neben den in der Privatsphäre entstandenen Aktfotos in Schwarz-Weiß, weil er sich nicht traute, farbige Nacktdarstellungen außer Haus zur Entwicklung zu geben, zeigt die Ausstellung Aktfotos, die er mit Gouache und Wasserfarben bemalte und im Stil seiner berühmten Fensterblicke einer Frau auf einer Terrasse mit einer Meereslandschaft im Hintergrund.
Helmut Newton kam von der Mode- zur Aktfotografie. In der Serie „Naked and Dressed“ ist dieser Übergang manifestiert. Die Ausstellung legt gerade auf diesen Bezugspunkt Wert und möchte die ungleiche Entwicklung dreier bedeutender Fotografen, die noch nie zusammen in einer Ausstellung gezeigt wurden, verdeutlichen. Dabei ist erstaunlich, daß aus dem Archiv erneut 40 bisher ungezeigte Arbeiten präsentiert werden können. Neben den bekannten raffinierten Inszenierungen wurde auch der Humor Helmut Newtons entdeck: So wenn ein Model im Versorgungsraum neben Waschmaschinen erscheint, die die Anmutung überdimensionierter Plattenspieler haben, Männermode mit Akten kombiniert wird, oder Malerei von Courbet, Velazquez und Toulouse-Lautrec zitiert wird.
Diese Ausstellung lädt zu Entdeckungen ein, und zugleich ist es die erste Ausstellung in der Geschichte der Helmut-Newton-Stiftung, die sich ausschließlich der Aktfotografie widmet. Die Ausstellung wird bis zum 19. Mai 2019 in der Jebensstraße 2 gezeigt. Der Eintritt beträgt 10 Euro. Die Ausstellung ist außer montags täglich von 11 bis 19 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr geöffnet.
Frank Wecker
* Leiter photos © Saul Leiter Foundation, courtesy Howard Greenberg Gallery
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 04. Dezember 2018 - 00:24
Tags: ausstellung/fotografie/museum
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