Sex sells
Ausstellung zeigt Frau in der WerbungGegenüber dem monumentalen Bau des Auslandsgeheimdienstes befindet sich in der Chaussestraße 36 ein Berliner Gründerzeithaus, worin mit „Women on View. Eine Ästhetik des Begehrens“ eine Ausstellung zu sehen ist, die sich mit der Nutzung abgebildeter Frauen für die Werbung beschäftigt. Das Ganze ist geschichtlich aufgebaut und stellt Arbeiten von Fotografen vor, die in der Werbefotografie Rang und Namen haben.
Über die Werbebranche hinaus gebührt dieser Ausstellung ein Platz in der gegenwärtigen Auseinandersetzung um „Sexismus in der Öffentlichkeit“, was eines der wichtigen aktuellen Kampffelder der Emanzipationsbewegung ist. Diese Ausstellung präsentiert zahlreiche Beispiele, bei denen die erotische Anziehungskraft des weiblichen Körpers in den Dienst der Produktvermarktung gestellt und oftmals mit einer demütigenden und erniedrigenden Darstellung der Frauen verbunden wird. Solche Auswüchse sind in der letzten Abteilung, der sich der Ära der Hyper-Erotisierung der 2000er Jahre widmet, zu sehen. Darunter sind Spots, die wohl in den prüden USA gezeigt werden konnten, aber nicht im EU-Europa. Hier hätten sie wohl zu Recht für einen Aufschrei der Empörung nicht nur unter den „5-Gendersterne-FeministInnen“ gesorgt. Der Aufschrei gegen die Unterwerfung des Menschen unter ihm wesensfremde Normen, wie sie unter der Herrschaft des Kapitals die gesellschaftlichen Verhältnisse prägen, ist nicht allein eine Angelegenheit des Feminismus.
Foto: Wecker
tritt nicht Erscheinung, einzig ein Model schneidet mit einer dafür ersichtlich ungeeigneten
Schere die Audi-Ringe in die in den 30er Jahren üblichen Kraftfahrerhandschuhe.
(courtesy of the artist)
Die Überraschung, die diese Ausstellung offenbart, ist, wie finanziert und angeregt durch Werbung die ästhetische Darstellung der Frauen Eingang in die Alltagswahrnehmung gefunden hat. Das gilt sowohl für die mehr oberflächliche Werbepräsentation, wo die abgebildete Frau nur als Staffage Produkten Glanz verleiht, als auch da, wo sie das beworbene Produkt völlig in den Hintergrund drängt. Bei den wirkungsvollsten Exponaten, tritt das Produkt gar nicht mehr in Erscheinung, und der Betrachter beginnt, im Bild die Werbebotschaft zu suchen. Die zweckgebundene Ästhetik der Werbung erreicht letztlich das Gleiche wie die zweckfreie Ästhetik der reinen Bildkunst: Die Betrachter zur Entdeckung und zur Auseinandersetzung anzuregen. Die Fotografen, die dies auf höchstem Niveau erreicht haben, sind in dieser Ausstellung anzutreffen. Zugleich wird in Form des erotischen Frauenbildnisses Kulturgeschichte von den 80ern bis zur Gegenwart dargestellt. So wie es häufig üblich ist, wenn der Gegenstand der Auseinandersetzung noch historisch nah liegt, werden die einzelnen Entwicklungsabschnitte nach Jahrzehnten gegliedert: So gibt es die Abteilungen: Patriarchalismus und Romantik der 40er und 50er Jahre, Sexappeal und Emanzipation in den 60er und 70er Jahren, die Nacktära und die Moderne der 80er Jahre, den Aufstieg der Supermodels und idealisierte Körper in den 90er Jahren und die bereits erwähnte Hypererotisierung und den sexualisierten Lifestyle seit den 2000er Jahren.
Die Ausstellung wird bis zum 27. April gezeigt. Sie ist Mittwoch bis Sonnabend von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 5 Euro. Weitere Informationen gibt es im Internet unter: www.galerie36berlin.com.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 06. Februar 2019 - 23:52
Tags: ausstellung/fotografie/galerie
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