Fotos wie Aquarelle
Ingelore Willing stellt bei Carlos Hulsch aus„Dem Staunen gewidmet“, so hieß das Motto der Neueröffnung des Revuetheaters „Wintergarten“ in der Potsdamer Straße. Mehr noch als auf dieses berühmte Theater scheint dieses Motto auf die Fotografien von Ingelore Willing zuzutreffen, die sie in ihrer ersten Ausstellung bei Carlos Hulsch im Foyer des Abba Hotels in der Lietzenburger Straße 89 der Öffentlichkeit vorstellt.
Selbst Kunstkenner wie der gestandene Galerist Carlos Hulsch hielten diese Arbeiten zunächst für Aquarelle, obwohl es Fotografien sind. Im Untertitel der Ausstellung „Ab-Art“ heißt der Begriff für diese erstmals gezeigten Arbeiten „fotobasierte Aquarelle“. Dies ist um so verblüffender, da die Künstlerin steif und fest behauptet, die Bilder nicht markant mit computergestützten Bildbearbeitungsprogrammen manipuliert zu haben.
Foto: Wecker
Foto: Wecker
Die Künstlerin verfügt damit über eine einzigartige Technik, die es ihr gestattet, durch fotomechanische Aufnahmen die Lichtzeichnung zu verfremden und in die wenig figürlichen Konturen auch noch Witz hineinzubringen. Vielleicht ist es ihr Geheimnis, Strukturen in den kleinsten Details zu entdecken, die sie dann „groß“ heraushebt. Solches Sehen hatte ihr als Kind der Großvater beigebracht, als sie vom Fenster durch einen Baum in den Himmel blickte. Durch die vom Wind bewegten Blätter, Zweige und Geäst blickte sie zum Mond und zur Sonne, wobei der Baum und die Wolken ihr ganze Geschichten erzählten. Noch erstaunlicher ist, daß sie diesen künstlerischen Zugang aus der Kindheit erst mit dem Eintritt ins Rentenalter aufgenommen hat. In einem Alter, wo andere ihr Lebenswerk für getan halten, beschreitet Ingelore Willing einen völlig neuen Weg. Sie erobert sich einen neuen Wirkungskreis, in dem sie erfolgreicher als je zuvor wirkt. Sie gewann mehrere Fotowettbewerbe und 2015 wurde sie Fotografin des Jahres der Zeitschrift Photographie.
Repro: Wecker
Repro: Wecker
Dieser neue erfolgreiche Lebensabschnitt begann an ihrem 60. Geburtstag. Da bekam sie eine kleine Kamera geschenkt. In Namibia fotografierte sie mit einer professionellen Spiegelreflexkamera. Zurückgekehrt stellte Joachim Rissmann im legendären Hotel Bogota erstmals Ingelore Willing aus. Nach diesem Erfolg ging sie zu den Zehlendorfer Fotofreunden, wo sie ihre eigene originelle Bildsprache entwickelte.
Die Entdeckung der „fotobasierten Aquarelle“ kam nicht von ungefähr. Schon als Jugendliche hat sie gern gemalt. Dieses Interesse verstärkte sich, als sie als Fotografin die Pleinairs von Sooki Koeppel und seinen Schülern begleitete. Viele von ihnen traf sie bei der Vernissage im Abba-Hotel wieder.
Unter dem Titel „Ab-Art“ wurde ebenfalls ein Buch von Ingelore Willing, das von Dietmar Bührer, ihrem Laudator, herausgegeben wurde, veröffentlicht: Willing, Ingelore: AB - ART: Fotografien. 40 Seiten. 21,90 Euro. ISBN: 978-3-86931-552-2.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 20. Mai 2019 - 00:24
Tags: ausstellung/fotografie/galerie
Kein Kommentar
Kein Trackback
Trackback link: