Ein Pfui diesen intoleranten Zu-Fuß-Gehenden! Gehwege sind doch schließlich für alle da!
Eine städtische Verkehrssenatorin hat kürzlich (als es um diese schicken Elektrotretroller ging) behauptet: „Die Bürgersteige sind Schutzräume für Fußgänger°, damit diese sich dort frei und ungefährdet bewegen können.‟ Damit hat sie sich wohl mächtig vergaloppiert, wie die beiden folgenden Zuschriften an die Redaktion zeigen, in der die Not von Radfahrenden beredt zutage tritt bzw. sich gar nicht mehr in Worte fassen lässt:
Ich bin leidenschaftlicher und rücksichtsvoller Radfahrer und benutze widerrechtlich einen Teil des Gehwegs, um zu meiner Wohnung zu gelangen. Dies ist der Einbahnstraße und im weiteren Verlauf dem Kopfsteinpflaster geschuldet. Mahnschilder für ‚rücksichtslose Geisterfahrer' sind bereits in der Straße installiert. Hier hilft nur partnerschaftliches Verhalten oder eventuell ein Fahrradweg.
Die Vorschläge zur Verbesserung der Situation in der Straße sind mir zu restriktiv. Die Situation für die Radfahrer ist auch so schon unmöglich. Mehr kann ich dazu einfach nicht sagen.
Erschüttert saß die gesamte Redaktion vor diesen Zeugnissen radelnden Unglücks. Ganz offenbar stehen beide unter dem totalen Zwang höchst widriger äußerer Lebensumstände: Kopfsteinpflaster! Einbahnstraße! Kein Radweg! Da diese Zwänge einfach zu groß sind, können sie verständlicherweise doch gar nicht anders, als die angeblichen Rechte zum Schutz der untersten Kategorie von Verkehrsteilnehmern situationsgemäß zu interpretieren. Was sollen sie denn sonst auch tun? Denn es ist schließlich ein verbrieftes Menschenrecht, bequem und umwegfrei überall radzufahren (siehe UN-Charta, EMRK usw.).
Aber gottlob gehören die beiden nicht zu diesen abscheulichen Geisterfahrern, weswegen man ja wohl einen Anspruch drauf hat, von den scheinbar in ihren Rechten verletzten Zu-Fuß-Gehenden voll partnerschaftlich behandelt zu werden, oder nicht? Ist doch Rücksichtnahme auf Rücksichtslose ein wesentliches Merkmal unseres Umgangs miteinander; die einzige Ausnahme ist und bleibt natürlich das fehlerhafte Verhalten von Autofahrenden gegenüber Radfahrenden – da kennen wir selbstverständlich kein Pardon. Aber Zu-Fuß-Gehende? Zu-Fuß-Gehende können gegenüber Radfahrenden so verständnislos und intolerant sein, dass es eine wahre Schande ist. Wir leben doch schließlich in einer offenen Gesellschaft mit dem Credo „Anything goes". Verstehen das diese engstirnigen Zeitgenoss*innen zu Fuß denn nicht? Was gibt es da überhaupt noch zu diskutieren? Weg frei den Radfahrenden!
MichaelR
° Die Redaktion schämt sich für diese ungendermäßige Verkürzung der Zu-Fuß-Gehenden auf deren männlichen Anteil durch die grüne Senatorin.
MichaelR - Gastautoren, Satire - 13. Juni 2019 - 23:20
Tags: bürgersteig/gehweg/radweg/verkehr
zwei Kommentare
Kein Trackback
Trackback link:
ich hoffe, dass demnächst auch ein artikel über das rücksichtlose verhalten der kfz nutzer hier vom selben autor erscheinen wird