Skandal in Berlin
Die Vereinigung der XI rüttelte aufGemeinhin gilt in der deutschen Kunstgeschichte die Berliner Sezession als Startpunkt für die Moderne.
Ausgangspunkt waren Anfeindungen gegen Edvard Munch, der vom Verein der Berliner Künstler zu einer Einzelausstellung eingeladen war, die aber auf Betreiben des Direktors der Berliner Kunstakademie nach wenigen Tagen unter wüsten Beschimpfungen von engstirnigen Eiferern wieder abgebaut werden mußte. Vor diesem Hintergrund schlossen sich im Februar 1892 einige Künstler zu einer „freien Vereinigung zur Veranstaltung von künstlerischen Ausstellungen“ zusammen und organisierten an der „Großen Berliner Kunstausstellung“ vorbei ihre erste eigene Kunstausstellung, die am 3. April 1892 eröffnet wurde. Beteiligt waren elf Künstler, von denen Max Liebermann der bekannteste war. Spiritus Rector war jedoch der damals in Berlin noch völlig unbekannte Walter Leistikow. Als Ausstellungsort fanden die Elf eine private Galerie am Standort des heutigen Adlon, die Galerie Schulte im Palais Redern. Das war der modernste Ausstellungsraum in Berlin, der als einziger sogar über elektrisches Licht verfügte.
in dem Walter Leistikow gewidmeten Ausstellungsraum.
Foto: Wecker
Foto: Wecker
Die Gründung einer unabhängigen Künstlergruppe, die ihre eigenen Ausstellungen organisierte, war in Deutschland damals ein bislang noch nicht dagewesener Vorgang. Die Wellen schlugen hoch und die Skandalisierung dieses Vorganges in der Presse trug sehr zum Ruhm der Künstler bei. Die elf trennten sich jedoch noch nicht organisatorisch vom Verein Berliner Künstler und beteiligten sich auch weiterhin an deren jährlich stattfindenden Salons. Zu einem organisatorischen Bruch kam es erst 1898 mit der Gründung der Berliner Sezession, worin die Vereinigung der XI aufging und fürderhin nicht mehr als selbständige Gruppe agierte. Zuvor hatte sie jedoch acht Kunstausstellungen organisiert, womit sie dem Impressionismus und dem Symbolismus in Berlin zum Durchbruch verhalf. Die Geschichte der Gruppe wird mit der derzeitigen Sonderausstellung „Skandal! Mythos! Moderne! Die Vereinigung der XI in Berlin“ im Bröhan-Museum erstmals vorgestellt. Kuratiert wird sie von den Kunsthistorikerinnen Dr. Anna Grosskopf vom Bröhan -Museum und Dr. Sabine Meister, die sich unter anderem um die Kunstsammlung Charlottenburgs verdient gemacht hat. In der Ausstellung sind mehr als 30 Werke zu sehen, die nachweislich auch auf den Ausstellungen der Vereinigung der XI gezeigt worden waren. Zwei dieser Werke stammen direkt aus dem Fundus des Bröhan Museums: Walter Leistikows „Hafen“ mit der ungewöhnlichen Gelb-Grüntonung der Wasserfläche und Martin Brandenburgs „Windsbraut“, die erst jüngst dank einer Schenkung in den Besitz des Bröhan-Museums gelangte. „Die Windsbraut“ zeigt dem Betrachter eine junge Frau, die sich von der unsichtbaren Kraft des Windes getragen mit wehendem blonden Haar über das Land bis zu den Gipfeln der Berge erhebt und zum Riesen wird.
Repro: Wecker
Repro: Wecker
Repro: Wecker
Mit solcherlei Sichtweisen wurde diese Gruppe zum Wegbereiter des Berliner Impressionismus und auch des Symbolismus, die von den Zeitgenossen noch als Mystizismus, Neuidealismus oder poetische Malerei beschrieben wurden. Meilensteine auf diesem Weg waren Leistikows menschenleere Grunewaldlandschaften voller dunkler Ahnungen. „Die Welt will Grunewald von mir“, hatte er erkannt. Neben Leistikow war Ludwig von Hofmann eine treibende Kraft, der mit an seinen Zeitgenossen Frank Wedekind erinnernden Bildern zum Thema „Frühlingserwachen“ vertreten ist. Allein vier der gezeigten Bilder waren auch auf den Ausstellungen der XI zu sehen. Ein entscheidender Schritt erfolgte mit der Aufnahme von Max Klinger in die Gruppe. Seine 1895 ausgestellte Marmorskulptur „Kassandra“ war damals der Höhepunkt der Ausstellungssaison.
Die Ausstellung wird bis zum 15. September gezeigt. Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro. Jeden 1. Mittwoch des Monats ist der Eintritt frei. Zur Ausstellung ist ein hochwertiger Katalog erschienen, der für 23 Euro an der Museumskasse erwoben werden kann. Weitere Angebote und Informationen gibt es im Internet unter: www.broehan-museum.de.
Frank Wecker
FW - Gastautoren, Kunst und Kultur - 03. Juni 2019 - 23:49
Tags: ausstellung/kunstgeschichte/malerei/museum
Kein Kommentar
Kein Trackback
Trackback link: