Vier Jahre Kunstbunker „Artist Homes“
In geheimer Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg wurde schon 1935 – unter dem Tarnnamen „Projekt Trafo“ – hinter dem Haus Hohenzollerndamm 120 mit dem Bau eines unterirdischen, durch eine 1 ½ Meter dicke Betondecke geschützten Bunkers begonnen, der 1937 und somit rechtzeitig vor Kriegsbeginn in Betrieb genommen werden konnte. Es handelte sich um den Befehlsstand der Reserve-Flugmeldekompanie. Oder anders gesagt: von hier gingen im dann kommenden Krieg die Warnungen für die Reichshauptstadt vor anfliegenden alliierten Bomberverbänden raus. Der Bunker lag auf Postgelände, die Militärs gingen als Postangestellte oben ins Haus, stiegen in den Keller, zogen sich um und versahen als Soldaten im Bunker ihren Dienst.
Der Bunker blieb noch lange nach Kriegsende zwar weiterhin vor der Bevölkerung geheim, aber den Westberliner Politikern war er durchaus bekannt, denn sie planten in den 80er Jahren, ihn in Vorbereitung auf den nächsten Krieg zu einem Atombunker umzuwandeln.
Seit vier Jahren ist der Bunker nun für die Öffentlichkeit zugänglich – nicht als Gruselkabinett, sondern als Veranstaltungsort: gleichzeitig Galerie und Konzertsaal, Café und Bücherstand, Übungsraum und Treffpunkt. An der ursprünglichen Raumaufteilung des Bunkers wurde beim Umbau so gut wie nichts verändert, nur einige kleinere Wände entfernt, um einen ausreichend großen Ausstellungsraum zu erhalten, und an verschiedenen Stellen Lüftungsspalten zum Flur hin zugemauert, um sechs abgeschlossene Übungs- und Seminarräume zu schaffen. An manchen Stellen ist noch der gelbe Wandanstrich von damals erhalten, in Raum 25 eine großflächige, restaurierte Wandmalerei und in einer Tür eine gasdichte Fensterblende mit der Kenn-Nummer der Reichsanstalt für Luftschutz. Als Zugang für die Besucher dient nun eine neue Treppe, die auf dem Hof durch den Beton geschnitten wurde.
Konzept
Natürlich ist der Schmargendorfer Hohenzollerndamm meilenweit entfernt von der üblichen Szene in Mitte, Kreuzberg und Friedrichshain. Betreiber Jong Ha Kim sieht das nur als vorübergehendes Problem. Sein Ziel ist, hier eine andere Szene aufbauen und dadurch die Szene insgesamt vielfältiger zu machen. Dabei stehen ihm seine Frau und seine Schwester zur Seite, indem sie neben ihren Berufen die Schreibarbeiten erledigen beziehungsweise hinter der Theke stehen.
Sein Konzept: jeden Monat eine neue Ausstellung eröffnen, sei es Malerei oder Fotografie – Konzerte aus den Bereichen Jazz, Pop, Rock, Klassik oder Folk veranstalten – Raum für Aktivitäten zur Verfügung stellen – und am letzten Dienstag im Monat um 20 Uhr schließlich ist der Jour fixe für die Jam Session, an der teilzunehmen jedermann eingeladen ist.
Weiter gehört zu seinem Konzept, Artist Homes zu einem Kieztreffpunkt zu machen, zu einem Ort, an dem Anwohner auch eigene Veranstaltungen abhalten, etwa einen Salon, in dem man sich zu Diskussionen trifft – dies als einen Schritt hin zu dem, was Jong-Ha Kim „interdisziplinäre Forschung“ nennt: „Früher gab es Universalgelehrte. Das ist seit dem 19. Jahrhundert vorbei, sie wurden von Experten und Spezialisten abgelöst. Wie können wir diese Menschen wieder zusammenbringen? Was könnte sich daraus entwickeln? Wie könnten sie sich gegenseitig inspirieren?“ Diese Vorstellung spiegelt sich auch im Namen Artist Homes wider: Homes, weil hier viele verschiedene Berufsrichtungen zusammenkommen sollen, und Artist, weil nach Jong-Ha Kims Vorstellung alle Menschen Künstler sind, auch ohne Musikinstrument oder Pinsel.
Dank für die Informationen an Jong-Ha Kim von Artist Homes sowie an René Krüger und Reiner Janick von Berliner Unterwelten e.V.
Dies ist die gekürzte Fassung von „ARTIST HOMES – vom Bunker zum Kunstort“, im Oktober 2019 in KiezWilmersdorf erschienen.
MichaelR
Artist Homes, Hohenzollerndamm 120 (Eingang auf dem Hof), Mo.-Sa. 11-19 Uhr, Tel. 0160-44 11 684
MichaelR - Gastautoren, Kunst und Kultur - 27. Oktober 2019 - 23:42
Tags: ausstellung/bunker
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In diesem Bericht des südkoreanischen KBS (Korean Broadcasting System) von Februar 2018 kann man einige historische Aufnahmen aus dem Bunker sehen (ab der 47. Sekunde): http://www.youtube.com/watch?v=rTBCZOsmt.. .