Denkmalschutz im Bezirk – Interview mit einem Fachmann
Am Beispiel von Wilhelmsaue 17 und LandhausquartierZur Erinnerung: Am 20.2. hatte die BVV einstimmig beschlossen, das Bezirksamt zu bitten, es möge seinerseits das Landesdenkmalamt (LDA) bitten, mehrere Häuser im Landhausquartier unter Denkmalschutz zu stellen. Jedoch schon Anfang März teilte mir die zuständige Sachbearbeiterin des LDA (Berliner Woche vom 18.03.2020) auf Anfrage verbindlich mit, daß das LDA die Erhaltungssatzung* als völlig ausreichend erachte: „Sie ist das richtige Instrument.“
Offenbar warten seit Ende Februar alle sechs Fraktionen der BVV immer noch auf das amtliche Schreiben des LDA – das aber in dieser Zeit der Epidemie noch recht lange auf sich warten lassen wird, währenddessen die Einhaltung der Erhaltungssatzung unkontrolliert bleibt. Daher habe ich, um die sechs Fraktionen in ihrer gemeinsamen Auseinandersetzung mit dem Stadtbaurat zu unterstützen, einen der Experten des bezirklichen Denkmalbeirats, den Architekten Reinhard Brüggemann, um ein Interview gebeten. Seine Aussagen mögen die Mitglieder des Kulturausschusses und sonstige kulturell interessierte Bezirksverordnete dazu ermuntern, doch schon jetzt Überlegungen anzustellen und einen Plan B zu entwerfen, wie die beabsichtigten Veränderungen – es geht um den Anbau von Balkonen – verhindert und damit das Landhausquartier in seinem einmaligen Erscheinungsbild erhalten werden kann (mal ganz abgesehen von der praktischen Nutzlosigkeit dieser Balkone, die eher auf den Wunsch nach höheren Mieteinnahmen zu weisen scheinen).
Kernaussagen des Interviews
Drei zentrale Aussagen von Reinhard Brüggemann: Zum grundsätzlichen Zweck der Erhaltung bestehender Gebäude sagt er: „Es bedarf des genauen Hinschauens und des Nachdenkens, so daß man Besonderheiten findet, die man erhalten möchte als Teile der historischen Überlieferung und als kulturelle Zeitzeugen. Um zu vermitteln, wie es einmal war. Und um architektonische Vielfalt zu bewahren.“ Das zu tun, ist Aufgabe der Unteren Denkmalbehörde, aber: „Die Untere Denkmalbehörde im Bezirk ist mit drei Mitarbeiterinnen völlig unterbesetzt. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.Eigentlich sollte man Wohnhäuser gar nicht unter Denkmalschutz stellen müssen, wenn sie dastehen und ihren Zweck völlig erfüllen.“ Und speziell zum Erhalt des städtebaulichen Erscheinungsbildes im Landhausquartier: „Diese Balkone überformen die Häuser in unangemessener Weise, verschatten das Erdgeschoß und sind unnötig, weil jeder Wohnung von Anfang an hinter dem Haus ein Garten zugeordnet ist.“
Das vollständige Interview samt einem Blick auf Reinhard Brüggemanns Weg hin zum Denkmalschützer findet sich an dieser Stelle (Berliner Woche vom 29.04.2020).
MichaelR
* Ihre inhaltliche Grundlage ist ein Gutachten von 1994 (Berliner Woche vom 07.01.2020).
MichaelR - Gastautoren, Politik - 09. Mai 2020 - 00:24
Tags: denkmal/denkmalschutz/stadtentwicklung
ein Kommentar
Kein Trackback
Trackback link:
Genau hinschauen und nachdenken gilt es, wollen wir verhindern, dass die Städte öde, geschichtslose Orte werden, die nur nach den Interessen kapitalkräftiger Immobilienhaie "gestaltet" werden. Gut zu wissen, dass es aufmerksame, hartnäckige Bürger gibt, die sich äußern und die politische Vertreter daran erinnern wofür sie gewählt wurden, nämllich den Bürgern zu dienen und nicht den Interessen einiger weniger Kapitalgesellschaften.