Die Stadt zum Rad
Der lästige BVG-Streik hat auch sein Gutes: Viele Menschen entdecken angesichts ausfallender Busse, Trams und U-Bahnen das Fahrrad als Verkehrsmittel. Nun kann sich Berlin mit den Fahrradmetropolen dieser Republik, namentlich Münster, Freiburg, Erlangen und Bremen, nicht messen, dafür ist die Stadt mit ihren großen Entfernungen nach dem 2. Weltkrieg zu sehr als autogerecht wieder aufgebaut worden. Beengte (bzw. fehlende) Radwege in jämmerlichem Zustand sind auch nicht unbedingt einladend, sich aufs Velo zu setzen. Aber gerade hier im autoverkehrsverlangsamten Kiez ist das Radfahren durchaus angenehm. Der jüngste Beschluss der Politik, auch im Schlosspark auf gekennzeichneten Wegen mit dem Rad fahren zu dürfen, weist ebenfalls in Richtung Charlottenburg als Fahrradstadt. Warum nicht, schließlich findet sich auf halber Höhe der Sophie-Charlotten-Straße, neben Discounter, Pizzaservice und Rotlichtbar, das Fachgeschäft RT Radsport.
Vor dem Laden mit der schmalen Fensterfront, mit einem langen Stahlseil gegen Diebstahl gesichert, stehen dicht an dicht Drahtesel, neue zum Verkauf und bereits reparierte der Kunden zur Abholung. Sie stehen auf dem Bürgersteig, weil es im Inneren des kleinen Geschäfts schlicht keinen Platz gibt. Es riecht nach Gummi und Öl, neben der Eingangstür steht eine Glasvitrine mit Klickpedalen und Handschuhen, hinter der Kasse gibt es einen drei Quadratmeter messenden Platz zum Schrauben und Montieren. Auf dem Tresen liegen Schläuche und Radsportmagazine, an der Decke hängen Felgen und Mäntel, und überall stehen Räder Lenker an Lenker. Bullige Mountainbikes, sehnige Tourenräder, voll gefederte Stadträder, Klappräder für Kinder. Und dazwischen edle Renner, Abkömmlinge alten italienischen Fahrradadels, von Pinarello, Colnago und Bianchi, ausgestattet mit feinen Campagnolo-Komponenten.
Zum besonderen Service des Hauses zählt der individuelle Aufbau eines Unikats zum Liebhaberpreis, mit Carbonrahmen, Ledersattel und Tour-de-France-tauglicher Schaltung, mit einem Gewicht von 9 kg. Offenbar wohnen viele Amateure hier in der Gegend, auch hat der RC Charlottenburg seine Geschäftsstelle am Olympiastadion. Vom Kiez ist es nicht weit zu den bevorzugten innerstädtischen Trainingsstecken, der Havelchaussee, dem Kronprinzessinnenweg und der Königstraße. Zu Saisonbeginn werden sie wieder ausschwärmen, farbenfroh gewandet, tief über den Lenker gebeugt, mit hoher Trittfrequenz und irrsinnigem Tempo, die immer gleichen Bewegungen über Stunden wiederholend. Ihre mageren Körper verschmelzen mit dem Rahmen, der Puls liegt konstant bei 150 Schlägen pro Minute, der Kopf ist unter den Wind geduckt, leise surren die schmalen Reifen, geräuschlos läuft die Kette, präzise rasten die Gänge ein.
Diese Maniacs kommen zum Fachsimpeln, wenn sie nicht gerade auf Gran Canaria im Trainingslager sind; das Brot-und-Butter-Geschäft bringt die Kiezkundschaft, die einen Plattfuß beheben lässt, das Rad nach dem Winter zur Inspektion bringt oder ein neues Velo für den Weg zur Arbeit kauft. Sie gehört zur Avantgarde dieser Stadt, sehen doch viele Autofahrer in ihren Citypanzern Radfahrer nur als mobile Verkehrshindernisse. Damit sich das ändert, müssen noch mehr Menschen als bisher möglichst viele Wege mit dem Rad zurücklegen, mit funktionierenden Bremsen und intaktem Licht, den Kopf dabei mit einem Helm geschützt. Die Ausrüstung dazu gibt es bei RT Radsport.
Andrea Bronstering - Gastautoren, Gewerbe im Kiez - 19. März 2008 - 00:25
Tags: fahrrad/fahrradmetropole/klausenerplatz/radsport
drei Kommentare
Nr. 2, [marcel], 19.03.2008 - 02:08 Hallo Basti, zum Glück steht es jedem frei die Sachen zu lesen die man lesen will. Wir danken Dir für deine bisherige Aufmerksamkeit. Und noch was. Der Ton macht die Musik. Mit diesem wirst du eh nicht ernst genommen. Willst Du das überhaupt? Gruß, [marcel] |
Nr. 3, Nachtschwärmer, 19.03.2008 - 02:11 “ich keine Lust mehr habe diesen Blog …..” Endlich – Danke! |
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Leider nehmen die sehr ausführlichen Werbeartikel hier im Blog zu.
Es gab mal, auch von dieser Autorin, sehr lesenswerte Artikel, aber leider finde ich z.B. diesen Artikel sowas von direkter, mitten ins Gesicht springende, Werbung, das es mich ankotzt und ich keine Lust mehr habe diesen Blog und ganz besonders weitere Werbeartikel von dieser Frau zu lesen.
Oder werdet ihr etwa von den Geschäften finanziert? Dann bitte! Markiert diese Artikel auch direkt mit groß “WERBUNG”, damit man diese Artikel überspringen kann.
Die früheren “Gewerbe im Kiez”-Artikel waren kurz und knapp. Es gab eine kleine Geschichte zum Laden, Öffnungszeiten und das wars.
Öffnungszeiten fehlen sogar bei diesem Artikel!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Basti