Kiezer Bastelstunde
Heute: Wir basteln uns einen Problemkiez
Gerade wurde der Bericht Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2008 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgelegt, wir hatten berichtet. Danach gilt unser Kiez nicht als Problemkiez. Das ist natürlich unerhört! Das liegt womöglich ganz einfach daran, daß darin als räumliches Bezugssystem die Verkehrszelle 0221 Klausenerplatz genommen wird, die jedoch größer (bis Kaiserdamm, bzw. Kaiser-Friedrich-Straße) als unser eigentlicher Kiez (das ehemalige Sanierungsgebiet Klausenerplatz) ist. Kaum zu glauben aber wahr, daß man lediglich eine Straße überqueren muß (z.B. die Schloßstraße oder die Knobi) und gleich landet man in einer anderen Welt. Die dort im gutbürgerlichen bessergestellten Ambiente mit geringem Ausländeranteil und größerem Wohneigentumsanteil Lebenden, lassen das soziale Gefälle für uns in unverschämter Weise den Bach runter ähh rauf gehen. Das muß natürlich geändert werden.
Die Lösung ist klar: weg mit den bessersituierten Spielverderbern und ausgrenzen. Das nennt sich nun nicht mehr Verkehrszelle 0221 Klausenerplatz, sondern LOR (Lebensweltlich orientierte Räume) und umfaßt dann nur noch unseren Kernkiez im Sinne des Sanierungsgebiets. Schlagartig sinkt damit erfreulicherweise das (soziale) Niveau und die Arbeitslosenquote und der Ausländeranteil steigen. Beides stabile und vielversprechende Fundamente unserer heutigen Bastelabsichten. Aber, ob es wohl tatsächlich schon ausreicht, den Klausenerplatz in Richtung Ende der Fahnenstange, auf unterstes Niveau, z.B. Soldiner-Kiez-Level zu drücken? Können wir mit dem kleinen niedlichen gebastelten LOR so schon zufrieden sein? Wirklich sicher genug, um mit unserem Bastelergebnis, an die dicke fette Knete zu gelangen, welche Dank eines für- und umsorgenden SPD-Senats in die hochoffiziell ausgewiesenen Problemkieze fließen wird? Zweifel bleiben. Da gilt es auf Nummer sicher zu gehen!
Die sichere Lösung ist klar! Wir müssen das räumliche Bezugssystem
eben weiter verkleinern. Es wird sich doch, verdammt noch mal, in
unserem Kiez ein paar Häuser, eine Ecke finden lassen, wo es dramatisch
genug aussieht. Schlimm genug, um mit den finstersten Ecken in Neukölln
mitzuhalten, Sumpf der Sümpfe sozusagen? Ganz bestimmt läßt sich das
doch finden. Damit ist es dann nicht mehr der LOR, sondern jetzt der LOKUS
(Lebensweltlich orientierte Kommune unterster Schicht). In diesem Fall
sollte dieser LOKUS 333 aber nun wirklich der voll krasse Abgrund sein.
Sollte alle Bedingungen erfüllen, um endlich an den Zaster des Senats
zu gelangen: "Quartiersmanagement LOKUS 333 Klausenerplatz" mit
finanzieller Vollausstattung. Yippie Heeh. Da jauchzen sie nun alle
final, von der armen Gebietskoordination bis hin zum SPD-Genossen -
endlich wieder Glanz in den Augen!
Voller Bastelerfolg!
Aber Achtung! Vor lauter heller Freude nicht leichtsinnig und unachtsam
werden und womöglich den LOKUS 00 aus Versehen erfassen, nämlich dort,
wo sie selber in schicken Lofts und Eigentumswohnungen im Kernkiez
residieren. Das würde uns dann wieder finster hoch ähh runterziehen - auf beknacktes nichtsbringendes Wannsee-Niveau möglicherweise sogar.
PS
In der nächsten Kiezer Bastelstunde folgt: Wir basteln uns einen SPD-Abgeordneten
- Kiez, Satire - 27. Februar 2009 - 00:02
Tags: kiez/klausenerplatz/stadtentwicklung/statistik
drei Kommentare
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...zitat:
“glaub´ keiner statistik, die du nicht selbst gefällscht hast…”
...kommentar-ende…i.r.a.f.,
...wenn´s nicht so traurig wär…wär´s lustig.