Gedenken an Charlottenburger Gegner des Nationalsozialismus
Am Ende der Lesung am 21. April aus Jan Petersens Chronik "Unsere Straße" wurden kurz zwei Vorhaben vorgestellt, die beide in engem Bezug zu dem erwähnten Buch stehen und das gemeinsame Ziel haben, Charlottenburger Gegner und Opfer des Nationalsozialismus der Jahre 1931 bis 1934 öffentlich zu ehren.
Das eine Vorhaben erinnert an diejenigen, die vom SA-Sturm 33 in dessen Kaserne - dort wo in der heutigen Loschmidtstraße der Verkehrsübungsplatz liegt - gequält wurden. Dort stand damals das Volkshaus der SPD, das 1933 von der SA besetzt worden war. Zu diesem Vorhaben wird demnächst ein gesonderter Bericht erscheinen.
Das zweite Vorhaben gedenkt der Charlottenburger, die im Januar und Februar 1933 in der damaligen Wall-/jetzt Zillestraße dem SA-Sturm 33 entgegentraten und deshalb vor Gericht gebracht und zu Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt wurden, Richard Hüttig sogar zum Tod. Hinzu kommen siebzehn Charlottenburger, die zwischen 1931 und Anfang 1934 von der SA (und in zwei Fällen von der Polizei) ermordet wurden, teils auf offener Staße, teils in Kasernen der SA. Insgesamt geht es um 88 Menschen, meist arbeitslose Arbeiter, einige bei der KPD organisiert. Nur an zwei von ihnen wird öffentlich erinnert: Richard Hüttig (Gedenktafel am Haus Seelingstraße 21) und Otto Grüneberg (Gedenktafel am Haus Schloßstraße 22 und gegenüber der Otto-Grüneberg-Weg). Aber auch die 86 anderen verdienen es, daß wir uns ihrer erinnern. Selbst wenn ihre Namen kaum noch jemandem bekannt sein werden, so steht doch jeder einzelne von ihnen für die, die sich gewehrt haben.
Solch Gegenwehr fand statt am 30. Januar 1933, als der SA-Sturm 33 die heutige Zillestraße "erobern" wollte. Dabei wurde deren Anführer erschossen, was man den Gegnern jedoch erfolglos anzuhängen versuchte. Die Stelle, an der damals die SA eine Tafel anbrachte, am Haus 52 (jetzt "Haus der Jugend"), bietet sich daher als passender Ort an, um der Charlottenburger Gegner des Nationalsozialismus zu gedenken.
Beide Vorhaben werden von der Gedenktafelkommission des Bezirks diskutiert; sie ist für Interessenten über bvv@charlottenburg-wilmersdorf.de zu erreichen.
MichaelR
Michael R. - Gastautoren, Geschichte - 25. Mai 2010 - 00:04
Tags: berlin/bezirksamt/charlottenburg/gedenktafel/gedenktafelkommission/reichskriegsgericht
fünf Kommentare
Nr. 3, maho, 15.06.2010 - 00:39 Es fand eine Lesung mit der wohl einzigen Überlebenden bei uns in der Stadtteilbibliothek statt. Siehe: http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi.. Weitere Informationen können andere, wie z.B. Michael liefern. Ich werde sie auf Deine Nachfrage auf jeden Fall hinweisen, falls sie es nicht selbst hier lesen sollten. |
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Ein Weg dem Widerstand !
Außer einigen Spuren (Hüttig, Grünfeld) finden sich im öffentlichen Raum rund um den Klausener Platz, kaum "Gedenkenswertes" an die Zeit des Nationalsozialismus, seien es Ereignisse, bzw. Opfer/Täter, in Form von Informationen, Tafeln usw.
Das soll sich jetzt – nach über einem halben Jahrhundert – ändern.(s.der Beitrag von M.Roeder).
Hierzu gehört auch das Projekt an das ehemalige Volkshaus der Charlottenburger SPD in der Loschmidtstr. (heute befindet sich dort die Jugendverkehrsschule)zu erinnern.
Es war einst der Standort einer Kulturbewegung, die auch AOK und Konsum einbezog, Theater und Tanz nicht ausschloß. Es war auch der Ort, an dem die Nazis nach der Machtergreifung Sozialdemokraten und (vornehmlich) Kommunisten in dem zum "wilden KZ" umgewandelten Volkshaus folterten – bis das Gebäude im Bombenhagel zusammenbrach.
Jetzt gibt es die Zusage der Senatskanzlei, am Ort eine Informationstafel aufzustellen.Von den 6000eur müssen jedoch 2000eur von Bürgern,Vereinen,Parteien u.a.Unterstützern aufgebracht werden.Soll das Projekt bereits 2011 gelingen, ist Spendenbereitschaft gefragt.
Erst wenn dieser Ort mit einer- ebenfalls noch zu errichtenden – Tafel im Gedenken an die 88 Opfer des Nazis Terrors im Kiez( am Haus der Jugend) verbunden wird, das ehemalige Reichskriegsgericht mit einbezogen wird und auch die bisher bestehenden (s.o.) Gedenkorte integriert werden- kann man von einem "Weg(Pfad) des Widerstandes" sprechen – analog zu dem "Altstadtpfad".
joachim neu