Von Wahrheiten, Halbwahrheiten und Unwahrheiten - zur gescheiterten Wohnungspolitik der SPD
Eine notwendige und nützliche Polemik zur Wahl
Es war vor einigen Jahren im Keller des Lokals " Leonhardt" am Stuttgarter Platz. So grauselig der Ort, so minimal die Teilnahme der SPD-Mitglieder der Abt. 75. Power-Point-Vortragender war der Bau- und Wohnungspolitische Sprecher der SPD im Abgeordnetenhaus Herr Michael Arndt, assistiert von der sozialpolitischen Sprecherin der Partei, Frau Ülker Radziwill.
Damals erschien die Welt auf der Leinwand noch bunt und in Ordnung. Zwar lief just die Wohnungsbauförderung aus, aber die Mieten waren noch moderat und die Stadt wohnungspolitisch dem Schlafe verfallen. Wohnungspolitik nach der Wende war hauptsächlich Verkauf von kommunalen Wohnungsbeständen und die Privatisierung von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften (GSW). Man wollte Kasse machen, was interessiert die Zukunft.
Als Lieblingsspielzeug sozialdemokratischer Bauperspektive wurde von Herrn Arndt das "Town House" präsentiert: 300 bis 400 Wohneinheiten sollten auf billigem landeseigenen Boden von Baugruppen geschaffen werden. Eigentumsbildung hieß das Zauberwort und der Rest war der Bau von Gewerbeimmobilien und Stadtplanung. Die soziale Wohnungsbauförderung war out.
Es kam wie es kommen mußte: auch hier die Melodie des Schweinezyklus: baue ich nicht mehr, fördere ich nicht mehr, reiße ich stattdessen ab - trifft es mich zehn jahre später umso härter: die Keule der Wohnungsnot.
Noch sind wir nicht soweit, aber es wird kommen - bald, spätestens beim nächsten Mietspiegel in zwei Jahren wird die Peisentwicklung vollends durchschlagen, werden die Zeitungen Entmietungen und Zwangsumzüge abbilden. Dann werden endgültig Münchener Eigentumsverhältnisse auf Berliner Sozialverhältnisse treffen. "Gentrifizierung" wird dann das schwache Wort aus der Vergangenheit sein.
Noch vor einiger Zeit glaubte Frau Junge-Reyer mit der Leugnung des Tatbestandes explodierender Mieten, sich über den Wahltermin retten zu können, jetzt sind es normale "Aufholbewegungen zu anderen vorwegeilenden Märkten". Und nun unmittelbar in den letzten Tagen explodieren plötzlich die Willenskundgebungen der SPD: 30 000 Wohnungsneubauten sollen jetzt plötzlich (wo man doch vorher dieselbigen reichlich verkauft, umgewandelt und an die Börse gebracht hat) auf den Weg gebracht werden. Aber nicht das Land Berlin will bauen, fördern, vielmehr werden die Wohnungsbaugenossenschaften in Haft genommen - über die man gar nicht verfügen kann, nur die "Genossen" über sich selber - und die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die jedoch erst vor einiger Zeit von Sarrazin angehalten worden waren: Mieten bis zum Mietspiegelansatz zu erhöhen, das Personal abzubauen und die Gewinne an das Land Berlin abzuführen. Solange diese das taten, gab es auch keine Anweisungen vom alleinigen Gesellschafter, dem Land Berlin.
Da laufen auch die jüngst erhobenen Aufforderungen des Senates just now, dieselbigen mögen die Mieten doch nicht oder moderat erhöhen, ins Leere - wie man an den aktuellen Mieterhöhungsverlangen der Gesellschaften sehen kann.
Kein Wunder: sind doch die Geschäftsführer meist aus dem SPD-geführten Senat mit dem entsprechenden Parteibuch versorgt. Solange GEWOBAG usw. betriebswirtschaftlich als AG oder GmbH agieren, nicht mehr gemeinnützigen Status besitzen, sind sie nicht besser oder schlechter als die privatisierte GSW. Und ach all die Daumenschrauben, die ein Land sonst hätte, zwicken so gar nicht, wenn man sie nicht benutzt.
Die Verlängerung der Eigentumsumwandlungsverordnung: erst nach viel Druck und nur auf bestimmte Gebiete angewandt und keine 10 Jahre (wie in Hamburg), keine Zweckentfremdungsverbote (Privatwohnungsvermittlung, Umwandlung von Miet- in Gewerberaum), keine Erhöhung des Wohngeldes, ein Mietspiegel, der eher Vermieter- als Mieterinteressen nachkommt (u.a. Neuvermietungen der letzten fünf Jahre).
Und all die vorgeblichen Bemühungen auf Bundesebene (natürlich ist immer Schwarz-Gelb schuld!) laufen ins Leere, wenn sogar SPD-regierte Länder nicht zustimmen werden, wenn auch zu Rot-Grüner Zeit nichts besser reguliert wurde - was die mietrechtliche Seite (Kappung der Mieterhöhung bei Modernisierung, Begrenzung der Miete bei Neuvermietung) betrifft.
Wofür die SPD nichts kann: der Drang des Kapitals in den Immobiliensektor, als sicherer und ertragreicher Ort (Berlin) nach dem Zusammenbruch der Kapitalmärkte, mit ungeheurem Entwicklungspotential in der Zukunft...
Joachim Neu - Gastautoren, Politik - 16. September 2011 - 22:11
Tags: berlin/gewobag/mieten/spd/wohnungspolitik
acht Kommentare
Nr. 2, maho, 18.09.2011 - 00:53 “Mieterhöhungsverlangen von 388 EUR – d.s.mehr als 55%-erhalten.” Wie geht das? Schau mal unter dem Link beim Berliner Mieterverein nach, den ich schon in der Übersicht gebracht hatte: http://www.berliner-mieterverein.de/pres.. Wir können das gern auch mal beim Mieterbeirat überprüfen. |
Nr. 6, maho, 18.09.2011 - 01:30 Wird auf § 558 Bezug genommen, oder wird das gar nicht erwähnt? Lies meinen letzten Kommentar und zieht das durch! “....die Privatvermieter laufen haufenweise (190 000(?)Mieterhöhungsverlangen)den Wohnungsbaugesellschaften hinterher …. “ Genau so ist es hier am Klausenerplatz. Die GEWOBAG war die Mietpreistreiberin – die Privaten sind/waren immer noch preiswerter. Wir haben dazu mehrfach berichtet. http://blog.klausenerplatz-kiez.de/archi.. Eine Schande für diesen Senat! |
Nr. 7, sarah, 18.09.2011 - 02:19 hast du das Mieterhöhungsverlangen der grünen Tante gezeigt als sie bei euch am stutti war? |
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Hier ein Interview mit Michael Arndt aus dem August:(Kommentar überflüssig)
http://www.morgenpost.de/berlin-aktuell/article1735974/Drei-Fragen-an-Michael-Arndt-SPD.html
Nach dem Wunschdenken hier die Realität
BLZ 17./18.9 Sonderthema: Kaufen statt Mieten
“Wir gehen von einer jährlichen Steigerung um drei bis vier Prozent aus.Besonderes Potentzial sieht er(Einar Skjerven, geschäftsführer der norwegischen Immobilienfirma Industrifinans)in den alten Westbezirken Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf.Für Charlottenburg-Wilmersdorf sieht Kjerven einen Anstieg der durchschnittlichen Nettokaltmiete von aktuell 7,50 Euro auf 10 bis 11 Euro im Jahr 2020.”
der verfasser dieser zeilen hat da auch schon mal dieser tage vornweg ein mieterhöhungsverlangen von 388EUR-d.s.mehr als 55%-erhalten.
Na dann prost und mal weiter so Herr Arndt.