Halbmond & Hakenkreuz
Eine deutsch-türkische Liebe unter dem Hakenkreuz 1942 bis 1945
Der Aufruf an Zeitzeugen, die über den Mord an dem 17jährigen Ende April 1945 Kenntnisse haben, fördert weitere Berichte aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zutage. Der folgende Text ist das Exposé eines Filminterviews mit einer heute 90jährigen Berlinerin, aufgenommen 2009.
Ömer, ein Student aus der Türkei, und Dora, ein junges Mädchen, begegnen sich in Berlin während des Zweiten Weltkrieges. Da das „Ariergesetz“ eine Heirat Doras mit einem Türken, einem sog. Nicht-Arier, verbietet, wird Ömer eine Eheschließung unter der Bedingung, dass er für die Gestapo arbeite, in Aussicht gestellt. Er lehnt ab.
Die Rassenpolitik spaltet die Familie Doras: Der Bruder Werner, der zehn Jahre älter und Soldat an der Ostfront ist, bricht mit ihr, ebenso eine Tante, die mit einem Polizisten verheiratet ist, während andere Verwandte jedoch zu ihnen halten.
Als Dora im fünften Monat schwanger ist, wird sie, eine Angestellte im Auswärtigen Amt, aus „ rassischen“ Gründe fristlos entlassen.
Auf einer Reise an den Bodensee werden sie in Bregenz als Spione verdächtigt und von der SS in Haft genommen. Dora, hochschwanger, bleibt einen Tag in Haft, Ömer als türkischer Staatsbürger eine Woche.
Das Kind, 1943 geboren, darf den Namen Ismet nicht erhalten, sondern muß einen deutschen Namen annehmen. Es wird als Viktoria B. geboren, jedoch ist der Vorname eine beabsichtigte Anspielung auf das „victory“-Zeichen der Alliierten.
Die Kriegserklärung der Türkei an Deutschland am 23.2.1945 hat zur unmittelbaren Folge, dass Ömer als Staatsbürger einer feindlichen Nation sofort ausgewiesen wird.
Nach neun Jahren muß Ömer, der inzwischen an der Berliner Universität zum Dr. rer.pol. promoviert worden war, innerhalb einer Woche Deutschland verlassen. Er tritt eine ungewisse Reise auf dem Schiff nach Istanbul an. Dora bleibt mit dem Kind in dem brennenden und belagerten Berlin zurück.
Dora, 90-jährig, ist vermutlich die einzige lebende Zeitzeugin, die als Betroffene über die rassistische Politik der Nationalsozialisten gegenüber Türken (damals eine kleine Schar von Studenten und Kaufleuten) berichten kann. Die Ironie der Geschichte ist, dass heute ca. 3 Millionen Türken – nach der Sprachregelung der Nazis „Nicht-Arier“ – in Deutschland leben.
V.R.
Wer mit der Zeitzeugin in Kontakt treten möchte, wende sich bitte per Kontaktformular oder per E-Mail an das Kiez-Web-Team.
V.R. - Gastautoren, Menschen im Kiez - 10. Juli 2013 - 00:24
Tags: gedenken/kriegsende/nationalsozialismus
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